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Berlin: Mehrzweckanlage Kudamm-Karee

Zu der Ausstellung The Story of Berlin gehört auch die Besichtigung eines "Atombunkers" unter dem Komplex "Kudamm-Karree". Der Eintritt ist nicht unbedingt günstig, aber die Organisatoren haben sich schon einige Mühe gegeben. Insgesamt ist die Ausstellung mit viel Aufwand gemacht und keineswegs uninteressant. Der Hauptanziehungspunkt für Bunker-Bekloppte ist natürlich der Besuch des Atombunkers.


Diese Mehrzweckanlage liegt zwei Stockwerke unter dem Parkhaus und wurde in den Jahren 1973/1974 still und leise gebaut. Wie damals üblich wurde der Bau zwar nicht direkt verheimlicht, Reklame dafür gab es aber auch nicht gerade. Der Grund dafür ist simpel: Hätte im Ernstfall jeder Bewohner Berlins sofort einen der Bunker aufsuchen wollen, hätte das aufgrund der begrenzten Zahl von Schutzplätzen schnell Probleme bereitet. Die Anlage ist heute noch in mehr oder minder betriebsfähigem Zustand und das macht den Besuch interessant.

BettenFilteranlageEine der VerbindungstürenWasserversorgung


Der Komplex hat nur ein Stockwerk, besteht aus zwei getrennten, voneinander abschottbaren Großraum-Bunkern, sollte 3592 Personen Platz bieten und ist damit der drittgrößte öffentliche Luftschutzbau Berlins (bezogen auf die Nachkriegszeit). Mit Stand 1999 gab es in Berlin öffentliche Schutzplätze für insgesamt rund 27.200 Menschen.

Die Anlage ist so ausgelegt worden, daß sie einem Atomschlag in 1,5 km Entfernung standhält - offiziell. An den meisten Stellen betragen Wand- und Deckenstärke nur 30cm, nur im Bereich der Schleusen sind es 40cm. Anlagen dieser Größenordnung müssen laut Gesetzeslage in etwa folgende Aufteilung besitzen:

  • Schleusen 4x15 m² (2x20m²)
  • Aufenthaltsräume 6000 m²
  • Krankenräume 300 m²
  • Aufsichtsraum (Lagerraum) 10 m² + (30 m²)
  • Aborträume 60 m²
  • Notküche 3x10m²
  • Lüftungsmaschinenraum und Raumfilterlagerung 60 m²
  • Sandvorfilter (2m Schütthöhe) 112,5 m²
  • Ersatzstromversorgungsanlage 20 m²
  • Ölvorratsraum 15 m²
  • Wasservorratsbehälter 42 m²
  • Abwassersammelgrube 2 m²

br> Die Anlage befindet sich noch heute in Zivilschutzbindung und wird vom Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf gewartet. Neben der Möglichkeit des Besuches im Rahmen der Ausstellung kann der Bunker auch für Events gemietet werden - sogar für Parties und Bunkernächte für Schulklassen und ähnliche Gruppen.

Zum Thema Zivilschutz in Berlin gab die Senatsverwaltung 1998 folgende Pressenotiz heraus:

SENATSVERWALTUNG FÜR STADTENTWICKLUNG - V D 3-

In der Bundesrepublik Deutschland werden zum Schutze der Bevölkerung eine Vielzahl verschiedener Schutzraumbauten vorgehalten. Zur Zeit findet kein weiterer Ausbau, sondern nur die Unterhaltung vorhandener Schutzräume statt. Das staatliche Programm zur Förderung öffentlicher Schutzräume (auch die Nutzbarmachung von Schutzbauwerken des 2. Weltkrieges) ist eingestellt!

Das Land Berlin hält zum Schutze seiner Bevölkerung

  • 4 Hochbunker (HB)
  • 14 Tiefbunker (TB)
  • 3 Mehrzweckanlagen in Verbindung mit Tiefgaragen (MZA, TG)
  • 2 Mehrzweckanlagen in Verbindung mit unterirdischen Bahnen (MZA, UB)

als öffentliche Schutzräume vor (Gesamtanzahl von Schutzplätzen: rd. 27.191).

