Braunkohle Lauenburg/Elbe

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Leif
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Braunkohle Lauenburg/Elbe

Beitrag von Leif » 02.11.2002 14:41

Hallo.
Ich habe einen interessanten Bericht zur Braunkohleförderung in Lauenburg gefunden. Für Interessierte der Region ist das Buch eine wirkliche Bereicherung.

Titel:Die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Lauenburg/Elbe : vom 18. bis zum 20. Jahrhundert / Martin KleinfeldVerfasser:Martin KleinfeldErschienen:Hamburg : Kovac, 2000 Umfang:484 S. : Kt. ; 21 cmSchriftenreihe:Schriftenreihe Studien zur Geschichtsforschung der Neuzeit ; 17
Hochschulschrift:Zugl.: Hamburg, Univ., Diss., 2000

5.9. Die Braunkohleförderung
Am 24. August 1852 stellten der Baurat Neuhaus aus Berlin, der Baumeister Fritze aus Hamburg und der zweite Beamte beim Amte Lauenburg und Königliche Eisenbahnmeister Graf von Moltke einen Antrag an die Regierung in Ratzeburg um Genehmigung zur Anstellung von Bohrversuchen und eventueller Belehnung mit der vermuteten Ausbeute an Braunkohlen. 879
Der Lauenburger Kaufmann Russow, der offenbar darüber Kenntnis erhielt, stellte einen gleichen Antrag am l. September. Die Regierung forderte einen möglichst raschen Bericht des Landbauverwalters Lohmeyer an, der jedoch bis zum 23. Juli 1853 auf sich warten ließ. In seinem Bericht erwähnt Lohmeyer, daß es in den Buchhorster Bergen bereits entsprechende Funde gegeben habe, die dort als 3-5 Fuß mächtige Flöze in 30-40 Fuß Tiefe erkannt wurden. Sie machten zwar den Eindruck, als wären sie zusammenhängend, doch könne ein Abbau wegen der zerrissenen geologischen Formation des norddeutschen "Tieflandes kaum rentabel sein. Die bislang bei Buchhorst ebenso wie in Gülzow und Tesperhude gefundene sehr holzige Braunkohle sei zudem stark mit schwefelsauren und phosphorsauren Salzen durchdrungen und liefere nur ein schlechtes Brennmaterial. In Gülzow lägen die Flöze nur in 10 Fuß Tiefe und hätten eine Mächtigkeit von 18-20 Zoll. Auch in der Unterberger Vorstadt, direkt hinter dem Haus des Schiffbauers Gehrcke, sei am dortigen Hang eine vier Fuß mächtige Schicht Braunkohle gefunden worden. Lohmeyer bezweifelte zwar die Rentabilität einer Ausbeutung, doch sei es gut, wenn Privatpersonen das Risiko übernähmen. In diesem Falle müßten den beiden antragstellenden Parteien unterschiedliche Feldmarken zugewiesen werden.
Die Regierung erkundigte sich noch, ob die Förderung von Braunkohlen der Regalität unterliege, d.h. allein dem Landesherren zustünde. Dies wurde verneint,
Ende Seite 425
da die "Goldene Bulle" von 1356 die Regalität nur für Metalle und Steinsalze festlegte. Eine Abgabe von 3 % der Fördermenge wurde als ausreichende Besteuerung vorgeschlagen. Da die Bohrungen aber zum größten "feil auf Privatbesitz hätten durchgeführt werden müssen, kam es zunächst zu keinerlei Aktivität. Graf von Moltke erneuerte sein Gesuch am 30. Dezember 1855 und erweiterte es dahingehend, daß er nun auch auf herrschaftlichem Grund bohren wollte. Die Einsprüche der Privatleute suchte er durch den Hinweis zu entkräften, daß doch die Herrschaft eigentlich Obereigentümer dieser meierrechtlichen Grundstücke sei. Dieser Antrag brachte die Regierung in ernste Schwierigkeiten, da es im Herzogtum Lauenburg bislang keinerlei gesetzliche Bestimmungen über die Handhabung solcher Streitigkeiten gab. Moltke wollte insbesondere auf dem sogenannten "Vorwerk" bohren, einem herrschaftlichen Grundstück, das völlig von der Oberbrücker Vorstadt umgeben war, nach Norden aber nicht bebaut war.
