Heeresmunitionsanstalt Walsrode & EIBIA-Lager Beetenbrück

Rüstungsindustrie, Waffen- und Munitionsproduktion, Munitionsanstalten, Tanklager, Depots, U-Verlagerungen etc.
HarmWulf
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Heeresmunitionsanstalt Walsrode & EIBIA-Lager Beetenbrück

Beitrag von HarmWulf » 18.01.2014 18:06

Moin,

bei meinen Recherchen zum Thema "Eibia", speziell zum Standort Bomlitz, hat sich mir beim Studium von Helge Matthiesens Buch "Geheime Reichssache Eibia" folgende Fragestellung aufgeworfen:

Es heisst dort auf Seite 14:
Ein fünftes Glied in der Kette ist das Lager Beetenbrück. Dort wurde ein Teil des Pulvers nach der Güteprüfung zu Munition weiterverarbeitet. Beetenbrück war jedoch nicht Teil des Eibia-Werkes, sondern gehörte dem Militär.
Die Existenz der ehem. Heeresmuna war mir bereits bekannt und soll, da immer noch aktive BW-Liegenschaft, auch nicht weiter thematisiert werden. Allerdings muss ich ein paar Details im Zusammenhang mit der Muna vor 1945 benennen, um den Zusammenhang mit dem Eibia-Lager herstellen zu können. Diese Infos sind aber allesamt im Internet frei verfügbar!
Da ich häufiger durch Beetenbrück fahre, ist mir die Liegenschaft natürlich aufgefallen. Ein Blick in die entsprechende TK25 von 1944 hat dann auch schnell den historischen Ursprung bestätigt - die Strukturen eines Rüstungsbetriebes mit Lagerbereich sind unverkennbar (die komplette Gebäudestruktur ist auch heute noch bei GE identisch - offenbar keine Zerstörungen bei/nach Kriegsende und offenbar sofortige Nachnutzung bis heute).
Südlich abgesetzt der Muna sind mir auf der TK dann fünf Gebäudeensembles mit je 20 Gebäuden aufgefallen, die eindeutig einen Lagerbereich darstellen.
Nun verfügt die Muna aber im westlichen Teil bereits über einen direkt angeschlossenen Lagerbereich mit etwa 45 MLh. Handelt es sich bei dem südlich abgesetzten (Lager-?)Bereich um das o.g. Eibia-Lager? Die Anordnung der Gebäude erscheint nicht munatypisch.
Sollte dies der Fall sein, stellen die immerhin 100 Lagerhäuser eine enorme Lagerkapazität zur Verfügung - das Pulverlager im Löverschen verfügte über etwa 90 Gebäude (Betriebsgebäude eingeschlossen!) und war für die Bevorratung einer Dreimonatsproduktion ausgelegt.
Sollten hier wirklich nur die Erzeugnisse der Standorte bei Bomlitz eingelagert worden sein (fast ausschließlich versch. Pulversorten)? Da diese, laut obiger Quelle, zur Weiterverarbeitung in der Heeresmuna gelagert wurden (geprüft und abgenommen wurde offenbar im Löverschen), stellen sich natürlich nun diverse Folgefragen. Da diese aber nun doch nähere Details des eigentlichen Munabetriebes erfordern, möchte ich hier erst einmal mit einem der Moderatoren Rücksprache halten.
In GE ist im vermutlichen Eibia-Lagerbereich nichts mehr erkennbar. Allerdings fällt, im vergleich zum umgebenden Waldgebiet, eine eher lockere Baumstruktur auf. Auf die Schnelle habe ich leider noch keine historischen LuBis finden können, auch habe ich genanntes Areal noch nicht belaufen. Vielleicht kann hier schon jemand mehr liefern?! Ich werde im Frühjahr mal einen Tag dort vor Ort zubringen, so das Gelände denn nicht im militärischen Sicherheitsbereich liegt. Entsprechendes Bildmaterial werde ich dann hier im Thema zur Verfügung stellen.
Für jegliche Information zum Thema bin ich natürlich dankbar.

