Gas und Gaslicht

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manni
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Beitrag von manni » 25.02.2005 02:40

petzolde hat geschrieben:...deren zwischenliegende Dichtungen natürlich gasdicht sein müssen.
Wurde als Dichtung nicht Wasser benutzt, d.h. stand der obere Teil des Behälters nicht in Wasser und wurde durch die Gasmenge angehoben ?

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Ollie
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Beitrag von Ollie » 25.02.2005 09:40

Hallo allerseits,

zur Zündung bzw. zum Ausschalten der Laternen: Der weiter oben zu findende Beitrag von Lars ist korrekt, die Dinger wurden ferngesteuert durch eine kurzzeitigen Druckerhöhung. Das funktionierte prima außer wenn der Jugendliche in der Samstagnacht aus dem Wirtshaus kam und auf dem Heimweg per Fußtritt an den Lampenmast das Licht zum Erlöschen brachte (der Letzte macht das Licht aus!), Schande über mich, ist aber schon locker 25 Jahre her und es kam in der Regel wirklich keiner mehr nach uns. Nach derartigen Angriffen auf die computerlose (!) Regelung war dieselbe aus dem Rythmus gebracht, so daß der Ausschaltimpuls am nächsten Morgen dafür sorgte, das die Laterne angeschaltet wurde und bis zum Abend brannte, wo sie dann per Fernsteuerung zum Erlöschen gebracht wurde.
Das war das Startzeichen für den Mann mit der langen Stange. Oben war ein Haken dran, mit dem er einen Ring am Laternenkörper ziehen konnte. Das löste einen örtlichen Druckstoß aus und die Lampe war wieder im richtigen Takt.
Diese Stange brachte der Gute nicht vom Gaswerk mit (zumindest nicht dort, wo ich als Kind wohnte (Randberlin)), sondern ab und zu waren eine derartige Stange sowie eine Leiter für Wartungsarbeiten an den Laternen mittels Kette und Vorhängeschloß befestigt, so daß sie immer für den Radler in der Nähe vorhanden waren und er mit diesen unhandlichen Hilfsmitteln nicht durch die Stadt radeln mußte.
Wenn ich mich recht erinnere, gab es sogar einige Rentner in der Gegend, die ein oder zwei Laternen vor Ihren Grundstücken in persönliche "Pflege" genommen hatten (der Mann vom Gaswerk kam nicht täglich, eher selten) und sich so eine Stange ohne Beachtung irgendwelcher Patentrechte Dritter nachgebaut hatten und immer in Bereitschaft hielten. Einer dieser rüstigen Rentner war mein Großvater.
Übrigens: Ein Großteil dieser Laternen steht heute noch in einigen Teilen Berlins, allerdings vorwiegend auf elektrischen Betrieb umgebaut. Einige gasbetriebene, in wenig frequentierten Gegenden, gibt es oder gab es zumindest vor einigen Monaten immer noch am Stadtrand Berlins, müßte man mal wieder nachsehen.

Viele Grüße aus BÄRlin
Ollie
"Traditionspflege bedeutet nicht, in der Asche herumzustochern, sondern die Flamme weiterzugeben
(Ricarda Huch)

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MikeG
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Beitrag von MikeG » 25.02.2005 09:53


Harvey

Beitrag von Harvey » 25.02.2005 13:24

Ja, das mit den flexiblen Gasspeichern habe ich verstanden. Sie dienten also als Spitzenausgleich oder Puffer. Dann wurde quasi der Gasdruck durch das Gewicht des Deckels erzeugt!?
Wie aber funktionierten dann starre Gasspeicher, also die Kugeln und andere gemauerte Speicher?

Heiko

Johan

Gasspeicher

Beitrag von Johan » 25.02.2005 14:30

Im Stuttgarter Hafen stehen noch eine ganze Menge der "Teleskop"-Gasspeicher. Das wird also durchaus noch verwendet.

