Triage - "Die dringliche Kriegschirugie"

Militärische Objekte und Anlagen ab 1945
Lutz

Beitrag von Lutz » 10.11.2003 22:08

Devon hat geschrieben:Soweit ich weiß, gibt es 4 Einteilungen bei MANVs von leicht/unverletzt über vitalgefährdet bis (so gut wie)Tod.
Dabei haben die Schwerstverletzten Priorität.
Das stimmt nicht mehr ganz.
Die Kategorie S4=fast Tod/Tod wurde abgeschafft.
Außerdem heißt es (zumindest im Rettungsdienst) nicht mehr Triage sondern Sichtung.... :mrgreen:
Die Einteilung erfolgt nach Patienten mit Behandlungsprirorität (S1, Schwerverletzte mit akuter Vitalgefährdung), dann Pat. mit Transportprirorität (S2, Schwerverletzte) und in Leichtverletzte/Betreuungsbedürftige (S3, Betreuung, min. Behandlung).
Die Kategorie S4 war für Patienten mit infauster Prognose,
bzw. für Tote. Als Beispiel sei hier genannt, das ein
Herz-/Kreislaufstillstand infolge massivem Trauma nicht mehr reanimiert wurde, um keine Kapazitäten unnötig zu binden. Aber wie gesagt, wurde abgeschafft...

MfG,
Lutz

Micha

Beitrag von Micha » 12.11.2003 02:02

Zum Thema Sichtung bzw. Triage siehe auch den "Leitfaden für die ärztliche Versorgung im Katastrophenfall" (http://www.bmi.bund.de/dokumente/Bestel ... tm?nodeID=); ist dort auch als .pdf erhältlich.

Wilm

Beitrag von Wilm » 12.11.2003 22:18

mmh :?:

Ich bin kein Sani, oder habe irgendeine Tätigkeit in dieser Richtung mitgemacht. Allerdings möche ich folgendes mal in die Diskussion werfen, was man so, oder so, bewerten sollte:

Wir sprechen von einer Regelung für einen Katastrophenfall ! Die Dichte des medizinischen Personals im Verhältnis zu den Verletzten dürfte also minimal sein.

Da ich berufsbedingt sehr häufig auf Deutschlands Straßen unterwegs bin, habe ich leider auch einige Unfälle gesehen. Hier agierte der Notarzt auch nach dem Schema der ersten Sichtung. Hoffnungslos kommt nach hoffnungsvoll ! Ethik hin und her, wichtig ist die Rettung des Menschenlebens ! Wer die meisten Chancen hat, geht auch hier vor. Was nützt es, wenn sich ein Arzt um den 90%ig Toten kümmert und den 15%igen verbluten lässt ?

Im kriegsfalle sieht es noch drastischer aus: Wir sprechen von einer Gefechtsfeldlage bei der die Erstversorgung sich verdammt schwierig gestaltet. Die Triage im eigentlichen Sinne mag es heute nicht mehr geben, das Abwägen, wer und wann, obliegt aber sicherlich immer noch der Kompetenz eines Arztes.

Man möge mir den Vergleich mit der freien Wirtschaft verzeihen, aber auch ein Arzt wird nach Erfolgen beurteilt. 0 % Erfolg bei 100% Versuch gelten weniger als 50% Erfolg bei 50% Versuch.

Bei meiner subjektiven Betrachtung möchte ich allerdings, bevor man jetzt kontrovers zurückschlägt folgendes noch zum Denken geben :

1. Medizinisches Personal in Relation zu den Verletzten ist sehr gering.
2. Infrastruktur wurde zerstört. Daher ist ein einfacher Transport nicht möglich
3. Krankenbetten sind in der Region nicht ausreichend verfügbar.

Es schaudert

Devon

Beitrag von Devon » 12.11.2003 22:45

Wilm hat geschrieben:Wir sprechen von einer Regelung für einen Katastrophenfall! Die Dichte des medizinischen Personals im Verhältnis zu den Verletzten dürfte also minimal sein.
Das ist korrekt. Nehmen wir mal das Bahnunglück in Eschede. Das war ja von der örtlichkeit noch relativ überschaubar, da sich der Zug ja in die Brücke geschoben hatte.
Aber da waren dann auf einen Schlag einige hundert Patienten zu versorgen. (Wie schrieb ein Poster in einer Fach-NG: "Bin ich froh, das ich da nicht auf dem ersteintreffenden Fahrzeug war...").
Nach Eingang der Notrufe wurden als erstes erstmal 5 RTW, ein NEF, drei KTW's und zwei Rettungshubrschrauber alamiert.
Das bedeutet, das dann zuerst maximal 23 RA(Rettungsassistent) und 3 Notärtze vor Ort waren....
Beim Eintreffen der ersten Fahrzeuge wurde (Riesen-)Großalarm ausgelöst, was innerhalb kurzer Zeit zum Zusammenbruch der Kommunikation (Funk- und Mobiltelefonnetze) führte....
Allerdings wurden nach ca. zwei Stunden genügen Notärzte herangeführt um ab dem Zeitpunkt auf eine Sichtung zu verzichten, da Individualbetreuung möglich wurde.
Die Abtransporte wurde auf Krankenhäuser im 250km Radius verteilt....
Die Triage im eigentlichen Sinne mag es heute nicht mehr geben, das Abwägen, wer und wann, obliegt aber sicherlich immer noch der Kompetenz eines Arztes.
Sicher gibt es sie noch. Und auch so wie du und andere schon geschrieben haben. Als erstes die in Lebensgefahr und (außer schmerzstillend) zuletzt die Hoffnungslosen.