Gruß,

Olli
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Zuletzt geändert von HarmWulf am 18.01.2014 18:52, insgesamt 1-mal geändert.
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MikeG
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Beitrag von MikeG » 18.01.2014 18:39

Moin!

Vorab: So lange es nicht um eingestufte Informationen oder sicherheitsrelevante Dinge geht, spricht auch nichts gegen eine Diskussion noch aktiver Standorte bzw. derer Geschichte.

Ich vermute das Eibia-Lager ebenfalls in dem südlichen, von Dir genannten Bereich (heute außerhalb der Bw-Liegenschaft). Man findet dort heute (oder jedenfalls vor etwa zehn Jahren) noch Trümmer, allerdings nur noch wenig Struktur. Damals stand dort irgendwo am Hauptweg auch noch eine Karte (siehe Anhang).

Mike
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HarmWulf
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Beitrag von HarmWulf » 15.03.2014 20:06

Moin,

ich werde, wie angekündigt, das Areal noch vor Beginn der Vegetationszeit innerhalb der nächsten drei Wochen belaufen und Fotos dann hier einstellen - einfach nur zur Dokumentation des heutigen Zustandes.
Dank an Mike für die angehängte Karte. Leider lässt sich diese nicht so auflösen, dass ich sie für meine beabsichtigte Exkursion hinzuziehen kann. Könntest Du sie mir in höherer Auflösung zukommen lassen (die Legende ist schlecht zu entziffern, für eine grobe Orientierung im Gelände wäre sie aber sicher hilfreich)?

Zur Heeresmuna Walsrode (Beetenbrück/Benzen): Infos betreffend die Zeit vor 1945 und auch direkt nach Kriegsende sind, zumindest im Netz, sehr spärlich zu finden. Hinsichtlich der Nutzung / Produktion bin ich bislang nahezu nicht voran gekommen. Offenbar lässt sich diese Fragestellung eher an Hand von Indizien beleuchten. Bis vor Kurzem gab's bei Google Books noch einen Auszug aus "Wilhelm, Peter - Alte Nähmaschinen: Namen, Daten, Fakten". Dort ist die Umstellung der Produktion auf die Herstellung von Druckzündern für Panzerminen für die Muna Walsrode erwähnt. Die monatliche Produktion belief sich zu Spitzenzeiten auf 50 000 Stück/Monat. Dies lässt schliessen, dass die (vermutliche) Konfektion von Minen kein ausschliessliches Nebenprodukt der Muna darstellte. Da die Minen aber bekanntlich mit TNT - kein Produkt der EIBIA Bomlitz - als Sprengstoff befüllt wurden (sicherlich auch nicht in Walsrode, vermutlich nur Anlieferung der Komponenten und dortige Montage, Lagerung u. Auslieferung), spielt das o. g. Pulverlager hier keine Rolle. Haben die Lagerkapazitäten der EIBIA/Bomlitz im Löverschen für die Bevorratung nicht ausgereicht? Es scheint, dass die Errichtung des Pulverlagers in Beetenbrück explizit für den Bedarf der dortigen Heeresmuna konzipiert war. Da im Löverschen bereits eine Dreimonatsproduktion eingelagert werden konnte (gut 3000 t), die Lagerkapazität in Beetenbrück aber (nach Kartenlage) grösser war, scheint eine enorme Produktion der Heeresmuna zumindest geplant gewesen zu sein. Vermutlich waren die dort gelagerten Produkte bereits endfertig zur Verarbeitung, d.h. wurden vorher in der Abteilung Löverschen durch das Heereswaffenamt geprüft und abgenommen.


Fragen, die sich mir aktuell stellen:


- welche Art von Erzeugnissen der EIBIA wurden in Walsrode gelagert?

- wurde das Pulverlager bereits im Zuge der Erbauung der EIBIA errichtet?