Der Deckel des Oberhausener Gasometers war eine recht dicke Stahlplatte; durch ihr Gewicht kam der Gasdruck zustande. Heute ist afaik diese Platte in 3 m Höhe im Speicher auf Stützen aufgestellt und ein neues Dach über die ganze Anlage gebaut worden.

Johan

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Käptn Blaubär
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Beitrag von Käptn Blaubär » 25.02.2005 22:26

manni hat geschrieben:Wurde als Dichtung nicht Wasser benutzt, d.h. stand der obere Teil des Behälters nicht in Wasser und wurde durch die Gasmenge angehoben ?
Harvey hat geschrieben:Ja, das mit den flexiblen Gasspeichern habe ich verstanden. Sie dienten also als Spitzenausgleich oder Puffer. Dann wurde quasi der Gasdruck durch das Gewicht des Deckels erzeugt!?
Wie aber funktionierten dann starre Gasspeicher, also die Kugeln und andere gemauerte Speicher?
Moin!
Zum Thema der verschiedenen Konstruktionsarten der Gasbehälter hier mal ein Auszug aus einem Artikel aus der Ausgabe 1/2004 der Zeitschrift industrie-kultur:

"Die Geschichte der Gasversorgung in größerem Maßstab beginnt 1812/13 in England mit der ersten Gasstraßenbeleuchtung in London. In Deutschland werden die ersten Gasanstalten zwischen 1826 und 1828 in Hannover, Berlin und Dresden errichtet. Zweck auch dieser Gaswerke war in erster Linie die Speisung einer öffentlichen Straßenbeleuchtung. Die Versorgung privater Haushalte, sog. Privatflammen, war zunächst nur ein Nebeneffekt. Das Gas wurde dabei in Retortenöfen durch Verkokung von Steinkohle erzeugt. Der dabei ebenfalls anfallende Koks wurde von den Gasanstalten im Nebengeschäft als Brennstoff verkauft.
Da die Gaserzeugung kaum genau an den jeweiligen Verbrauch angepasst werden kann, wurden schon früh Gasbehälter zur Pufferung erforderlich. Bis zum Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wurden diese ausschließlich als Glocken- oder Teleskopgasbehälter errichtet. Dieser Behältertyp besteht aus einer oben geschlossenen und unten offenen Glocke, die unten in ein Wasserbassin eintaucht, das den Innenraum der Glocke gegen die Umgebungsatmosphäre abdichtet. Je nach Füllgrad des Behälters taucht die Glocke dabei mehr oder weniger weit in das Wasserbassin ein. Außen umgibt den Behälter ein Gerüst mit Führungsschienen, das die bewegliche Glocke stabilisiert. Um das zu speichernde Gasvolumen zu erhöhen, wurde die Glocke auch aus mehreren, teleskopartig in einander verschiebbaren Elementen hergestellt. Eine Weiterentwicklung dieses Behältertyps ist der hauptsächlich in England verbreitete Schraubengasbehälter. Bei diesem sind die Mantelflächen der einzelnen Glockenelemente mit gewindeartigen Führungsschienen versehen, so daß sie sich wie eine Schraube ineinander drehen können. Das äußere Gerüst zur Führung und Stabilisierung kann damit entfallen.

Eine grundsätzlich andere Konstruktion stellen die Scheibengasbehälter dar. Es gab schon frühzeitig Bestrebungen, die Nachteile der Glockenbehälter (hoher Materialaufwand, massiver Ausführung des Wasserbassins) durch die Konstruktion von Gasbehältern mit trockener Dichtung zu vermeiden. Diese blieben aber vorerst ohne Erfolg, da eine dauerhafte gasdichte Abdichtung wegen der Abnutzung der trockenen Dichtungen durch Reibung an der Behälterwand nicht zu erzielen war. Am 05.09.1913 erhielt dann die Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg A. G. (M.A.N.) für das von ihr entwickelte Konstruktionsprinzip mit dem Titel "Gasbehälter mit einem an der Innenwand des Behälters gleitenden Abschlusskörper" ein Patent (DE 281482). Der erste Behälter nach diesem Patent wurde 1915 von der M.A.N. im Augsburger Gaswerk errichtet.

