Breite Mittelstreifen-"Inseln" an Autobahnen

Verkehrsgeschichte - Straßen, Autobahnen und sonstige Straßenverkehrs-Bauwerke
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MikeG
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Breite Mittelstreifen-"Inseln" an Autobahnen

Beitrag von MikeG » 18.08.2005 21:18

Hallo!

Vor einiger Zeit tauchte hier einmal die Frage auf, wozu die „großen Mittelsteifen-Inseln“ sind, wie es sie z.B. an der A7 zwischen den AS Bispingen und Soltau-Ost und zwischen dem AD Walsrode und der Raststätte Allertal gibt.

Ich hatte heute ein Gespräch mit dem ehemaligen Entwurfsdezernenten BAB des Landes Niedersachsen. Im Verlauf des Telefonats kam die Rede auch auf die „Mittelstreifen-Inseln“. Diese wurden aus dem Gedanken heraus gebaut, daß ein breiter Mittelstreifen mehr Sicherheit für die beiden Richtungsfahrbahnen (geringere Unfallgefahr, weniger Ablenkung und Blendung) bietet und eine vereinfachte Verbreiterung erlaubt (keine erneute Diskussion mit Landbesitzern etc.). Realisiert wurde so etwas nur, wo die Quadratmeterpreise es erlaubten – so eben beispielsweise Ende der fünfziger Jahre in der Lüneburger Heide. Auch in der „Hansa-Linie“ (A1) bei Neuenkirchen-Vörden sah der ursprüngliche Entwurf so eine „Insel“ vor, sie wurde aber vom Verkehrsministerium aus Kostengründen abgelehnt.

Mike
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sigma
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Beitrag von sigma » 18.08.2005 21:34

Es gibt weitere Beispiele: Beim oestlichen Autobahnring Muenchen. Er ist durchgaengig mit einem Mittelstreifen versehen, der die Ergaenzung von je einer Fahrspur in jeder Richtung ohne Verbreiterung nach Aussen moeglich macht.

Es gibt bei den Autobahnen , die vor ´43 gebaut wurden auch noch die Variante, dass diese Verbreiterung einen ideologischen Aspekt hatte: Schoenes Waldstueck (A2 bei Bielefeld, A9 bei Manching, A13 bei Staakow, A4 bei Erfurt; wobei letztere dem Ausbau in den 90ern zum Opfer fielen), Aussicht oder anderes wie einfachere Gestaltung von Aufstiegen, oder weniger Landbewegung. Das von dir beigefuegte Bild ist bei Bispingen und ein Beispiel fuer letztere Motivation (afaik)

In neuerer Zeit kommt noch ein Typus hinzu: Wenn eine 2+2 Autobahn auf 3+3 ausgebaut wird, wird oft eine Richtungsfahrbahn ganz neu gebaut. Ist vom baulogistischen her einfacher. Da die alte 2+2 Fahrbahn dann breiter ist als benoetigt fuer eine dreispurige Richtungsfahrbahn, wurde zB bei Braunschweig die Variante gewaehlt, dass ein breiter Mittelstreifen blieb.

petzolde
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Beitrag von petzolde » 18.08.2005 23:28

Die Verbreiterungsmöglichkeit von 2 auf 3 Spuren je Richtungsfahrbahn war beim Bau der Reichsautobahnen defininitiv kein Thema; damals machte man ja - wegen des noch geringen Verkehrs - sogar Werbung für die Benutzung von Autobahnen.
Unfallvermeidung dürfte auch kein Thema sein, denn wenn auf ca. 150 km zwischen Hamburg und Hannover nur etwa 5 km aufgeweiteter Mittelstreifen kommen, macht das wenig Sinn. Außerdem war der Verkehr damals so dünn und langsam, daß Unfallvermeidung wohl ein eher marginales Thema war.
Aus meiner Sicht gibt es wohl 3 Aspekte:
- Geologisch-Morphologische Probleme (zB A8 - Aufstieg Schwäbische Alb, oder A4 Eisenach-Erfurt)
- Strategische Überlegungen (zB parallele A2-Weserbrücken bei Bad Oeynhausen): Nach Bombardierung einer Brücke/Richtungsfahrbahn bleibt dann hoffentlich noch die andere Seite
- Hinweis auf Schönheit oder Bedeutung der Landschaft (zB A7 Lüneburger Heide, A4 bei Düren) - ein aus heutiger Sicht schwer nachvollziehbarer Aspekt mit einem wohl auch ideologischen Hintergrund. Siehe hierzu auch die Internetseiten von "Autobahngeschichte" und das Buch von Stockmann zur unvollendeten Autobahn Bad Brückenau-Würzburg.