- wie wurde die Logistik vor Ort abgewickelt (die Abteilung Löverschen wurde direkt per Bahn beliefert und war demensprechend erschlossen. In Walsrode ist dies, zumindest nach Kartenlage, nicht der Fall, obwohl die Lagerkapazität vermutlich grösser gewesen ist)?

- erfordert die Verabeitung von NC-Fertigprodukten nicht auch das Vorhandensein von entsprechenden Füllanlagen, waren diese in der Muna vorhanden?

- wurde das Lager Walsrode evtl. auch von den anderen EIBIA-Standorten beliefert (Dörverden, Liebenau)?

- wurden die Lagerkapazitäten voll genutzt oder nur zukzessiv beliefert/verarbeitet?

- existieren Infos zur "Produktpalette" der Muna Walsrode?

- warum wurde nach Kriegsende nur das Pulverlager (offenbar gründlich)beseitigt, die Muna aber komplett unzerstört weiter genutzt?

- ist es therotisch möglich, über Unterlagen der Deutschen Reichsbahn (sofern überhaupt vorhanden)Rückschlüsse auf Lieferungen und deren Umfang zwischen den einzelnen, genannten Standorten zu ziehen?

Fragen über Fragen...

Kann mir jemand einen Plan der EIBIA/Bomlitz zukommen lassen (im Netz ist nichts Brauchbares zu finden)?

Sollte nicht in absehbarer Zeit eine neue Dokumentation betreffend die EIBIA in Bomltz erscheinen - wie ist der aktuelle Stand diesbezüglich?



danke und Gruß

Olli
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Beitrag von zulufox » 15.03.2014 22:23

Hallo Olli,

in

Oberholz, Andreas
Tödliche Gefahr aus der Tiefe -Bittere Erkenntnis zu Kriegs- und Rüstungsaltlasten-
Kommunal-Verlag Düsseldorf, 1. Auflage 1991, ISBN: 3-87433-077-X

gibt es im Kapitel: "Ausgewählte Standorte der Pulver-, Sprengstoff-, Kampf- und Nebelstofferzeugung im ehemaligen Deutschen Reich" zwei Einträge:

Bomlitz über Walsrode
Wolff und Co. und Eibia GmbH
POL-Pulver (W) 1780 to manatlich
Nitrocellulose (W) 1600 to monatlich
NC-Pulver (E) 300 to monatlich

und Walsrode
Wolff und Co.
NC-Pulver
Nitrocellulose 210 to monatlich
Zivile Sprengstoffe 400 to monatlich

MfG
Zf :holy:
Demosthenes (384 - 322 v. Chr. Athen)
"Nichts ist leichter als Selbstbetrug, denn was ein Mensch wahrhaben möchte, hält er auch für wahr."

HarmWulf
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Beitrag von HarmWulf » 16.03.2014 12:43

Moin,

vorab: die Nachfrage nach einem Werksplan hat sich erledigt. Diesen git's in DIN A3 (dank an das FORUM Bomlitz !) u. A. im Bomlitzer Rathaus für 1,-€ zu kaufen, werde demnächst mal dort einkehren. Weiteere Infos dazu hier: http://www.forum-bomlitz.de