Ein Scheibengasbehälter besteht aus einem festen, zylindrischen Behälter, in dem eine bewegliche Scheibe als Deckel auf der Gasfüllung "schwimmt" und sich je nach Füllstand nach oben oder unten bewegt. Der gasdichte Anschluß der beweglichen Scheibe an die festen Behälterwände wird nach dem Patent der M.A.N. mit einer ölgefüllten Rinne am Scheibenrand, der sog. Scheibentasse hergestellt. Durch den minimal bemessenen Zwischenraum zwischen Scheibe und Behälterwand rinnt ständig ein dünner Ölfilm an der Behälterinnenwand herab. Durch das Öl wird zum einen der Zwischenraum abgedichtet und die Gleitfähigkeit sichergestellt, zum anderen aber auch die Behälterwand vor Korrosion und Vereisung geschützt. Das Öl wird am Boden des Behälters aufgefangen, gereinigt und wieder nach oben zur Scheibe gepumpt.
Dieses Dichtungsprinzip wurde von der Firma August Klönne weiterentwickelt. Bei der Bauart Klönne wird der gasdichte Anschluss mit einer Ledermanschette erreicht, die mit der Scheibe fest verbunden und von Andruckrollen an die innere Behälterwandung gepresst wird. Die Behälterwand ist mit Fett beschichtet, das entsprechend dem Ölfilm bei der Bauart M.A.N. sowohl schmiert und dichtet, als auch vor Korrosion und im Winter vor Vereisung schützt.

Die Teleskop- und die Schraubengasbehälter werden wegen der Verwendung von Wasser als Dichtungsmittel auch „nasse“ Gasbehälter bezeichnet, die Scheibengasbehälter dagegen als „trockene“ Gasbehälter. Alle drei sind Niederdruckbehälter, deren Gasdruck vom Gewicht der Glocke oder Scheibe bestimmt wird, das durch zusätzliche Gewichte noch erhöht werden kann.
Im Gegensatz dazu stehen die heute vor allem verwendeten Kugelgasbehälter. Diese haben keine beweglichen Behälterelemente mehr, das Gas wird komprimiert unter Hochdruck oder in verflüssigter Form gespeichert."


Und hier noch der schon erwähnte Bericht zum Gasbehälter in Lübeck: https://www.geschichtsspuren.de/lbkgaswerk/index.html

Gruß
Michael
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Käptn Blaubär
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Beitrag von Käptn Blaubär » 25.02.2005 22:36

Zur Verdeutlichung des Prinzips der Glocken-/Teleskopgasbehälter hier noch eine Skizze, entnommen aus:
Stefan Rahner, Peter Schmidtmann: Der Riese am Kanal - Der Oberhausener Hochofengasbehälter im Verbund zwischen Kohle und Chemie. Landschaftsverband Rheinland, Rheinisches Industriemuseum. Kleine Reihe Heft 13. Köln1994
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
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master
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Beitrag von master » 25.02.2005 22:51

Hallo!

Alles schoen und gut, soweit es die Gasspeicherung betrifft.
Wie aber wurde der Druckimpuls zur Zuendung der Laternen, bzw. wie hat er sich auf offene Feuerstellen(Herde) ausgewirkt, erzeugt.

Thomas

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Beitrag von lars » 26.02.2005 00:59

Moin,
da jeder Hausanschluss einen eigenen Druckregler besitzt, der den Druck von außen auf den für Herde und Heizungen verwendeten Druck von ca. 22 mbar herabsetzt, machen sich Druckschwankungen im Netz, ob absichtlich zum Laternensteuern oder unabsichtlich, im Haus nicht bemerkbar.

Gruß Lars

petzolde
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Beitrag von petzolde » 26.02.2005 19:54

Eigentlich schon alles gesagt: Dichtmittel beim Teleskopbehälter ist Wasser, Dichtmittel beim Scheibenbehälter Leder+Schmiermittel. Sog. Gasometerleder (in definierter Stärke und Qualität) gibts auch heute noch bei: www.laukhuff.de
gruß EP

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