In diesem Zusammenhang fallen mir auch steigungs- und gefälleintensive Trassierungen auf "Bergrücken" mit guter Aussicht ein, zB A7 südlich Kassel, A2 Deister/Wiehengebirge, A4 östlich Bad Hersfeld. Hier war/wäre die Aussicht gut, wenn nicht nach 60 oder 70 Jahren der Baumwuchs sie stören würde
gruß EP

Harvey

Beitrag von Harvey » 22.08.2005 16:58

Moin,

auch mich kann die von Mike zitierte Erklärung überhaupt nicht überzeugen. Ich hänge mal ein Luftbild der weiteren Teilung der A7 bei Westenholz (Walsroder Dreieck) an (Quelle: D-Sat2).

Beide Teilungen befinden sich in Kurvenverläufen ... liegt hier eine mögliche Erklärung? Sollten unterschiedliche Radien in der Praxis getestet werden? Sieht man auf dem Screenshot von Mike auf der linken Spur schon eine andere Trassierungstechnik, nämlich mithilfe von Klotoiden (war hier schon mal Thema: viewtopic.php?t=6072&highlight=klotoiden)?

Grüße

Heiko
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MikeG
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Beitrag von MikeG » 22.08.2005 19:11

Moin!

Nun, die Erklärung scheint mir schon glaubwürdig - der gute Mann erzählte mir auch, daß sein Vorgänger durchaus stolz auf die Realisierung dieser beiden Stellen gewesen sei. Ich denke auch nicht, daß es da irgendetwas zu verstecken gäbe -z.B. einen militärischen oder sonstwie geheimen Zweck (ich kenne beide Inseln - da ist absolut nichts...
Man könnte lediglich unterstellen, daß verschwiegen wird, daß diese Idee schon bei der Planung der RAB vom NS-Regime getätigt wurde und dies den Nachkriegsplanern evtl. peinlich sei. Da die Idee "Autobahn" und auch die Einbindung der Landschaft aber schon vor den Nazis existierte, zieht das auch nicht wirklich.

Die von mir zitierte Quelle war als leitender Ingenieur bei der Planung der Hansa-Linie beteiligt und kennt in Niedersachsen praktisch jeden AB-Kilometer. Das muß nicht heissen, daß er automatisch Wahres spricht - aber einen Grund zum "schwindeln" hat er meiner Ansicht nach nicht.

Geologische bzw. topographische Gründe kommen hier, mitten in der sandigen Heidepampa, nicht zum Tragen (das hatte ich extra erfragt, wer weiss, ob da nicht irgendein Gegend-fremder Brocken liegt oder ein wertvolles Kulturdenkmal).

Langer Rede kurzer Sinn: Zumindest für diese beiden Stellen erscheint mir die Erklärung glaubhaft.

Mike

petzolde
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Beitrag von petzolde » 22.08.2005 22:23

An den Angaben von Mike ist was dran - also noch eine Begründung für breite Mittelstreifen.
Autobahnen waren ja von Anfang an ein bauliches Experimentierfeld, angefangen bei Kurvenradien und Standspurbreiten der RAB-Zeit über die Umgestaltung der Spurwechselabschnitte in Autobahnkleeblättern ("Zügig Spur wecheseln") bis hin zum Bau von kostenträchtigen "Überfliegern".