@ zulufox:
danke für Deinen Hinweis auf das Werk von A. Oberholz. Selbiges befindet sich in meiner Bibliothek. Die von Dir genannten Angaben aus diesem Buch sind aber vermutlich fehlerhaft bzw. missverständlich: Die unter dem Standort Walsrode gelisteten Produktionszahlen beziehen sich m. E. auf die Zeit vor Inbetriebnahme der EIBIA (Walo I u. Walo II) und vermutlich auch nicht auf die Anlage "Waldhof", da diese keine zivilen Sprengstoffe herstellte. Irreführend ist hier auch die Bezeichnung "Walsrode", vermutlich abgeleitet aus dem ehem. Verwaltungssitz von Wolff & Co. in Walsrode (bis 1919). Keinesfalls ist damit die Heeresmunitionsanstalt Walsrode als Produktionsstandort gemeint. Wolff & Co. produzierte bereits seit Ende des 19. Jh. rauchlose Pulver (NC-Pulver), sodass vermutlich diese Kapazitäten mit o.g. Eintrag beschrieben sind. Nitrocellulose bildet den Grundstoff für die Herstellung von NC- bzw. POL-Pulvern. Es handelt sich also nicht um Kapazitäten, die sich schlichtweg zu einem Gesamtausstoss aufaddieren lassen.
Somit müssen auch die Angaben, die unter Bomlitz über Walsrode zu finden sind, unter diesem Aspekt betrachtet werden. 1600t Nitrocellulose wurden dort monatlich weiterverarbeitet, wohl überwiegend zu POL-Pulvern. Weiterhin sind meiner Meinung nach die Zuordnungen der Monatskapazitäten zu den Betreibern offenbar vertauscht worden. Wolff & Co.(W) wird in der Anlage "Waldhof" die genannten 300t NC-Pulver hergestellt haben. 1600t Nitrocellulose wurden u.A. zu 1780t POL-Pulvern in der EIBIA (E) (Walo I u. II) hergestellt bzw. weiterverarbeitet. Alleine die Grössenverhältnisse der einzelnen Anlagen sprechen hierfür. Auch ein Vergleich der Kapazität und Grösse der Anlage "Karl" in Liebenau scheint dies zu bestätigen.
Somit ist also auch die vorhandene Literatur stets kritisch zu betrachten, evtl. vorhandene Fehler werden so schnell mal "weitergereicht".

Betreffend die "Produktpalette" der Heeresmuna Walsrode:
Wolff & Co. / EIBIA haben aus dem Grundstoff Nitrocellulose POL-Pulver verschiedener Art als fertiges Endprodukt produziert. In welcher Form (Blättchen-, Stangen-, Röhren- oder sonstige Pulverformen) kann ich nur mutmassen. Da im Löverschen aber z. B. auch Raketentreibsätze durch das OKH geprüft und abgenommen wurden - natürlich nicht für Großraketen (evtl. für Nebelwerfer u. Ä.?) wurden diese vielleicht in der Heeresmuna Walsrode veiterverarbeitet - oder in der Muna Zeven/Aspe?
Auch die Herstellung von Artilleriemunition (Stangen-/Röhrenpulver)und/oder Infanteriemunition (Blättchenpulver) ist für Heereszwecke denkbar, hierfür wäre eine nähere Beschreibung der Schiessbahnen im Löverschen interessant, um Rückschlüsse auf die beprobten Munitionsarten ziehen zu können.
Auf jeden Fall sind für die Verarbeitung Pulver => Munition Füllanlage von Nöten. Interessant ist hier die Gebäudestruktur der Muna Walsrode mit ihren zahlreichen, z.T. H-förmigen Grossgebäuden, die allesamt per Gleisanschluss "vor der Tür" erschlossen waren (und noch sind) sowie ein Grossteil der ebenfalls derart erschlossenen Lagerbunker. Hier ist eine Beurteilung Gebäudestruktur/Verwendungszweck durch Experten hilfreich! Wären nicht aber eventuelle Füllanlagen als Teil der Produktionskapazitäten spätestens von den Alliierten nach Kriegsende zerstört worden? Dies ist hier nicht der Fall, zumindest nicht in Form von Zerstörung der vorhandenen Gebäude.

Übrigens erscheint die völlige Zerstörung des im ersten Beitrag genannten EIBIA-Lagers logisch, war dieser doch ein Teil der Anlagen der EIBIA, die ja von den Besatzungsstreitkräften im Zuge der Demilitarisierung konsequent vernichtet wurden.

Auffällig und interessant ist in unserem Grossraum "Lüneburger Heide" die Konzentration von Betrieben der Pulverherstellung (Pulver auf Basis von Nitrocellulose, Sprengstoffe wie TNT, Nitropenta, etc. eher weniger) und Munitionsanstalten i.w.S. (Heer, Luftwaffe, Marine) als "weiterverarbeitende" Betriebe. Die strukturelle Verflechtung scheint aber bislang wenig bekannt zu sein.


