Schutzplätze im Ernstfall?

Zivile bzw. nicht-militärische Schutzbauwerke und Anlagen des Kalten Krieges
Baum
Forenuser
Beiträge: 928
Registriert: 15.12.2003 20:50
Ort/Region: 74223 Flein

Beitrag von Baum » 09.03.2005 20:43

hallo

oder Heilbronn als Pershing II Standort. Da gab es nicht mal im WK II genügend Schutzräume, bzw. überhaupt nur wenige offizielle (General - Wever - Turm als Hochbunker und noch so zwei Tiefbunker, wobei einer aber anscheinend nur Rettungsstelle war). Unterhalten wurde hier nach dem Krieg wenig und neu gebaut sowieso nix.
Und bei uns auf dem Dorf. Sandsteingewölbekeller (als Schutzraum für 20 Personen, heute sitzt unser Bürgermeister drauf).
Die Waldheide als Pershing II Stellung war dem WP sicher bekannt (es gab und gibt z.T. ja noch weitere interessante Ziele in der näheren Umgebung (Kleingartach und Sachsenheim als Raketenstellungen, Kernkraftwerk Neckarwestheim). Aber ich glaub nicht dass die Zivilbevölkerung großartig in die Überlegungen zum Schutzraumbau eingeflossen ist. Da wäre es eben mal hell geworden und der Käs wär gegessen gewesen.
(Komischerweise hat einen das damals gar nicht so sehr belastet. Das kam erst so mit den Ostermärschen in den 80ern).
Am Rande: Einer der User hier hat -sinngemäß - den schönen Spruch: Siehst due einen Atompilz, dann schau genau hin, du siehst so etwas nie wieder. Stimmt nicht ganz. Das Atomkraftwerk Neckarwestheim produziert bei entsprechenden Wetterlagen die schönsten Atompilze (bzw. atompilzähnliche Strukturen)

Baum.

Nickl89

Beitrag von Nickl89 » 09.03.2005 21:02

klar, dass es es nie ausreichend bunkerschutz gab, das ist ja auch logisch, aber hier passen etwa 100 leute in den einen bunker... 10.000 hätten davor gewartet. das ist eigentlich wieder so eine sache, wo ich am gesamten zivilschutzsystem zweifle... so gesehen war das ja dann eigentlich alles nicht nötig. man wird gewarnt, aber was bringt das denn, wenn man keinen schutz hat? ok, klar andere bedrohungen, wie regionale chemieunfälle sind ein argument, aber ein grossalarm hätte im ernstfall im kalten krieg ja wohl nichts mehr gebracht.... ich denke ich mach besser wo anders weiter. ich werd wieder offtopic.

Benutzeravatar
Gravedigger
Forenuser
Beiträge: 2482
Registriert: 17.08.2003 14:43
Ort/Region: Sennestadt
Kontaktdaten:

Beitrag von Gravedigger » 10.03.2005 00:31

Nickl89 hat geschrieben:aber hier passen etwa 100 leute in den einen bunker... 10.000 hätten davor gewartet.
So war das leider der "Normalfall" :( Nehmen wir mal das beispiel Berlin: da gab es zum Zeitpunkt der Wende 1989 in West-Berlin gerade mal 15 öffentliche Schutzbauwerke mit ca. 24.000 Schutzplätzen und das bei ca. 2 Millionen Einwohnern.

CU Markus
Zivilisation bedeutet, sich gegenseitig zu helfen von Mensch zu Mensch, von Nation zu Nation. (Henry Dunant)

Lasse
Forenuser
Beiträge: 427
Registriert: 29.06.2002 17:33
Ort/Region: Kiel

Beitrag von Lasse » 10.03.2005 00:40

Baum hat geschrieben:Am Rande: Einer der User hier hat -sinngemäß - den schönen Spruch: Siehst due einen Atompilz, dann schau genau hin, du siehst so etwas nie wieder. Stimmt nicht ganz. Das Atomkraftwerk Neckarwestheim produziert bei entsprechenden Wetterlagen die schönsten Atompilze (bzw. atompilzähnliche Strukturen)
Das Bin ich. Den Spruch habe ich von einem anderen User geklaut, der das bei der BW immer zum Leidwesen seiner Vorgesetzen sagte.

Eigentlich könnten wir diesen Thread in eine Diskussion ob man im Ernstfall schutz gehabt hätte oder nicht splitten. Über die Bunker in Kiel will ich mich nicht auslassen. Als die im zweiten Weltkrieg gebaut waren, waren die sicher besser ausgestattet.
"Siehst Du einen Atompilz: Schau gut hin, Du bekommst so etwas nie wieder zu sehen."

Benutzeravatar
Oliver
Forenuser
Beiträge: 2765
Registriert: 06.09.2003 15:37
Ort/Region: Nürnberg
Kontaktdaten:

Beitrag von Oliver » 10.03.2005 08:30

Hi zusammen,

generell kann davon ausgegangen werden dass:

- es nur für ca 3 % der Bevölkerung öffentliche Schutzräume gibt
- dazu kommen dann noch ein paar private Schutzräume
- dazu kommen natürlich noch die Personen die aufgrund Ihres Berufs in einen dienstlichen Bunker verbracht werden (Regierung, Behörden, öfentlich rechtl. Rundfunk zumindest teilw.)