Aber um was es mir ging, ist diese Aussage:
Sondern zuerst werden die Leichtverletzten versorgt, die man noch zu Kampfeinsätzen oder Versorgung der Truppe und der Heimatfront benötigt. Jemandem dem beide Unterschenkel und ein Unterarm abgerissen worden sind noch zu versorgen, wäre nur Zeitverschwendung. Da er ja kein Gewehr mehr halten kann.
Das meinte ist imho menschenverachtend.
Okok, hätte ich vielleicht schon beim ersten mal quoten sollen.... gebe ich ja zu.... :oops:

Wilm

Beitrag von Wilm » 12.11.2003 22:59

Hallo Devon,
ich gebe zu, auch ich habe nicht die Zeit alles zu lesen. Der letzte Kommentar, gerade weil es auch nicht meiner Feder entstand, ist wirklich sehr makaber ! Doch ich gebe es zu : In einer Welt der Verrohung, die es schön findet, Leichenfetzen und sonstiges in Horrorfilmen zu dulden, in der wird die Ethik nicht mehr passend gewertet.

Wie bereits vorher geschrieben, ich bin nicht vom Fach ! Und eigentlich; ich möchte es auch nicht sein ! Allerding bitte ich diese krasse Darstellung nicht überzubewerten. Es ist uns allen gleich, ein jeder hat sich schon einmal im Wort vergriffen, obwohl er etwas ganz anderes sagen wollte.

Daher möchte ich jetzt eigentlich dem Initiator der Diskussion das Wort überlassen. Denn niemand kann es besser, als derjenige, der es verursacht hat.

Devon

Beitrag von Devon » 12.11.2003 23:16

Wilm hat geschrieben:Allerding bitte ich diese krasse Darstellung nicht überzubewerten. Es ist uns allen gleich, ein jeder hat sich schon einmal im Wort vergriffen, obwohl er etwas ganz anderes sagen wollte.
Da muß ich dir zustimmen!

Auch möchte ich hier nochmal anmerken, das der Begriff "Triage" nicht eine bestimmte "Verhaltensregel" bezeichnet, sondern schlicht und ergreifend die Sichtung und das Erfassen des Verletzungsgrades von Patienten bezeichnet.

Frido

Beitrag von Frido » 16.11.2003 13:15

Hallo
Ich hatte gestern das Vergnügen mit der Feuerwehr bei einer Katastrophenschutzübung der US. Streitkräfte in Mannheim teilzunehmen.
Ausgangslage waren unter anderem die Zündung von einer Autobombe vor einem stark bewohntem Gebäude.
Die Triage ( den Begriff hatte ich in 15 Jahren Feuerwehr noch nie gehöhrt) fand auch hier volle Anwendung. Und zwar ein einer Art und Weise das ich hoffe nur bei Übungen so eine Anzahl Verletzter(ca 100) zu Gesicht zu bekomen.
Beispiel? Bitte: Wir hatten mehrere Verletzte mit angenommener Wirbelsäulenverletzungen. Also jeweils 1-2 Mann bei jedem Verletzten geblieben und der Rest ab zum Sammelplatz, hier wurden auch Krankentragen und Decken vorgehalten. Einen Arzt dort nach Schaufeltragen gefragt, wegen Wirbelsäule und schonender Bergung. Antwort, sowas ham wir nicht hier, packt sie halt vorsichtig auf eine normale Trage und bringt sie her. Wirbelsäule sind im Moment eh nicht so wichtig, da kümmern wir uns später drum.
Anm.d. Verf: Weil Sie eh später gelähmt bleiben, oder was?

Wie geasgt, zum Glück nur eine Übung. Einem Kameraden viel später bei einer Diskusion dazu noch ein, das ein Rammstein-Opfer wohl gegen seine offensichtliche zu späte Behandlung geklagt hatte und damit voll abgewiesen wurde.