Gruss,

Olli
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Beitrag von aflubing » 17.03.2014 19:28

Hallo Olli,
ab ca. 1990 wurden Gutachten zur Gefährdungsabschätzung von Rüstungsaltlasten angefertigt.
Über die Eibia in Beetenbrück müsste auch eins existieren und zwar nach meinem Kenntnisstand beim zuständigen Landkreis.
MfG aflubing.

GeorgM
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Beitrag von GeorgM » 22.11.2014 16:25

Moin,

ich bin neu hier habe aber schon eine Frage bezüglich Beetenbrück. Mein Vater war als junger Wehrmachtssoldat 1940 im Frühjahr in Beetenbrück u.a. zum Barackenbau und auch zur Pionierausbildung. Geübt wurde dort der Bau von Holzbrücken über die Böhme. Bei den Baracken handelte es sich um Wohnbaracken. Das alles bekomme ich aber nicht so ganz mit der Angabe, das es sich um ein Munitionslager, respektive Munitinonsherstellung dort gehandelt haben soll. Gab es dort noch ein zweites Lager? Vielleicht kann mir jemand helfen.

Gruß
aus Hannover

Georg

HarmWulf
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Beitrag von HarmWulf » 04.10.2015 20:08

Moin!

€ GeorgM: leider kommt die Antwort auf Deine Fragen etwas spät, ich hoffe, sie erreicht Dich trotzdem.
Munitionsanstalten benötigten, abhängig von den dort gefertigten bzw. zu lagernden und umzuschlagenden Produkten, eine mehr oder minder grosse Anzahl an Arbeitskräften. Neben dem militärischen Stammpersonal, welches i. d. R. über einen eigenen Unterkunftsbereich innerhalb der Muna verfügte, wurden zusätzlich (z.T. dienstverpflichtete) deutsche Zivilarbeiter aus der näheren Umgebung sowie dem restlichen Reichsgebiet eingesetzt. Im Kriegsverlauf wurden dagegen immer mehr ausländische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene sowie auch KZ-Häftlinge zur Arbeit in den Rüstungsbetrieben herangezogen. Diese wurden meist überwiegend in Barackenlagern ausserhalb des Munageländes untergbracht. Vermutlich handelt es sich bei den von Dir beschriebenen Baracken um eben solche Unterkünfte. 1940 war die deutsche Expansion bereits in vollem Gange und die Wehrmacht benötigte zunehmend Material und Munition, so dass immer mehr Arbeitskräfte in den Rüstungsbetrieben benötigt und neue Unterkünfte für sie notwendig wurden. Auch wurden männliche deutsche Arbeitskräfte zunehmend zum Militärdienst eingezogen und musste durch o.g. Kräfte ersetzt werden.
Die beschriebenen Holzbrücken werden vermutlich nicht nur reinen Übungszwecken gedient haben. Möglich, dass die Notwendigkeit des Übens mit dem Bedrf an neuen oder zu sanierenden Brücken über die Böhme kombiniert wurd. Nördlich der Böhme liegen die Ortschaften Benzen, Hollige und Altenboitzen. Von diesen Ortschaften führen Wege über die Böhme in die Ahrens-Heide, in der sich die Munaanlagen befinden. Möglich, dass diese Wege auch von dort wohnenden Arbeitskräften der Muna auf dem Weg zur Arbeit genutzt wurden.
Auffällig ist der laut TK25 wohl ausgebaute oder befestigte Weg von Hollige in die Ahrens-Heide, wo er etwas nördlich des vermuteten EIBIA-Lagers endet. Ist hier möglicherweise per LKW das Pulver, von Bomlitz über Honerdingen kommend, vom Bahnhof Hollige in das Lager transportiert worden? Diese logistische Frage beschäftigt mich schon länger. Ein Transport über Bhf. Düshorn halte ich auf Grund unzureichender Verkehrswege und (unter den Augen der Öffentlichkeit) über die Strasse hinweg für eher unwahrscheinlich. Für den Transport über Benzen durch die nördlich gelegene Muna hätte eine entsprechende Zuwegung durch den Wald erschlossen werden müssen - entweder für LKW- oder Bahnverkehr. Zumindest letzteres scheint nicht der Fall gewesen zu sein, zumindest ist davon heute nichts mehr erkennbar. Vielleicht geben die bestellten Luftbilder mehr Aufschluss darüber.