Zur Sicherstellung der Einsatzbereitschaft unterliegen Schutzräume bestimmten Wartungs- und Inspektionsintervallen, die halbjährlich, jährlich oder in größeren Zeiträumen durchgeführt werden. Die Wartungsvorgaben sehen unter anderem vor, daß in zeitlichen Abständen, in Abstimmung mit dem BZS , Dichtigkeits- und Druckprüfungen erfolgen müssen.


ÖFFENTLICHE ZIVILSCHUTZBAUTEN IN BERLIN - Ausarbeitung: SenBWV /04/98 -

Gegen Ende des 2. Weltkrieges zählte Berlin rund 360 Bunker (ohne Haus- und Firmenschutzräume). Auf alliierte Anweisung sollten sie gesprengt und ihre Trümmer abgetragen werden - eine Mammutaufgabe. Vorrang hatten die gewaltigen Betonklötze der Hochbunker, die während der Fliegeralarme hunderttausende von Menschen aufnahmen. Die Sprengungen gelangen nicht immer und wenn, dann erst nach mehreren Anläufen, wie beim Zoo-Bunker, und mit erheblichen Schäden für die Nachbarschaft. Kleinere Bunker waren problemlos. So verschwand nach und nach die Hälfte dieses Kriegserbes.

Einige Bunker wurden durch eingesprengte Schlitze "entmilitarisiert". Schon frühzeitig gab es Ausnahmegenehmigungen für zivile Nutzung: Ex-Bunker dienten als Obdachlosenasyle, als Polizeigefängnis, als Lagerräume für Bevorratungen u. ä., als Champignons-Zuchtstätten und sogar als Hotels.

In der nächsten Phase wurde der Bunkerabbruch gestoppt. Nun ordneten die Alliierten mit BK/O (65) 11 vom 01. Oktober 1965 sogar an, Bunker wieder instandzusetzen und betriebsfähig zu halten. Zuerst wurden nun in mühevoller Kleinarbeit die vorhandenen Anlagen aufgenommen. In Berlin-West erfaßte man 1966 178 Luftschutzanlagen. Cirka 40 Anlagen wurden für eine Wiederherrichtung angemeldet. Mit der Durchführung dieser Baumaßnahmen wurde - nach Übertragung der Haushaltsmittel vom Bund - begonnen.

Zum Wiederausbau kam es dann aber nur bei 11 Objekten (1 Objekt wurde nach dem Ausbau aus der Zivilschutzbindung wieder entlassen - Fehrbelliner Platz 4).

Somit sind in unserer nachfolgenden Aufstellung nur 10 Objekte aufgeführt.

1999 ist noch das ehemalige Hilfskrankenhaus Heckeshorn hinzugekommen.

Folgende Anlagen wurden in ehemals Berlin-West wieder nutzbar gemacht:

* Jahreszahl bedeutet Übergabejahr

  • Tiefbunker (1980) Otto-Wels-Ring (Neukölln) 354 Schutzplätze
  • Hochbunker (1980) Eiderstedter-Weg (Zehlendorf) 293 -" -
  • Tiefbunker (1984) Blochplatz (Wedding) 1.318 -"-
  • -"- (1985) Bornsdorfer Str. (Neukölln) 199 -"-
  • -"- (1985) Massiner Weg (Neukölln) 350 -"-
  • -"- (1985) Nicolaistr. (Steglitz) 202 -"-
  • -"- (1985) Bosestraße (Tempelhof) 200 -"-
  • Hochbunker (1987) Eiswaldtstraße (Steglitz) 1.074 -"-
  • Tiefbunker (1989) Stresemannstraße (Kreuzberg) 520 -"-
  • Hochbunker (1989) Pallasstraße (Schöneberg) 4.809 -"-
  • Hochbunker (1999) Heckeshorn (Zehlendorf) rd. 500 - "- (bis 1998 Hilfskrankenhaus)

rd. 9.819 Schutzplätze

Neu errichtet wurden folgende Mehrzweckanlagen in ehem. Berlin-West:

