Anti-Bumerang Stellung bei Bad Pyrmont

Funkmess-, Funkpeil-, Funkleit- und Funkstörtechnik des 2. Weltkriegs
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Henschel
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Anti-Bumerang Stellung bei Bad Pyrmont

Beitrag von Henschel » 24.03.2006 13:36

:) Hallo zusammen !

:?: Hat zufällig einer etwas zu der Anti-Bumerang Stellung bei Bad Pyrmont. :?:

:!: Die Stellung soll sich in Neersen befunden haben. :!:

Hintergrund (aus dem Buch "Wir Stegskopfer"):

>>S., B., H. und M. [Mitglieder eines Prinz Eugen-Lehrgangs der LNS 8 ] kamen in die Anti-Bumerang-Stellung Neersen bei Bad Pyrmont .

Kamerad M. beschreibt in seinem Brief das englische Bumerang- und das entsprechende deutsche Störverfahren so treffend und mit so launigen Worten, daß die wesentlichen Passagen seines Berichts hier unverändert wiedergegeben werden sollen :

Ein "ABG-Gerät" war übrigens ein "Anti-Bumerang-Gerät" . Es wurde benutzt, um das englische Fernführungsverfahren das in England unter dem Decknamen "Oboe" und in Deutschland unter "Bumerang" streng geheim gehalten wurde, zu stören.

Es handelte sich dabei um ein Fremdortsbestimmungssystem mit Wiederholerbake im Flugzeug und zwei festen Bezugssendeempfängern, die die Entfernungsmessung vornahmen. Der Meßbereich war 560 km und die Genauigkeit ± 10 m. Trägerfrequenzen waren zunächst im Bereich 211...285 MHz und später bei 3300 MH/. Ein Flugzeug, das mit diesem Verfahren geführt wurde, konnte aus 9000 m Höhe Bomben in einen Kreis mit 50 m Durchmesser werfen.

In der Praxis wurde es verwendet, um Bomberpulks an Ziele heranzuführen, die mit "Teppichbombardierung" beharkt werden sollten. Eine einzelne Mosquito-Maschine, die nach Oboe geführt wurde, flog voraus und setzte über dem Ziel mit Berücksichtigung des Abstandes zum Bomberpulk, der Flughöhe, der Wind- und Fluggeschwindigkeiten usw. Leuchtmarkierungen, sogenannte Christbäume, ab, die den Bomberpiloten dann als Auslösemarkierungen dienten.

Was die ABGs machten, war in jedem Gerätewagen (Ende 1944 hatte Deutschland von ursprünglich 12 davon nur noch 6) auf einem schön gedruckten Plakat zu lesen : "Ein Tommy flog auf Bumerang, links hört er kurz, rechts hört er lang, bis daß ein ABG ihn störte, und er 'nen alten Scheißdreck hörte". - Der technische Krieg im Äther, mit dem wir ja vorwiegend zu tun hatten, also Funkmeßtechnik, Funkmeßbeobachtung, Fernleit- und Fernführungstechnik, hatte natürlich nicht nur für einen jungen Menschen etwas unerhört Faszinierendes, da im Gegensatz zum Mordgeschäft des Kommiß hier nur Intelligenz zählte ( in englischsprachigen Ländern heißt ja der Geheimdienst "Intelligence". Und in den USA behaupten böse Zungen oft, "Army Intelligence" sei eine contradictio in adjecto) .

Zu Anfang war es mit einem ABG sogar möglich, die Wiederholbake im Flugzeug zu zerstören, indem die Pulsfrequenz des Störsenders mit der Bumerangfrequenz synchronisiert und dann die Störsenderpulsfrequenz solange erhöht wurde, bis die mitgezogene Senderöhre der Wiederholerbake durchbrannte.

Die " Tommies" kamen aber sehr schnell dahinter und bauten ein höchst intelligentes Filter ein, das solche Spaße verhinderte. Sie konnten aber nicht verhindern, daß sie wirksam gestört wurden, sobald sie einem ABG in den Wirkungsbereich gerieten. Das funktionierte so gut, daß z.B. die Leuna-Werke während des ganzen Krieges solange nicht wirksam bombardiert werden konnten, bis das letzte ABG ausgefallen war. Das ging so weit, daß Leuna auch bei Fliegeralarm durcharbeitete und nur, wenn durch Radar- und ABG-Messungen festgestellt wurde, daß Leuna das Bumerang-Ziel war, Leuna nur neun Minuten vor möglichen Bombenwurf einen Spezialalarm kriegte für den Fall, daß in diesen neun Minuten die Störung mit ABG nicht gelingen sollte.