Übrigens: die Lage und Anordnung des vermeintlichen Lagerkomplexes scheint seltsam und nicht nach topografischen Gegebenheiten / Verkehrswegen gewählt zu sein. Die nahezu identisch angeordneten und aufgebauten Lagergruppen werfen die Frage nach dem Sinn dieser Anordnung auf. Hat jemand vergleichbare Beispiele zur Hand? Ich hatte anfangs schon in Erwägung gezogen, dass hier ein Übertragungsfehler in die TK25 vorliegen könnte - das angehängte Luftbild vom 07.02.1946 bestätigt aber die Existenz in genau dieser Lage.

Für Anregungen, Kritik oder weiterführende Hinweise etc. bin ich im Voraus dankbar!

Gruss,

Olli
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HarmWulf
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Beitrag von HarmWulf » 09.11.2015 14:35

Moin,

nachdem ich im vergangenen Jahr nicht zu einer Begehung des Geländes gekommen bin, war ich gestern Nachmittag dort, um mir einen ersten Eindruck vor Ort zu verschaffen.
Ich hatte lediglich ein leichtes Fernglas und die Kamera mit 70-200mm-Objektiv dabei, um mir in den weitläufigen, mittelalten Kiefernbeständen erste Orientierung zu verschaffen. Das Objektiv ist leider wenig geeignet für die Dokumentation baulicher Relikte, das weisse Damwild hatte mich frühzeitig bemerkt... .Trotzdem war die Entscheidung minimaler Ausüstung richtig, denn in der Ahrensheide kann man ordentlich Kilometer zurücklegen, was ich binnen knapp fünf Stunden auch geschafft habe.
Ausgangspunkt war der Hellberger Weg in Beetenbrück. Mit dem Fernglas sind die lichten Kiefernbestände recht gut nach Auffälligkeiten "abzuleuchten", zumal das Terrain hier kaum Erhebungen natürlicher Art aufweist. Aufgefallen ist mir allerdings erstmal nur die Anzahl an Hochsitzen, die auf eine intensive jagdliche Nutzung des Gebietes hinweist. Also im Geiste präventive Vorbereitung auf den ersten missgestimmten Waidgesellen. Da ich selbst Jäger bin, sind mir die rechtlichen Grundlagen des Bewegens in der freien Natur vetrtraut und nicht selten endet ein anfänglich konfrontativer Meinungsaustausch bei Wahrung von Ruhe und Sachlichkeit in einem Plausch mit wertvollen Hinweisen.
An der Sternkreuzung des Weges angekommen dann nach Norden in Richtung Altenboitzen eingeschwenkt. Ob der befestigte Weg ein Relikt aus Munazeiten oder eher aus der Zeit der Erdölgewinnung stammt? Dann ein (von Geschossen durchlöchertes) Schild, das die Richtung einer Saugstelle anzeigt. Diese liegt an einem unbefestigten Waldweg, der an dieser Wegekreuzung nach Nordosten in den Bestand führt. Die alte TK25 habe ich recht genau im Kopf - dies ist der Weg, der die, von mir als Nummer 4 bezeichnete, südwestliche ehemalige Lagergruppe durchschneidet. Die Saugstelle entpuppt sich als als einfacher Überflurhydrant unbekannten Alters. Bislang sind keine Anzeichen irgendwelcher Gebäudereste oder befestigter Infrastruktur zu erkennen. Also weiter auf dem Weg in den Wald hinein und dann rechts am Weg die Reste einer 20 cm starken, grobkiesigen Betonplatte, von einem 80 - 90 cm tiefen Graben umzogen. Unter der dünnen Humusdecke zeigt sich, dass diese Sohlplatte einst mit Betonplatten (ein Bruchstück davon ließ sich schnell finden - siehe Foto)belegt war. Die Maße der Platte, auch ein Maßband hatte ich nicht mitgenommen, betragen ungefähr 10 x 5 Meter bei etwa 20cm Stärke. Anzeichen für einstige Wände wie Ziegel, Fundamente o.