Die übrigen Mitantragsteller Moltkes hatten das Projekt bereits aufgegeben, aber Moltke wollte auch allein weitermachen. Ein Areal von etwa 100 QuadratRuthen (ca. 2198 Quadratmeter), dessen Pächter mit den Bohrversuchen einverstanden war, wurde schließlich vom Amt Lauenburg als "Terrain für die Bohrungen positiv beurteilt. Moltke wollte aber außerdem noch in dem ihm besser erscheinenden herrschaftlichen Forst entlang der Lauenburg-Büchener Landstraße bohren. Dagegen erhob nun das Lauenburger Forst- und Jagdamt Bedenken. Zwar seien die Bohrungen nicht weiter gefährlich, doch würde Moltke sicherlich keine Bohrungen durchführen ohne die Chance, die eventuell gefundene Braunkohle auch ausbeuten zu dürfen. In diesem Falle aber würde der herrschaftliche Forst erhebliche Einbußen erleiden. Nun mußte das Königliche Ministerium für Holstein und Lauenburg befragt werden, das sich aber positiv
879 LAS 210 Nr. 5337.
Ende Seite 426
äußerte, woraufhin die Regierung am 12. September 1857 endlich die Genehmigung für beide Flächen erteilte.
Inzwischen kam ein neuer Interessent hinzu. Der Ziegeleibesitzer C.A. Sevecke schloß mit dem Kupferschmied Eduard Dietrichsen aus dem dänischen Helsingör einen Kontrakt, nach dem letzterer die auf Seveckes eigenem Land gefundenen, guten Braunkohlevorkommen ausbeuten durfte. Die Genehmigung dazu beantragten beide am 20. März 1857.88° Der Antrag bezog sich sowohl auf das Grundstück Seveckes in der Gemarkung der Dorfschaft Buchhorst mit einer Fläche von 15 Morgen, auf dem Sevecke den sogenannten "Pfaffenteich" abgelassen hatte, um Ton für seine Ziegelei zu gewinnen, wie auch auf ein weiteres, Sevecke gehörendes Grundstück zwischen der Chaussee und der Windmühle und darüber hinaus für drei Parzellen im Bürgermoor, die Sevecke gepachtet hatte. Das Amt Lauenburg äußerte sich in seinem Bericht vom 13. Oktober 1857 ablehnend zu diesem Vorhaben. Zum einen sei dem Grafen Moltke eine Konzession für fünf Jahre erteilt worden, darum solle man nun nicht noch einen weiteren Antragsteller konzessionieren. Zum anderen sei die Dorfschaft Buchhorst nicht bereit, auf dem an Sevecke in Erbpacht überlassenen Grundstück die Anlage eines Braunkohlenbergwerkes zu dulden. Zudem sei der Ertrag eines solchen Unternehmens derart unsicher, daß es dem Amt nicht als unwahrscheinlich erschien, daß das ganze Unternehmen "...auf eine Schwindelei des Sevecke hinausläuft, welcher zu einer solchen wohl fähig ist."881 Sevecke habe schon früher etliche Grundstücke angekauft, parzelliert und zum Bau von Arbeiterwohnungen wieder veräußert, wodurch ein großer Schaden für die Kommune und ein hoher Gewinn für Sevecke entstanden sei. Das Amt bewertete den Vertrag, den Sevecke mit dem Kupferschmied Dietrichsen abgeschlossen
880 Ebd.
881 Ebd.
Ende Seite 427
hatte, fast als Betrug. Die Grundstücke, die Sevecke in die gemeinsame Unternehmung einbringen wollte, seien erheblich überbewertet. Sevecke sei "...überhaupt als ein Wucherer hier hinlänglich bekannt..."882 Die Dorfschaft Buchhorst habe nichts dagegen, wenn Sevecke die beim Graben nach Ziegelton gefundene Braunkohle zum Verfeuern in seinen Ziegelöfen verwende, doch ein derartiger Handel mit Erbpachtland, wie Sevecke ihn vorhabe, sei unzulässig.