I. Mehrzweckanlagen in Verbindung mit Tiefgaragen

  • Kudamm-Karree 1975 Charlottenbg 3.592 Schutzplätze
  • Excelsiorgebäude 1976 Kreuzberg 3.102 -"-
  • Laubacher Straße 1989 Schöneberg) 450 -"- ____

7.144 Schutzplätze

II. Mehrzweckanlagen in Verbindung mit unterirdischen Bahnen

  • UB-Pankstraße 1978 Wedding 3.346 Schutzplätze
  • UB-Siemensdamm 1981 Spandau 4.332 -" - -"-

7.678 Schutzplätze

Somit gibt es in den 16 öffentlichen Schutzbauten in ehemals Berlin-West insgesamt rund 24.641 Schutzplätze.

Die Schutzräume in den neuen Bundesländern (für Berlin - ehemals Ost-Berlin -) wurden in einem Bestandsmeldeverfahren erfaßt und nach Prüfung der technischen Anlagen nun als Öffentliche Schutzbauten geführt.

Sie unterliegen der Zivilschutzbindung (§ 7 ZSG).

TIEFBUNKER

   

SCHUTZPLÄTZE

Zeiler Weg

anerkannt 03/97

Pankow

ca. 250

Hobrechtsfelder

Chaussee

anerkannt 05/97

Pankow

ca. 250

Große-Leege-Straße

anerkannt 03/97

Hohenschönhausen

ca. 250

Franz-Jacob-Straße

anerkannt 03/97

Lichtenberg

ca. 200

TIEFBUNKER

Alfred-Kowalke-Straße

(Alt-Friedrichsfelde)

anerkannt 10/97

- 3 -

Lichtenberg

- 3 -

SCHUTZPLÄTZE

ca. 1000

 

Virchowstraße

anerkannt 03/97

Friedrichshain

ca. 250

Grundstück hinter der Walchenseestraße

anerkannt 01/98

Köpenick

ca. 350
 

 

 

ca. 2.550

Erst nach Modernisierungsmaßnahmen voll nutzbar (Entscheidung über den Beginn der Arbeiten steht noch aus: (BMI/ BZS).

Nach einem Zeitungsbericht gingen bei der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr weitere Meldungen von Bunkeranlagen in ehemals Ost-Berlin aus der Bevölkerung ein. Eine Besichtigung wurde vorgenommen. Nach den Prüfungen wurden diese Anlagen als ungeeignet eingestuft.

Die öffentlichen Zivilschutzanlagen sind Schutzräume für die Passanten im öffentlichen Straßenverkehr und für die Benutzer von Verkehrsmitteln aller Art, also für die Öffentlichkeit!

Die wieder nutzbar gemachten öffentlichen Schutzanlagen werden auch bei der veränderten Sicherheitslage, in ihrer Substanz und Funktionsfähigkeit erhalten.

Es bestehen gegen eine friedensmäßige Nutzung einer öffentlichen Schutzanlage keine Bedenken, solang

  • dadurch keine Schutzwertminderung hervorgerufen wird;
  • bauliche Veränderungen nicht vorgenommen werden;
  • die Anlage im Gefahrenfall schnell und uneingeschränkt zur Verfügung steht;
  • die beabsichtigte Nutzung nach der Bauordnung für Berlin zulässig ist;
  • die Ausstattungsgegenstände diebstahlsicher gelagert sind;
  • die haftungsrechtlichen Probleme und
  • die Fragen der Nutzungsentschädigung geregelt sind.

ZSG = ZIVILSCHUTZGESETZ 25.03.1997

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Herrn Beuke.

 Quellen (Auszug):
- Ausstellung "The Story of Berlin"
- SENATSVERWALTUNG FÜR STADTENTWICKLUNG, Berlin
- eigene Recherche

Tags: Atombunker, Zivilschutz, Berlin