ä. sowie etwaige Erdanschüttung / -umwallung sind nicht zu entdecken. Ich hege schon länger die Vermutung, dass der gesamte Lagerkomplex aus überdachten Freilagerflächen oder einfachen Lagerschuppen bestanden haben könnte. Dies könnte die Tatsache erklären, dass von 100 Lagerhäusern so gut wie nichts mehr zu finden ist. Nach einigen Metern auf dem Waldweg dann links von mir erste sichtbare Betontrümmer im Wald. Es handelt sich um die offenbar gesprengten Reste eines teils unterirdisch angelegten Bauwerkes von 20 x 10 Metern mit einer Wandstärke von ca. 40cm, das ganze aus feinkörnigem, armierten Beton. An einer verbliebenen Giebelseite sind die Reste von Eisensprossen erkennbar (siehe Fotos)- also Einstieg von oben. Die noch erkennbaren Seitenwände zeigen eine nach aussen gewölbte Form - alles ungewöhnlich für ein Lagergebäude. Von diesem Standort aus ist auch die nächste Sohlplatte im Wald anhand ihres Bewuchses und fehlender Bäume zu erkennen, dann noch eine. Ich stehe also tatsächlich in einer der ehemaligen Lagergruppen! Auf meinem weiteren Marsch, die Sonne sinkt bereits, dann rechter Hand ein ungewöhnlcher länglicher Hügel. Auf seiner Kuppe stehe ich dann vor einem gähnenden Loch in einer Betondecke. Da an einer Giebelseite die Decke (nach Sprengung) eingestürzt ist, kann ich einen Blick hineinwerfen. Es handelt sich um ein baugleiches Gebäude wie das Vorherige. Der Querschnitt ist tonnenförmig, an der erhaltenen Giebelwand weder Tür noch ein Einstieg von oben, lediglich ein einmündendes Rohr knapp unter der Firste. In der Mitte der etwa 3 Meter hohen Firste ein rundes Loch nach draußen. Die Giebelseite mit dem vermutlichen Einstig weist ebenfalls eine noch schwach erkennbare, von außen darauf zulaufende Rinne auf. Hatten diese Gebäude eine Zuwegung vom "Hauptweg" aus, die in ein Eingangsbauwerk mit erwähntem Einstieg führt? Nach meinem Dafürhalten könnte es sich hier um Löschwasserbehälter handeln. der Einstieg wurde für Kontroll- / Wartungsarbeiten genutzt, durch das Dach führte evtl. ein Lüftungs- oder Entnahmeschacht. Das einmündende Rohr an der Giebelseite könnte der Befüllung oder auch Entnahme gedient haben. Auch hier hat das falsche Objektiv Übersichtsaufnahmen verhindert. Nun wird es allmählich dämmerig und ich bleibe sicherheitshalber auf dem Weg und bewege mich wieder in Richtung Beetenbrück. Unterwegs noch linker Hand ein Sockelbauwerk o.ä. aus Beton und eine ganze Strecke entlang des Weges ein sehr schmaler und nicht sehr tiefer Graben. In diesem Areal besteht kein Grund zu oberflächlicher Entwässerung, also vielleicht der Verlauf ehemaliger Versorgungsleitungen? Mittlerweile befinde ich mich auf dem ehemaligen Hauptweg, der ringförmig in jeder Lagergruppe verläuft und diese auch miteinander verbindet. Diese Wege sind in der TK25 von 1944 als befestigt dargestellt, davon kann ich nichts feststellen. Allerdings ist der Weg sehr plan und fest, an einer Stelle hat ein Damhirsch sein Revier markiert und dabei eine Kuhle ins Erdreich geschlagen. Hier kommt Basaltschotter zum Vorschein. Waren dies Wege also vielleicht Schotterwege?
Auf meiner Wanderung habe ich nur die südlichen beiden Lagergruppen gestreift und mich auf den Wegen gehalten. Trotzdem habe ich Orientierungspunkte gefunden und einen Eindruck davon gewonnen, auf welche Geländemerkmale bei der nächsten Expedition zu achten ist.
Ist die Erklärung für die nur spärlichen, heute noch zu findenden Relikte der sogenannten "Außenmuna" die Tatsache, dass diese Anlage mit minimalistischem Einsatz von Beton und Asphalt (wie z.B. die Nebenmuna Schneverdingen)angelegt wurde?
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Beitrag von HarmWulf » 09.11.2015 21:18