Wenn sie aber gelang, und mit einer gefährlichen Ausnahme gelang sie immer, solange es ABGs gab, mußte der vollbeladene Bomberverband neun Minuten lang zurückfliegen, um wieder auf den Anfangspunkt eines Kreisbogens zu kommen, der durch Leuna lief und auf dem eine Neun-Minuten-Strecke abgeflogen werden musste, bevor der Mosquito-Bombardier das S(...) U(..-) hörte wobei er am Ende von dem "U"-Strich auf den Knopf drücken mußte. Zum "SU"-Zeitpunkt mußte aber der Pilot, die Maschine zuverlässig, d.h. schon während vorangegangener Warnsignale "X" und "Y", auf einen Kreiskurs gebracht haben, sodaß er immer abwechselnd einen Punkt (Linksabweichung) oder Strich (Rechtsabweichung) hörte, nicht eine Serie von entweder Punkten oder Strichen. Wenn es gelang, ihm das mehr als einmal zu versauen, dann mußte sich der Bomberchef überlegen, ob er lieber nach Hause fliegen soll oder möglicherweise gezwungen wird, all seine schönen Bomben wegen Benzinmangel auf einen Kartoffelacker zu werfen.

Auf dem Weg nach Leuna machten viele schöne Bomben aus sächsischen Kartoffeln Kartoffelbrei. Möglicherweise um das Leunawerk zu schützen, das schon längst nicht mehr sein minderwertiges Benzin produzierte, wurden dann in den letzten Kriegstagen unsere Kameraden an der Unstrut verheizt. Die Tätigkeit an ABGs war deshalb besonders befriedigend, weil sie, ohne jemandem weh zu tun, nur dazu diente, den Mord- und Zerstörungsirrsinn etwas einzudämmen. Es gibt ein paar deutsche Städte, die es nur den paar ABGs zu danken haben, daß sie den Krieg einigermaßen intakt überlebten.

Um auf die "gefährliche Ausnahme" zurückzukommen : Während Oboe/Bumerang noch zwischen 211 und 285 MHz arbeitete, erließ der Gröfaz [Hitler] einen Befehl, daß jegliche Forschung auf dem Gebiet der Dezi- und Zentimeterwellen zu unterlassen sei, da sie nur unnötig wertvolle, für den Sieg erforderliche Fachkräfte binde und der greifbar nahe Sieg solche Forschung ohnehin überflüssig mache. Es war wohl der "Obermeier" (Göring), der, um seinem Führer zu gefallen, noch einen draufsetzte und und jedem die Todesstrafe versprach, der diesem Befehl zuwiderhandelte. Es dauerte gar nicht lange, der Sieg war inzwischen etwas weniger greifbar geworden, da schienen die Engländer Bumerang aufgegeben zu haben.

Waren die ABGs so erfolgreich gewesen ? Kaum, denn schon bald meldete die Funkmeßleitung der Luftnachrichtentruppe Bombergeschwader auf typischen Bumerangkursen. Nur die ABGs konnten sie beim besten Willen nirgendwo finden. Nun war guter Rat teuer. Also wurde dieses Phänomen erst einmal zur geheimen Kommandosache gemacht. Ein Blaupunkt-Ingenieur soll dann in seinem Privat-Labor in Berlin herausbekommen haben, daß die Engländer das Bumerangverfahren nunmehr auf einer Wellenlänge von ca. 9 cm betrieben. In unglaublich kurzer Zeit waren die verbliebenen ABGs auf neun Zentimeter nachgerüstet, noch ehe die "Tommies" Leuna ausradieren konnten. Ich wette, sie trauten ihren Ohren nicht, als sie auch auf neun Zentimeter statt der Punkte und Striche wieder den "alten Scheißdreck" hörten.

