Erklärungen deutscher Kriegsgefangener

Zwangsarbeit, Fremdarbeiter-, Konzentrations- und Kriegsgefangenenlager (STALAG, DULAG etc.) und deren Außenlager
Gast

Erklärungen deutscher Kriegsgefangener

Beitrag von Gast » 15.10.2003 16:59

ich bin gerade bei dem thema "internierung deutscher soldaten an der westküste von schleswig-holstein".

dabei ist mir ein auf dem ersten blick unscheinbares dokument aufgefallen.
es handelt von einer namensliste von 162 soldaten einer wehrmachtskompanie die geschlossen in einem internierungslager an der westküste nach der kapitulation auf ihre entlassung warteten.
auf dem handgeschriebenen dokument ist folgendes festgehalten:

Die Unterzeichneten erklären an Eidesstatt, daß sie bei der Kapitulation noch zu irgendeinem Zeitpunkt vor der Kapitulation einer der folgenden Organisationen angehört haben:
Waffen-SS - Allgemeine SS - Gestapo - Sonstige Polizeiverbände - Fallschirmjägertruppe.


dann folgt die auflistung von namen mit jeweiliger unterschrift.

was mich nun stutzig gemacht hat, ist das hier die Fallschirmjägertruppe
erstens....als organisation angesehen wird
und
zweitens....mit der SS und gestapo usw gleichgestellt wird!

weiss hier jemand nähres darüber bzw ob DAS so zum kriegsende eine allgemeine standardfrage war und welche rolle hierbei fallschirmjäger gespielt haben?

holger

cisco
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Beitrag von cisco » 15.10.2003 18:39

Scheinbar wußten die was, was ja sonst keiner in der RestWehrmacht
wußte :)

Geht aus dem Dokument der Zeitpunkt hevor?
Ist vielleicht interessant im Zusammenhang mit dem Beginn der offiziellen Entnazifizierung.
Da hätte ich ev. Zugriff auf Fragebögen.

Grüsse

Cisco

Biedermann (†)

Beitrag von Biedermann (†) » 15.10.2003 20:07

Na ja, "sonstige Polizeiverbände" klingt ja auch ein bißchen pauschal. Jeder Verkehrspolizist ein Werwolf, oder was?

Pettersson
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Beitrag von Pettersson » 15.10.2003 20:31

Hallo zusammen,

das mit den Polizeiverbänden halte ich schon für wichtig. Gerade auch Polizeibataillone haben ihren Teil zur Vernichtung der jüdischen Bevölkkerung und anderer Minderheiten im Osten beigetragen (wer das Buch von Christopher Browning hierzu nicht kennt sollte es ruhig mal lesen).
Man wollte halt mit irgendwelchen Polizeiverbänden deren Greultaten teilweise bekannt waren nichts zu tun haben.

Gruß,
Pettersson

cisco
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Beitrag von cisco » 15.10.2003 20:46


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Deichgraf (†)
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Beitrag von Deichgraf (†) » 16.10.2003 07:32

Die Fallschirmjäger wurden (vor allem nach Monte Cassino) als Elitetruppe und "fanatische Kämpfer" angesehen - und rückten dadurch zwangsläufig in der Meinung der Alliierten in die Nähe der SS-Divisionen. Zumindest für die Zeit unmittelbar nach der Kapitulation ist das auch nachvollziehbar. Endgültige Klarheit darüber brachte natürlich erst die Nachkriegszeit.
Bis dann
Deichgraf

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EricZ
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Beitrag von EricZ » 16.10.2003 08:58

Zu den Fallschirmjägern fällt mir eigentlich nur eine Ergänzung zu dem ein, was Deichgraf hier zuvor erwähnt hat:
Die deutschen Fallschirmjäger, die das Unternehmen "Merkur" auf Kreta durchführten, fielen bekanntermaßen durch ihre besonders brutalen Aktionen gegenüber der einheimischen Zivilbevölkerung auf. Für mich waren diese Vorgehen immer sehr nah an den Handlungen einiger SS-Einheiten.

Bis heute werden doch die Traditionstreffen der Bundeswehr mit einem kritischen und wachsamen Auge beobachtet.

http://www.interpool.tv/html_neu/kreta.html

Übrigens, während meiner Dienstzeit bei den Grenadieren, waren die Fallschirmjäger hinter vorgehaltener Hand verschrieen, wegen ihrer (angeblich) noch grüneren, noch härteren Ausbildung.
Damit war aber nicht das Sprungtraining gemeint.
Auch wurde jedem Jäger oder Grenni Respekt vor den wirklich "harten" Kerlen mit dem bordeauxfarbenen Barett eingetrichtert.

Eric
And I'm hovering like a fly, waiting for the windshield on the freeway...

Gast

Beitrag von Gast » 16.10.2003 18:05

besten dank für die kommentare, hinweise und links!

also, das dokument selbst ist irgendwann in dem zeitraum NACH der kapitulation und anfang september ´45 in der britischen besatzungszone erstellt worden. leider steht kein datum dabei.
alles ist handschriftlich, nichts gedrucktes.
also irgendwie improvisiert.
die hier geäußerten vermutungen, weshalb die fallschirmjäger dort aufgeführt sind, sind nun auch für mich naheliegend.

in denen von Cisco gesetzten links sind ja einige original-erklärungen enthalten.
dort ist mir wiederum (besonders bei dem amerikanischen....) aufgefallen, dass diese dokumente erst sehr viel später, also 1946, zum einsatz kamen.
das erweckt bei mir den eindruck, dass die methoden und kriterien zur entnazifizierung erst deutlich später nach der kapitulation festgelegt worden sind.
eigentlich hätte ich erwartet, dass diese dinge schon zu kriegszeiten von den allierten ausgearbeitet und vorbereitet worden sind.

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Leif
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Beitrag von Leif » 16.10.2003 18:42

Ich gehe davon aus, dass Du folgende Bücher von Holger Piening kennst. Ansonsten kann ich sie Dir nur empfehlen.

Holger Piening
Westküste 1945 : Nordfriesland und Dithmarschen am Ende des Zweiten Weltkrieges . -
Heide : Boyens, 2000
ISBN: 3-8042-0861-4


Als die Waffen schwiegen : die Internierung der Wehrmachtsoldaten zwischen Nord- und Ostsee 1945-46
2., verb. Aufl. - Heide : Boyens, 1996
ISBN: 3-8042-0761-8

Viele Grüße aus einer Stadt mit einer gut sortierten Bibliothek!
Leif

Imperial51

Beitrag von Imperial51 » 18.10.2003 12:10

Das war damals denke ich eine Standardprozedur. Ich habe schon etliche solcher Dokumente gesehen (handschriftlich) und als Vordruck von der amerikanischen Militärverwaltung sowie vom "Ministerium für politische Befreiung" (im Bereich des heutigen Ba-Wü).

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