Kelvedon Hatch RGHQ 5 - Britischer Ausweichsitz

Wie die meisten anderen NATO-Länder (und nicht nur die ...) hatte auch Großbritannien während des Kalten Krieges bauliche Vorsorge getroffen, um die Regierung und Verwaltung im Falle eines Krieges in geschützten Bauwerken zumindest für begrenzte Zeit arbeits- und funktionsfähig zu halten. Im Gegensatz zu vielen anderen Staaten in Ost und West setzte das Vereinigte Königreich allerdings nicht auf einen zentralen Ausweichsitz bzw. Regierungsbunker, sondern plante mit verteilten Ressourcen, also mehreren Schutzbauwerken an unterschiedlichen Orten.

 

Insgesamt neunzehn, über ganz Großbritannien verteilte geheime Bunkeranlagen sollten es Regierungsmitarbeitern ermöglichen, die wichtigsten Schlüsselfunktionen der zivilen Verwaltung auch im schlimmsten Fall eines nuklearen Angriffs notdürftig aufrecht zu erhalten. Jedes dieser geschützten Hauptquartiere verfügte über einen der damaligen Zeit entsprechenden EMP-Schutz und war per Direktleitung mit dem Verteidigungsministerium in Whitehall verbunden. Hierarchisch eingeordnet waren diese Einrichtungen unterhalb des Hawthorn Central Government War Headquarters in Corsham.

Zuständig für den Bereich der britischen Hauptstadt war eine Anlage im kleinen, von Farmen geprägten Ort Kelvedon Hatch in der nordöstlich von London gelegenen Grafschaft Essex. Der Bunker wurde in den Jahren 1952/1953 von der Londoner Firma Peter Lind & Company als Teil des ROTOR-Programms errichtet. ROTOR verfolgte das Ziel, die Luftraumüberwachung und Luftverteidigung des Landes zu verbessern, Kelvedon Hatch war hierin als ein Sector Operations Center (SOC R4) eingebunden.

Greater London Home Defence Region

In Folge wurde der Bunker zum Metroplitan Sector HQ der Warning & Monitoring Organisation, vergleichbar mit der Funktion eines Warnamtes in der damaligen Bundesrepublik Deutschland. Nachdem diese Funktion etwa Mitte der 1960er Jahre nach Horsham umgezogen war, richtete man im Bunker den regionalen Ausweichsitz des Innenministeriums ein (1967 als Sub-Regional Control, ab 1973 als Sub-Regional Headquarter). Im Jahr 1985 schließlich bekam die Bunkeranlage ihre letzte Funktion als Regional Government Headquarters (RGHQ). Nach Ende des Kalten Krieges wurden die Anlagen entwidmet und noch einige Zeit für Büro- und Lagerzwecke und Übungen der Polizei benutzt. 1993 wurde Kelvedon Hatch endgültig aufgegeben und veräußert.

Die Liegenschaft ist recht gut getarnt und sieht von außen bzw. aus der Luft beinahe wie eine einfache, kleine Farm aus. Nur ein Gittermast direkt auf dem Bunker und einige nur aus der Nähe erkennbare Außenbauwerke weisen auf die unterirdische Anlage hin. Der Zugang erfolgt über einen unauffälligen, von Bäumen umstandenen Bungalow, der neben Wache und Zugangskontrolle nur noch einige Funktions- und Büroräume beherbergt.

Als Bungalow getarnter Zugang

Von hier aus führt eine Treppe in einen etwa neunzig Meter langen Gang, dem eigentlichen Zugangsstollen zu dem an der tiefsten Stelle etwa 38m unter der Oberfläche liegenden, dreistöckigen Bunker. Die Anlage sollte mehreren hundert Personen über einen Zeitraum von bis zu drei Monaten Schutz bieten. Angesichts der Technik, die sich größtenteils auf dem Stand der frühen sechziger Jahre befindet, erscheint diese Angabe aus heutiger Sicht doch eher optimistisch.

Heute ist der Bunker ein Museum und kann besichtigt werden. Die erwähnte, fast komplett original erhaltene Ausstattung macht einen Besuch wirklich lohnenswert.

 

Quellen:
- Kelvedon Hatch Secret Nuclear Bunker Museum
- Artikel bei Subterranea Britannica
- Artikel bei Wikipedia

 

Tags: Radar, Ausweichsitz, Regierungsbunker