Von da an flogen sie mal mit der längeren, mal mit der kürzeren Wellenlänge. Sie konnten uns nicht mehr entwischen. Bis wir eines Tages einen Rückzugsbefehl kriegten. Wir mußten einpacken. Noch am letzten Tag konnten wir mitansehen, wie das historische Zentrum der alten Rattenfängerstadt Hameln von einem Schwärm von Tieffliegern zerstört wurde. Die einzigen militärischen Ziele, die Weserbrücken, ließen sie ungeschoren."<<

:? Hierbei handelt es sich, wie oben gesagt, um eine Abschrift/Zitat aus dem Buch "Wir Stegskopfer". Da das Buch von ehemaligen Prinz Eugenern geschrieben wurde und wohl eigentlich nur der eigenen Erinnerung dienen sollte bitte ich den etwas martialischen Text zu entschuldigen. Um es aber klarzustellen, bei den Autoren handelt es sich keinesfalls um Unbelehrbare, sondern um damals Jugendliche die durch Wissen und Ausbildung in dem damals streng geheimen Bereich "Funkmess" eingesetzt und auch verheizt wurden. Die Art der Erklärung zum Anti-Bumerang ist auf alle Fälle hervorragend. :)

:!: Bumerang ist, wie im Zitat erwähnt, die deutsche Bezeichnung für das englische Oboe-Gerät. Eine Anti-Bumerang-Stellung ist eine Feldstellung. :!:

:?: Kennt jemand noch irgendwelche Quellen zum Thema Anti Bumerang nahe Bad Pyrmont/Weser. Gab es Artikel (Regional) zu der Stellung die zufällig noch jemanden vorliegen ? :?:

Bin wie immer für jede Hilfe dankbar !!! :applause:

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Beitrag von SES (†) » 24.03.2006 15:51


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Henschel
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Beitrag von Henschel » 24.03.2006 20:57

:) Once more - THXs for Help ! :) :!:

:!: Very good Informations from your site !!! :!:

I think the Bad Pyrmont Station was inside a ABG for the Hannover area. The Date of assignment from the "Prinz Eugener" are from 21.3.1945 to 1.4.1945.

The FuMB called "Ottenstein". I think it placed at a mountain range between Neersen and Ottenstein.

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Beitrag von SES (†) » 24.03.2006 21:11

Hi Henschel,
Thank you very much. You have touched a very interesting subject, where lots of pieces are still missing.
mfg
SES

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Neersen/Ottenstein

Beitrag von Henschel » 16.08.2007 13:12

Zusammen mit Chris_2000 konnten wir mittlerweile die damaligen ABS-Stellungen lokalisieren.

Die Stellung in Neersen befand sich auf einer Erhöhung (ca. 365m) südlich der Ortschaft. Die Anlage bestand aus Gerätschaften und einer Barracke. Über die Art der technischen Anlage war den ortsansäßigen Zeitzeugen nichts mehr bekannt.

Es war bekannt das es sich um eine Luftnachrichteneinheit handelte, außerdem war meist auch eine Luftwaffenhelferin in der Stellung.


Noch interessanter ist das die Stellung in Ottenstein als Anlage der Telecom weiterhin erhalten ist. In wie weit die Absperrungen aber aus der Zeit sind ist nicht klar. Ein teilweise erhaltener Kupferschutz spricht für mich allerdings für eine Zeit vor 1950. Die in Form einer Würfel-5 angebrachten hohen Masten (die heute auch keinen direkten sinn mehr ergeben) würden auch zu ähnlichen (allerdings "normalen") Störanlagen passen. Auch ein erhaltener Porzelankopf an einen Mast spricht für eine Anlage vor 1950.


Die Zeitzeugen erinnerten sich außerdem an eine größere Anlage (wahrscheinlich zur Luftlagemeldung) in der Nähe von Eichenborn und Kleinenberg bei der Gaststätte "Windmühle". In der Nähe des Wasserwerkgebäudes sollen sich mehrere Barracken mit Luftwaffenangehörigen (auch Offizieren), sowie vielen Luftwaffenhelferinnen befunden haben.



Die Anlage Ottenstein befindet sich ebenfalls auf einer weitläufigen Anhöhe (ca. 300m) südwestlich des Ortes. Größe der Telecom-Anlage ca. 30x30m.
Auch am nahegelegenen Sportplatz kann man "Strom"(?)masten finden die zu einer Anlage passen würden. Diese waren mit 5 Löchern mit Abstand ca. 30cm in der Höhe durchbohrt. Später wurden daran Lampen angebracht. Sie könnten eventuell einer Stromversorgung aus der nahen ehemaligen Ziegelei gedient haben.

Hat zufällig jemand Kenntnis über die Einheiten und Aufgaben dieser 3 Stellungen recherchiert ? Wie oben erwähnt wurden die beiden ABS-Anlagen zum Schutz für Angriffe gegen Hannover eingesetzt. Kennt jemand etwas über die Ln-Geschichte der Gaststätte "Windmühle" ? Sind entsprechende Artikel in Lokalzeitungen (Raum Vlotho/Bad Pyrmont) bekannt ?
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