Gruß
Frido

berndbiege

Beitrag von berndbiege » 16.11.2003 13:40

Moin,
Frido hat geschrieben: Einem Kameraden viel später bei einer Diskusion dazu noch ein, das ein Rammstein-Opfer wohl gegen seine offensichtliche zu späte Behandlung geklagt hatte und damit voll abgewiesen wurde.
Wahrscheinlich zu Recht abgewiesen, denn bei einem Verletztenaufkommen wie in Ramstein (ich schätze, Du meinst keinen Hörgeschädigten nach Rock-Konzert) ist es nunmal unabdinglich, dass es zu Verzögerungen und sogar Fehlbehandlungen kommen kann. Könnte man sich nach einem MANV auf dem Klageweg an den Helfern schadlos halten, würde man ab sofort weder freiwiliige Helfer noch frei zugängliche Ereignisse haben.

Devon

Beitrag von Devon » 16.11.2003 13:48

berndbiege hat geschrieben:Wahrscheinlich zu Recht abgewiesen, denn bei einem Verletztenaufkommen wie in Ramstein (ich schätze, Du meinst keinen Hörgeschädigten nach Rock-Konzert) ist es nunmal unabdinglich, dass es zu Verzögerungen und sogar Fehlbehandlungen kommen kann. Könnte man sich nach einem MANV auf dem Klageweg an den Helfern schadlos halten, würde man ab sofort weder freiwiliige Helfer noch frei zugängliche Ereignisse haben.
Also es ist wohl so, das ein ziviler MANV hier in D seit gut 15-20 Jahren (wenn die Organisation klappt) gut beherrschbar ist.
Dazu passen ein Kommentar aus einer Fach-NG (wobei ich vermute, das es dieselbe ist, auf die sich "Lutz" bezieht):
"Wer heute in D noch in einem "normalen" MANV (also nicht Krieg)
mit "mangelnden Ressourcen" rechnet, der hat auch die letzten
20 Jahre verpennt. Das Problem ist heutzutage kaum mehr der
Mangel an Helfern & Material, sondern vor allem das Management
eines Zuviel an verfügbaren Ressourcen.
Auch in Ramstein! Selbst dieser Alptraum (1000 Verletzte, fast alle
Brandverletzte), wären eigentlich kein Problem gewesen, hätte man
damals nicht einige entscheidende Dinge verschusselt. Kapazitäten
wären genug dagewesen, man hätte sie nur nutzen müssen. Es gibt
einen Untersuchungsbericht dazu, war mal in einem 112-Sonderheft.
Und selbst so lief es noch erstaunlich gut ab..."

@Lasse: An dieser Stelle möchte ich nochmal klarstellen, das ich nicht dich kritisieren wollte. Mir ging es nur um die Aussage zur "Kriegstriage"!

berndbiege

Beitrag von berndbiege » 16.11.2003 15:18

@ Devon ...

Ja, natürlich ist alles beherrschbar, wenn genug Planung, Material und Helfer da sind ... unbestritten! Nur wird es auch bei der besten Planung, bei genügend Material und viel zu viel Helfern irgendwo Fehlentscheidungen geben. Wenn die dann rechtlich verfolgt werden könnten (ich gehe hier nicht von absichtlichen Fehlentscheidungen aus), dann wäre dies eben fatal.

Die meisten Entwicklungen in Sachen MANV haben sich leider erst nach Ramstein getan ...

Im Krieg sieht das natürlich alles noch ganz anders aus, denn die Planung für den zivilen MANV schliesst so nebensächliche Dinge wie zerstörte Infrastruktur etc. weitgehend aus. Der beste LNA nutzt nix, wenn er nicht von einer Seite des Flusses auf die andere kommt, weil drei Brücken unpassierbar sind. Und über Gefechtsbedingugen will ich gar nicht erst nachdenken ...

Ein anderes Problem im Kriegsfall könnten "Geisterressourcen" sein, die nur im Friedensfall zur Verfügung stehen - von Reservisten in FFW oder SEG/Rettungsdienst über zivil-militärische Kooperationsprogramme bis hin zu ZS-Einheiten, die wegen Gross-Schendensereignissen zeitweilig verlegt werden.

Kurzum: Im Gegensatz zur sicherlich verbesserten Planung des Rettungsdienstes dürfte ein Kriegsfall ähnlich chaotisch wie Ramstein ablaufen ... man lasse nur einmal ein Szenario wie einen Erstschlag auf Berlin mit grossflächigen Zerstörungen der Infrastruktur und Kommunikationsmittel sowie (ich spinne einmal) 20.000 Toten und Verletzten binnen einer Stunde ablaufen. In dem Falle wäre es zappenduster ...

Antworten