Im Grunde gibt es keine wirkliche Notwendigkeit, beide Richtungsfahrbahnen immer nebeneinander und auf gleicher Höhe zu führen. Es wäre sicherlich kostengünstiger, öfter davon abzuweichen, zB in hügeligem/bergigem Gelände oder bei Stadtautobahnen. Scheint in anderen Ländern auch wohl eher möglich zu sein...
gruß EP

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Beitrag von mucimuc » 24.08.2005 09:36

Völlig laienhaft denke ich mal, daß die Abweichungen in bergigem Gelände ganz andere Hintergründe haben, als in flachem Land. Man erinnere sich zB an den Hienberg auf der A9 Nürnberg-Hof, der beim Ausbau "Deutsche Einheit" neutrassiert wurde-und vorher und auch nachher getrennt blieb. Oder der Kindinger Berg, der auf der A9 Nürnberg-München eine gewaltige Geländestufe bewältigt. Hier war die ursprüngliche A9 mit nah beieinanderliegenden Gegenfahrbahnen trassiert. beim Ausbau irgendwann 70er/80er auf drei Richtungsfahrbahnen wurde die gesamte bauliche Anlage beider Richtungen als Richtungsfahrbahn Nürnberg umgebaut, die ursprüngliche Richtungsfahrbahn Nürnberg wurde zur reinen Lkw-Spur mit überbreitem Standstreifen für die Abwärtsfahrt ausgebaut, die Richtungsfahrbahn München (alt) ist nun die pkw-Fahrbahn Richtung Nürnberg, woraus sich (gesperrte) Parkplätze LINKS ergeben haben.

Die heutige Richtungsfahrbahn München hat eine völlig andere (Hang)trassierung und ist weit von der alten RAB-Trasse getrennt.

Auch im Ausland, speziell in Österreich und Italien findet man diese Hangstrecken. Die Autobahn durch die Toskana, die Autobahn von Venedig nach Belluno (ein irres Beispiel, sollte man gesehen haben) und sehr beeindruckend die Achterbahn, äh Autobahn von der Poebene nach Genua sind hier tolle Beispiele.

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Beitrag von kuhlmac » 26.08.2005 20:58

petzolde hat geschrieben:An den Angaben von Mike ist was dran - also noch eine Begründung für breite Mittelstreifen.
Autobahnen waren ja von Anfang an ein bauliches Experimentierfeld, angefangen bei Kurvenradien und Standspurbreiten der RAB-Zeit über die Umgestaltung der Spurwechselabschnitte in Autobahnkleeblättern ("Zügig Spur wecheseln") bis hin zum Bau von kostenträchtigen "Überfliegern".

Im Grunde gibt es keine wirkliche Notwendigkeit, beide Richtungsfahrbahnen immer nebeneinander und auf gleicher Höhe zu führen. Es wäre sicherlich kostengünstiger, öfter davon abzuweichen, zB in hügeligem/bergigem Gelände oder bei Stadtautobahnen. Scheint in anderen Ländern auch wohl eher möglich zu sein...
gruß EP
Der Meinung möchte ich mich anschließen, das kommt oft vor.
Mein Lieblingsbeispiel, daß ich regelmäßig sehe (bzw. wwgen Bäumen nicht sehe.. ;) ) ist die Autobahn NO Herford / NRW.
Da wurde auch eine Kurve "an den Hang in SW gelegt und man kann es ganz deutlich sehen. Ich habe mal einen Ausdruck aus Google earth gemacht - s. Anhang. (Leider einer der Bereich die nicht ganz so toll auflösen, es sollte aber reichen)
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bfh

Beitrag von bfh » 26.08.2005 23:42

Hi!

Überbreite Mittelstreifen ergeben sich in einigen Fällen aus der Berücksichtigung zukünftiger Baumaßnahmen. Da wäre z.B. eine geplantes Autobahndreieck (A96/A99), zukünftigen bzw. Ausbaumaßnahmen (A99/Dreieck Feldmoching => Ak Feldmoching) oder Umgehungsstraßen, Bahnüber-/unterführungen etc. Ob diese berücksichtigten Baumaßnahmen dann auch tatsächlich ungesetzt werden ist eine ganz andere Sache.


Guenter

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Beitrag von derjogi » 30.08.2005 08:16

Hallo zusammen,

auf der A 45 zwischen dem Langenselbolder Dreieck (A 66) und dem Gambacher Kreuz (A 5) ist auf rund 50 KM so ein breiter Mittelstreifen angelegt worden. Auch hier dürfte es sich wohl um Planungen für einen späteren, 6-streifigen Ausbau gehandelt haben.

Das Gleiche findet man auch auf der A 44 zwischen dem Kreuz Düsseldorf-Nord (A 52) und dem Kreuz Ratingen-Ost (A 3)

Gruß Jogi

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