Die ersten Bohrversuche des Grafen Moltke waren in der Zwischenzeit beendet. Da sie in unmittelbarer Nähe des Seveckeschen Grundstücks lagen, wertete die Regierung sie auch als Hinweis darauf, ob auf Seveckes Land überhaupt Braunkohlen in abbauwürdiger Menge vorhanden wären. Nach den detailliert aufgeführten Ergebnissen der Bohrungen des Grafen von Moltke konnte dies aber ausgeschlossen werden. Sowohl die Regierung in Ratzeburg als auch das Ministerium für Holstein und Lauenburg waren aber an einer möglichst genauen geologischen Erkundung des Gebietes um Lauenburg sehr interessiert und waren durchaus der Ansicht, daß dazu das persönliche Erwerbsstreben der Antragsteller genutzt werden sollte. Man gab darum weitere Genehmigungen zum Bohren, stellte aber zugleich klar, daß eventuelle Ausbeutungen der Kohle erst nach erneuter Antragstellung gestattet werden könnten. Daraufhin ruhten offenbar alle weiteren Bohrversuche, da die interessierten Personen keinen ausreichenden Gewinn davon erhoffen konnten. In einer statistischen Mitteilung über die Produktion und Konsumption von mineralischen Brennstoffen aus dem Jahre 1866 wird die Erfolglosigkeit dieser Bohrversuche konstatiert. Es würden "...hier im Lande ... mineralische Brennstoffe nicht gewonnen."as3 Statt dessen wurden englische Steinkohlen verwendet.
882 Ebd.
883 LAS 210 Nr. 5339.
Ende Seite 428
Nach der Gründung des Deutschen Reiches wuchs die Nachfrage nach mineralischen Brennstoffen so gewaltig an, daß auch die zunächst als nicht abbauwürdig eingeschätzten Braunkohlenlager bei Lauenburg wieder ins Blickfeld rückten. Am 22. Januar 1873 beantragte der Ingenieur Otto Angern aus Hamburg die Genehmigung zur Ausbeutung eines von ihm entdeckten Braunkohlenlagers in Lauenburg mit einer Fläche von 500 preußischen Morgen (1.270.000 m2). Ein "Lauenburger Braunkohlenwerk" wurde von Angern sofort etabliert und von dem für Lauenburg zuständigen Oberbergamt in Clausthal am 20. Juni 1873 gemäß der preußischen Bergbauverordnung konzessioniert. 884 Als bergbauberechtigte Fläche wurden exakt 1.823.400 m2 ausgewiesen.885
Das Oberbergamt bat den Landrat um besseres Kartenmaterial, da nun schon mehrfache Mutungen wegen Braunkohlenförderungen in Lauenburg und Umgebung auftauchten. Am 28. Mai 1874 wurde das Bergwerk "August" eines J.H. Hagel aus Hamburg konzessioniert, mit dem Hinweis, es sei etwas größer hinsichtlich der berechtigten Fläche als das von Angern. 886
Am 7. September 1874 erwarb auch der Ziegeleibesitzer J.P. van der Sandt die Konzession für sein "Lauenburger Berg- und Hüttenwerk", das auf einer Fläche von 2.161.570 Quadratmetern in den Feldmarken Buchhorst, Krüzen und Lauenburg die Berechtigung zur Ausbeutung von Braunkohlen, Alaunerzen,"' Schwefelkies und Eisenerz betreiben wollte.888 Über den weiteren Fortgang dieser Unternehmungen lassen sich keine Angaben machen; sie waren offenbar nicht von großem Erfolg begleitet.
Das zuerst konzessionierte Bergwerk ging später an einen gewissen Küchler über, der den offenbar zeitweise aufgegebenen Bergwerksbetrieb 1879 wieder
884 LAS 210 Nr. 5337.
885 Officielles Wochenblatt vom 21. Juli 1873, Nr. 6, S. 4.
886 Officielles Wochenblatt vom 13. Juni 1874, Nr. 16, S. 144.
887 Alaun ist ein Kalium-Aluminium-Sulfat, das früher zum Weißgerben und Färben verwendet wurde.
888 Officielles Wochenblatt vom 7. September 1874, Nr. 28, S. 231.
Ende Seite 429