... hier noch einige Infos aus der Liste der Rüstungsaltlasten (Block A), Stand: 01.06.1997 (lfd. Nr. 155):
dort heisst es unter "Standortgegebenheiten/Bemerkungen":

Munitionsanstalt.
Besteht aus Heeresmunitionsanstalt I (auch bekannt als Benzen,
Altenboitzen)
und Außenmunitionsanstalt II (auch bekannt als Düshorn-Beetenbrück).
Ab 1937: Baubeginn
03/1945: Ca. 4.000 t Grünkreuz durch Briten geräumt.
Ca. 1950: Teilbereiche bedingt geräumt.
Lage im Wasservorranggebiet.
Heute: Heeresmuna I - Munitionsdepot Walsrode.
Außenmuna II - Privateigentum.
Aufgenommen aus Block B nach Vorrecherche.


Die Bezeichnung "Muna I und Muna II" kenne ich aus meiner Jugend in den frühen 80ern. Wir hatten seinerzeit die Anlagen Walo I und Walo II der EIBIA in Bomlitz (vor der Sanierung) "inspiziert". Ein hiesiger Landwirt, dem wir damals von unserem Ausflug erzählten, beschrieb uns die Lage der Anlagen bei Walsrode mit eben dieser Bezeichnung.

Der Baubeginn 1937 ist, im Vergleich zu anderen Munas, vergleichsweise spät. Baubeginn der Anlage Walo II der EIBIA in Bomlitz war übrigens Anfang 1938. Besteht hier zeitlich vielleicht ein Zusammenhang, zumal die EIBIA-Produkte zum Teil in der HMa verarbeitet wurden?

Die Räumung der 4000 t Kampfstoffmunition durch die Briten kann unmöglich im März 1945 stattgefunden haben, schließlich wurde noch bis Mitte April in der Region gekämpft. Es ist möglich, dass es sich bei dieser Grünringmunition (die Bezeichnung "-kreuz" stammt noch aus dem 1. WK)um Bestände handelt, die im Rahmen der "Aktion Zunft" in die Muna gelangten. Allerdings war die HMa Walsrode auch offiziell für die Lagerung von Kampfstoffmunition vorgesehen. Dies geht aus einer zeitgenössischen Karte hervor, deren Quelle ich mir gerade nicht sicher bin (evtl. Preuß/Eitelberg - HMa Lübbecke => dieses Werk suche ich übrigens händeringend, auch leihweise!!!). Auch Art und der spezifische Inhalt dieser Grünringmunition wären von Interesse, z.B. Phosgen, Diphosgen oder gar Spitzenkampfstoffe wie Tabun (Grünring III).

Und was bedeutet "bedingt geräumt" und welche Anlagenteile sind damit gemeint?

Neue Informationen werfen auch häufig neue Fragen auf.

Gruß,

Olli
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