Radaranlage Türkheim/Geislingen

Militär nach 1945 - FlaRak, CRC, CRP, SOC & Co, TMLD etc.
HW (†)
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Radarführung Bundeswehr

Beitrag von HW (†) » 24.09.2003 22:16

Die erste Radargerätestellung der Bundeswehr soll ja die Anlage inTürkheim gewesen sein. Aus Unterlagen geht hervor, dass im Süddeutschen Raum folgende Radargerätestellungen geplant waren bzw. durch die Bundes-Luftwaffe von den Amerikanern übernommen wurden: Türkheim, Freising, Giebelstadt, sowie verbunkerte Frühwarnstellungen Hof, Wasserkuppe, Regensburg und Untersberg (bei Bad Reichenhall).
Die Anlage Untersberg dürfte über die Planung nicht hinausgekommen sein.
Wasserkuppe ist ja bekannt, wurde 1998 aufgelöst (siehe eigener Thread).
Mit Hof dürfte die Stellung Döbraberg gemeint sein. Diese ist heute noch aktiv.
Über Giebelstadt (Nähe Würzburg) liegen mir keine Unterlagen vor.
Freising ist ein CRC (CRC soll aufgelöst werden, RRP bleibt) und ebenfalls noch aktiv.
Interessanter wird es bei Regensburg. Diese Stellung wurde am 3. November 1959 durch die Luftwaffe von den Amerikanern übernommen. Die verschiedenen Chroniken sagen aber nur aus, dass die Stellung den Decknamen Mercury hatte und auf den Winzerer Höhen bei Regensburg gewesen sein soll. Vor Jahren habe ich zwei Wanderungen über die Winzerer Höhen gemacht, aber nichts gefunden, was auf eine Radarstellung hinwies. Die Stellung ist zwar schon am 31. 07.1964 aufgelöst worden, aber nach Aussagen von Personen (Zeitzeugen) sollte es noch Betonfundamente geben. Wo genau konnte aber keiner sagen.
Fündig sind wir dagegen bei Burglengenfeld geworden. Die verschiedenen Chroniken sagen dazu folgendes aus: 12.10.1962 Aufnahme des Dienstbetriebes der neu errichteten Frühwarn-LV-Radarstellung Burglengenfeld (ca. 25 Km nördlich von Regensburg). Diese Stellung wurde neu erbaut. Betrieben wurde sie von der 12./FmRgt 31, später von der 5./FmRgt 31. Sie wurde am 31.12.1983 aufgelöst, da am 12.09.1983 die neuerbaute Frühwarnstellung auf dem Großen Arber im Bayerischen Wald in Betrieb ging. Die Stellung auf dem Großen Arber war zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme angeblich die modernste Radarstellung der Welt.
Die Kasernenanlage in Burglengenfeld wurde 1983 nach Auflösung der 5./FmRgt 31 durch die 17./FmRgt 32, eine Einheit des Tieffliegermelde- und Leitdienstes, übernommen.
Das Radom der 5./FmRgt 31 befand sich auf einer Höhe 495 im Witzlarner Forst (ca. 10 Km von Burglengenfeld). Heute steht hier ein Funkturm der Telecom. Erhalten ist aber noch die militärische Einzäunung, das Tor und ein Gebäude, das zwar etwas "beschädig" ist, aber unweigerlich den Bundeswehr-Baustyl aufweist. Einige Km Abseits davon, an einem anderen Platz im Forst gab es eine Liegenschaft mit einem Bunker. Wobei ich sagen muss, verbunkerte Räumlichkeiten passt eher, da diese Anlage kein Vergleich mit den großen Bunker wie z. B. Börfink (hier auf der Seite auch schon vorgestellt) hat. Damals hatte sich das THW nach der Aufgabe hier niedergelassen und ist, so glaube ich, heute immer noch hier.
Ob es in Türkheim und Regensburg einen Bunker zu den Radarstellungen gegeben hat, geht leider aus den Unterlagen nicht hervor.

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Regensburg und Burglengenfeld

Beitrag von Radarmaxe » 18.08.2012 14:13

Nehme Bezug auf die letzten Zeilen von HW bzgl. den o.a. Anlagen.

Regensburg bestand aus Wellblech-Sheltern der US-Airforce und hatte keinen Bunker.
Gehe davon aus, dass Türkheim in ähnlicher Weise ausgestattet war.

Burglengenfeld war im Bereich der Sende- und Empfangsanlagen nicht mit Radomen ausgestattet, weil bereits Anfang der 60er Jahre der Standort Großer Arber immer wieder diskutiert wurde. Das dortige Problem war die Höhenlage verbunden mit den klimatischen Einflüssen.

Sender und Empfangsanlagen waren in Bunkern untergebracht. Diese sind heute von der Zufahtstraße aus durch Baumbewuchs nicht mehr sichtbar, waren aber sonntags nach der Inbetriebnahme ein beliebtes Ausflugziel der Einheimischen.

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Re: Regensburg und Burglengenfeld

Beitrag von zulufox » 07.09.2012 14:53

Radarmaxe hat geschrieben:Nehme Bezug auf die letzten Zeilen von HW bzgl. den o.a. Anlagen.

Burglengenfeld war im Bereich der Sende- und Empfangsanlagen nicht mit Radomen ausgestattet, weil bereits Anfang der 60er Jahre der Standort Großer Arber immer wieder diskutiert wurde. Das dortige Problem war die Höhenlage verbunden mit den klimatischen Einflüssen.
Mit der Aussage bin ich nicht so ganz einverstanden: :-)

Wenn ich dem hier: viewtopic.php?t=17178 vorgestellten Buch trauen darf, dann befand sich das Radargerät der Einheit von Burglengenfeld in Pistlwies und war eine Besonderheit, eine Janus-Antenne mit zwei Rücken an Rücken befestigten Antennen. Sie wurde von 1962 bis September 1983 betrieben.