aufnahm und mit sechs Bergleuten und einer Anzahl weiterer Arbeitskräfte die Ausbeutung vorantrieb. Es wurde sogar ein Schiller engagiert, der ausschließlich mit dem Transport der Kohlen von Lauenburg nach Hamburg beschäftigt war. Außerdem trug sich Küchler mit dem Gedanken, eine Brikettfabrik anzulegen."9 Für 100 Pfund Kohle wurden 30 Pfennig verlangt. Auch dieses Unternehmen ging wieder ein. Auf der Zwangsversteigerung 1903 kaufte es der Steinmetzmeister Ernst Staub aus Hamburg. Doch erst der große Brennstoffmangel während des I. Weltkrieges brachte die Wiederaufnahme der Förderung mit sich, 890
Am 17.1.1919 übernahm Oskar Julius Fröhlich aus Hamburg das Bergwerk. Es kam zu Beschwerden, da Fröhlich dort jedem gegen Entgelt erlaubte, Torf und Braunkohle zu holen. Durch den unsachgemäßen Abbau kam es zum Absacken von darüberliegenden Grundstücksteilen am Spielplatz. Fröhlich starb 1923; seine Erben verkauften 1927 das Land an den Kaufmann und Gutsbesitzer Anton Karl aus München, der den Braunkohlenabbau wieder aufnehmen wollte. Die Mächtigkeit der Flöze wurde auf bis zu 3,5 Meter angenommen. Nach den Analysen lag der Brennwert bei 5.500 Wärmekalorien und war damit ebenso hoch wie der der sächsischen Braunkohle. Die Kohlen sollten, wie früher, direkt am Stollenausgang auf Elbschiffe verladen werden, eine denkbar günstige Transportsituation. Anton Karl plante, eine Brikettfabrik, außerdem waren noch besondere Sandschichten vorhanden, die gut zur Herstellung von Kalksandsteinen geeignet waren. Somit war auch eine Fabrik für Kalksandsteine in Lauenburg möglich. Karl ließ durch seinen Anwalt anfragen, ob die Stadt bereit wäre, sich an der Aufbauarbeit zu beteiligen. Die Stadt Lauenburg hatte ein großes Interesse an solchen Unternehmungen. Doch die Seriosität des Interessenten war nicht gegeben. Der Kaufmann Karl hatte angegeben, die
889 Vgl. DLadE, Nr. 8/1933, S. 31.
Ende Seite 430
Gewerkschaft "Hubertusglück" habe nach 1918 die Bergbaurechte gekauft. Die Stadt Lauenburg schrieb 1927 an die Gewerkschaft 1-lubertusglück wegen dieser Rechte. Diese antwortete konsterniert; man habe dort keine Bergbaurechte und betreibe auch keinen Bergbau. Die Braunkohlenförderung in Lauenburg wurde nicht wieder aufgenommen.
Zuletzt geändert von Leif am 04.11.2002 18:57, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag von TimoL » 02.11.2002 19:45

Hm, dass ist gar nicht mal so unrealistisch, wenn man bedenkt, dass in Lauenburg, genauer gesagt in dem Ort Lägerdorf, ja auch Kreide im Tagebau abgebaut wird.
"Die einen kennen mich, die anderen können mich!"
- Konrad Adenauer (1876-1967), erster Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland 1949-1963 -

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Gast

Beitrag von Gast » 03.11.2002 12:41

moin...
ohne jetzt kleinkariert erscheinen zu wollen...
wenn man bedenkt, dass in Lauenburg, genauer gesagt in dem Ort Lägerdorf, ja auch Kreide im Tagebau
also lauenburg liegt an der oberelbe....lägerdorf in der nähe von itzehoe (übrigens mit wirklich beeindruckend großen löchern in der erde....) dh an der unterelbe...distanz zwischen den orten grob geschätzt ca. 100km

Holger

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Beitrag von TimoL » 03.11.2002 12:51

Ich glaub', ich hab' auch irgendwo noch ein altes Luftbild von den Kreidegruben hier rumliegen...
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