Alles im allen dürfte dass aber immer noch deutlich weniger als 10% der Bevölkerung sein.

Seit Ende des kalten Krieges gilt auch für die meisten Schutzräume das der Bereitschaftsgrad deutlich gesenkt wurde, so dass:

- bei einem plötzlichen Kriegsszenario die Bunker zum einen nicht bereit wären, keine Lebensmittel eingelagert etc
- das selbe der Fall wäre bei einem Katastrophenszenario

Selbst zu Zeiten des kalten Krieges ging man von ca 14 Tagen aus, die verbleiben um einen Bunker aus dem Schlaf in einen Beritschaftsstatus zu versetzen.

Welche Szenen sich dann am Einlass abspielen würden wenn 100000 Personen davor stehen und aber nur 2000 Personen rein dürfen wegen Platz kann man sich glaube ich vorstellen.
Jedenfalls wurde mir mal versichert dass wenn einmal der Befehl zum Schliesen der Türen gegegebn ist die Kraft der Schlissanlagen stärker sei, so dass hereindrängende Menschen keine Chancen hätten.

Gruß
Oliver

Frido

Beitrag von Frido » 10.03.2005 12:17

Oliver schrieb:
"Jedenfalls wurde mir mal versichert dass wenn einmal der Befehl zum Schliesen der Türen gegegebn ist die Kraft der Schlissanlagen stärker sei, so dass hereindrängende Menschen keine Chancen hätten."


Also die 3 aktiven Bunker bei uns die ich höchstpersönlich kenne ,da werden die Zugänge manuel geschlossen.
Da wollte ich bei einem Belegungsfall nicht die Tür gegen die anströmenden Massen zudrücken müssen.

Gruß
Frido

Benutzeravatar
Godeke
Forenuser
Beiträge: 847
Registriert: 14.10.2003 20:23
Ort/Region: Lüneburg
Kontaktdaten:

Beitrag von Godeke » 10.03.2005 14:06

Hallo :) ,

Oliver hat das Ausschlaggebende schon genannt. Theoretische Schutzraumquote in der BRD bei max. 3.%, und zwar am Ende des Kalten Kriegs so um 1990. Vorher waren es noch weniger. Die Weichen für diesen offenen Widerspruch zu einem Schutzanspruch der Zivilbevölkerung wurden schon 1965 gestellt, als ein vorbereitetes "Schutzbaugesetz" nicht im Bundestag verabschiedet wurde. Man wußte bereits, daß die Sache nicht finanzierbar sein würde. Also betrieb man ein bißchen Kosmetik nach außen und beruhigte sich und die anderen mit einem LSHD bzw. einem "erweiterten Katastrophenschutz". Das letzte wurde also zuerst getan, weil es am wenigsten kostete. Die richtige Reihenfolge wäre gewesen:
1. Schutzraumbau öffentlich/privat,
2. Warn- und Alarmsystem,
3. ausgebauter Selbstschutz.
Das ganze Vorhaben ist allerdings nicht nur an klammen Finanzen gescheitert, sondern auch am Desinteresse der Bevölkerung und letzlich auch an einem erklärten politischen Willen, der nach 1966 in der ersten großen Koalition nicht mehr zu bilden war. Eine wesentliche Rolle spielten natürlich auch all die schlimmen Erfahrungen aus dem 2. Weltkrieg.
Bei dieser vorgenannten Widerspruchsproblematik um den Zivilschutz handelt es sich allerdings nicht um etwas besonderes, sondern um einen allgemeingültigen gesellschaftlich-politischen Mechanismus, der auch heute noch wirksam ist: Problem der Arbeitslosigkeit, Reform des Schulwesens usw.
...und jetzt noch mal schnell zu www.thw-lueneburg.de , der aktuellen Seite mit News aus der wunderbaren Welt des Helfens!

pkbremen

Beitrag von pkbremen » 10.03.2005 18:44

Tach zusammen,

wieso die Diskussion? War zwar manchmal alles wohl sehr knapp, ist aber doch bisher alles gut gegangen.

Benutzeravatar
Oliver
Forenuser
Beiträge: 2765
Registriert: 06.09.2003 15:37
Ort/Region: Nürnberg
Kontaktdaten:

Beitrag von Oliver » 10.03.2005 19:52

Hi zusammen,
wieso die Diskussion?
Na der Russe wird uns zwar nicht mehr drohen, aber wenn der böse Terrorist zuschlägt kann ein Schutzraum auch ganz sinnvoll sein - oder bei einem Störfall in einem AKW oder Chemiefabrik...

Gruß
Oliver

PS: Sorry für den vielleicht etwas flapsigen Tonfall

Harry (†)

Beitrag von Harry (†) » 10.03.2005 20:33

>sondern auch am Desinteresse

Teilweise auch sehr stark an der Friedensbewegung (hrmpf ich war dabei :D) da "wir" die Auffassung vertraten, Schutzraumbau sei aktive Kriegsvorbereitung..

Antworten

Zurück zu „Kalter Krieg - Zivilschutz & Zivilverteidigung“