DAG-Werk Dömitz
In Dömitz an der Elbe wurde im Oktober 1892 ein Werk der Firma Sprengstoffwerke Dr. R.Nahnsen & Co KG errichtet, das bereits Mitte 1893 die Produktion aufnehmen konnte. Hergestellt wurden damals Explosivstoffe und Zündmittel, so z.B. TNT, Pikrinsäure, Tetryl und Nitroglycerin. Zu den wichtigsten Nebenbetrieben gehörten eine Salpetersäure- und Schwefelsäure-Herstellung und Fabriken für Collodiumwolle und Glycerin. Geschäftsführer der Fabrik war der Lüneburger Dr.phil.R.Nahnsen.
In den Jahren bis 1918 folgten über vierzig Explosions-Unglücke, wahrscheinlich alle auf mangelnde Sicherheitsvorkehrungen zurückzuführen. Allein bis 1914 starben hierbei 21 Menschen, 51 wurden schwer verletzt. Eine Explosion am 25.April 1894 forderte auch das Leben des Gründers und Leiters der Fabrik, Dr. Nahnsen, der an den Folgen einer eigentlich relativ ungefährlichen Knieverletzung starb. Die Geschäftsführung ging daraufhin an den Bruder des Verstorbenen, Ing. Georg Nahnsen, über. Er schied aber wieder aus, als die Firma 1905 in eine AG umgewandelt wurde. 1903 wurde praktisch vor den Toren der Dynamitfabrik eine zusätzliche, organisatorisch eigenständige Fabrik speziell für Sprengkapseln erbaut. Die hergestellten Sprengkapseln galten zu ihrer Zeit als besonders feuchtigkeitssicher und dominierten den damaligen Markt für Unterwasser-Sprengungen.
Die zunehmende Konkurrenz führte schon im Februar 1894 zu einem dokumentierten Fall von Industriespionage in der Dömitzer Fabrik. Im Jahr 1902 wurde zwischen dem Betrieb, dem General- Kartell und der WASAG die "Dynamit-Preis-Konvention" vertraglich beschlossen. Diese sicherte dem Dömitzer Betrieb einen Anteil von sechzehn Prozent des inländischen Dynamit-Marktes zu. Die Fabrik wurde fast pausenlos erweitert und die hergestellten Bergbausprengstoffe erlangten schnell Weltruf. Hauptabnehmer im Export waren Goldminen in Transvaal, Japan, Australien und den USA. Alle hergestellten Produkte waren ausschließlich für zivile Zwecke (Bergbau) gedacht.
1912 kam erstmals die Dynamit AG, vorm. Dr.Alfred Nobel & Co, ins Spiel. Sie übernahm das Werk, das aufgrund rückgängiger Exporte in Schwierigkeiten gekommen war. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs avancierte die Firma zum größten Rüstungsbetrieb Mecklenburgs, die Mitarbeiterzahl stieg von 300 auf rund 3:000.Bis 1921 wurden auf dem rund 40ha großen Gelände Explosivstoffe gefertigt bzw. nach dem Krieg auch delaboriert, dann folgte die Stillegung. Nur das Spengkapsel-Werk blieb noch bis zum Jahresende 1926 in Betrieb, danach wurde das gesamte Werk ausgeschlachtet und schliesslich abgerissen.
Ab 1934 wurde auf dem auf 128 Hektar angewachsenen Areal wieder gebaut und seit Anfang 1937 wurde das Gelände wieder durch die DAG, genauer die GmbH zur Verwertung chemischer Erzeugnisse, genutzt. Das Werk ging am 1. April 1936 in Betrieb und wurde schon 1937 in die Hände der Firma Verwertchemie übergeben. Neben reinen Herstellungs- und Betriebsgebäuden verfügte die Fabrik auch über Füll- und Delaborierungsanlagen. Die mit bis zu vier Meter hohen Erdwällen umgebenen Gebäude lagen dicht beieinander - für eine Rüstungsfabrik eigentlich sehr ungewöhnlich.
Die Dynamitfabrik wurde nun unter dem Decknamen "Reuter" geführt.Bis zum Kriegsende wurden im Werk Spreng- und Explosivstoffe hergestellt. Daneben fand auch Preß- und Füllbetrieb statt. Die monatliche Produktionskapazität belief sich nun auf
- ca. 3.750t Sprengstoffe, darunter 1.200t TNT und 125t Pikrinsäure
- ca. 600t großkalibrige Bomben
- ca. 150t kleinkalibrige Munition
- ca. 1.000t Panzerminen
Diese Arbeitsleistung mußte, wie so oft in den Betrieben des Dritten Reichs, von Zwangsarbeitern erbracht werden. Zunächst waren etwa 450 Arbeiter beschäftigt, 1940 waren es schon 2.270, der Großteil davon Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Für das Jahr 1945 wird die Anzahl der Beschäftigten mit 2.200 angegeben. Untergebracht waren sie in Lagern an der Fröbel-/Pestalozzistraße und im nahegelegenen Klein Schmölen. Unklar ist, ob die im Waco-Werk Dragahn ausgelagerten Arbeiter in den o.g. Zahlen enthalten sind.
Kurz vor Kriegsende wurde ein Teilbereich des Werks stillgelegt, der Rest folgte dann mit Ende des Krieges am 3.5.1945. Heute sind viele der Bunker und Gebäude gesprengt bzw. zerstört, einige Objekte auf dem Areal sind aber noch recht gut erhalten. Das Gelände wird jetzt zum Teil als Gewerbegebiet "Schmöler Berg", zum Teil als Erholungsgebiet genutzt,
Quellen (Auszug):
- US Strategic Bombing Survey, European Theater of Operations
- Public Record Office, Bestand WO 208/3153
- Munitionswerk Dömitz, Artikel von Sven Bardua
- Das nationalsozialistische Lagersystem, Martin Weinmann
- Der Krümmel, Karl Gruber
- Die Sprengstoffabrik "Tanne" in Clausthal-Zellerfeld, Braedt/Orseljau/Jacobs/Knolle
- F.Trimborn - "Explosivstoffabriken in Deutschland", Köln,1995
- versch. Zeitungsartikel
- eigene Recherchen