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Beitrag von zulufox » 07.09.2012 20:05

Um das vorhin gepostete nach Angaben eines Bekannten, der die Station in ihrer Nutzungszeit kannte, zu ergänzen:

Burglengenfeld/Pistlwies war ein NATO Early Warning Post, die Geräteausstattung stammte von der Firma Marconi http://www.radarpages.co.uk/download/p172.pdf Seite 180 linke Spalte. Der post war mit dem Radargerät Marconi S 247 und dem Höhenmesser S 244 ausgestattet. Diese Geräte standen, soweit ist die Aussage von 2 posts weiter oben, nicht unter Wetterschutzkuppeln (Radomen).
Festgestellte Fluginformationen des EWP Pistlwies konnten auch digital in das damals im Süden der Bundesrepublik betriebene 412L-System eingespeist werden, was manchmal für Verwirrungen sorgte, wenn diese Ziele noch nicht von anderen Geräten erfasst waren.

Von der Station ist heute außer dem damaligen Wachhaus nicht mehr zu sehen, die Natur hat sich offensichtlich das Gelände zurückerobert (so die Aussage eines Einheimischen, der die Stellung kannte).

Zur Station auf dem Großen Arber noch ein link: http://www.grosser-arber.org/home.html

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Beitrag von HW (†) » 09.09.2012 22:25

Es gab in diesem Thread (Link unten) viele tolle Fotos von der Radarstellung, auch Fotos von der Radarantenne, die auf dem Boden lag. Ich nehme auch in dem Beitrag vom 31.08.2004 um 23:14 Uhr bezug auf diese Fotos. Sie sind aber weg. Die Fotos waren zwar in einem "falschen Thema" (dort ging es um einen bzw. 2 Funktürme bei Kürn und Kürn ist eine andere Örtlichkeit, die Fotos passten dadurch hier nicht so richtig).
Ferner gibt es in einem andern Thred auch Fotos vom Hacklberg mit der Radarstellung. Aber trotz Forum-Suche bin ich nicht mehr fündig geworden.

viewtopic.php?t=2540&postdays=0&postorder=asc&start=40

Die Radarstellung hatte ja in Pottenstein abgesetzte verbunkerte Anlagen, was für eine Frühwarnstellung etwas ungewöhnlich ist. Hatte die Wasserkuppe nicht und der Große Arber und der Döbraberg haben auch keine abgesetzten Bunkeranlagen (mit abgesetzt meine ich jetzt ein paar Kilometer weiter).

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Beitrag von HW (†) » 09.09.2012 22:32

Wer suchet, der findet. Einige Fotos sind hier (es gibt aber noch mehr vom Hacklberg, nur wo?)

viewtopic.php?t=2540&postdays=0&postorder=asc&start=30

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Radarstellung Türkheim

Beitrag von oldmen » 15.01.2016 12:40

Die Radarstellung Türkheim ( Deckname "Joplin" ) wurde bis 1959 von der 604th US-Air Control and Warning Squadron betrieben, die in Ulm in der Boelcke-Kaserne stationiert war. Der Betrieb wurde im Verlauf 59 von der deutschen 312/FmRgt. 31 übernommen, die nach absolvierter Ausbildung von Lagerlechfeld in die Boelcke nach Ulm verlegt worden war.
Türkheim war eine Zelt- oder Barackenstellung , erdgeschossig, nur die beiden Antennen eines Rundum-Such- und eines Höhenmessgeräts waren aus der Distanz sichtbar. Diesen schnell zerlegbaren und verlegbaren Stellungtyp bevorzugten die Amerikaner. Es waren keine Bunker oder Türme vorhanden.
Der Dienstbetrieb erfolgte im 3-Schicht-Betrieb rund um die Uhr - 6 Schichten in 5 Tagen, dann 2,5 Tage frei. Mannschaftsstärke pro Schicht um die 40 inkl. 4 Mann Wache.
Eine Stunde vor Schichtbeginn stand der Bus / oder 2 bereit, um das 35 km entfernte Türkheim / oder umgekehrt zu erreichen - übliche Fahrzeit 40 min. , bei Schneeverwehungen auf der Türkeimer Höhe open-end.
Der Dienstbetrieb wurde 1963/64 eingestellt, die 312 wurde nach Meßstetten verlegt.

Quellen:
Eigene Dienstzeit vom 30.10.59 bis 30.11.62
USAEUR 604th AC&WS - siehe dort Foto vom dark-room in Joplin 1959

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Beitrag von oldmen » 08.11.2016 20:52

Die Ortschaft Türkheim ist zwar nahe Geislingen gelegen, die Radarstellung Joplin war aber ansonsten untrennbar mit den Ulmer Kasernen verbunden - weil das Betriebspersonal zu US- wie auch deutscher Zeit in Ulm sein Quartier hatte.

Die 616/604th AC&WS der Amerikaner war erst in der Ulmer Flandern-Kaserne, dann ab 1958 in der Boelcke-Kaserne *) auf dem Kuhberg stationiert. Die Mannschaften wurden - wie vorher erwähnt - mit Bussen im Pendelverkehr zur Schicht nach Türkheim transportiert.

Die Stellung "Joplin" und die Boelcke-Kaserne wurden in etwa gleichzeitig 1959 an die deutsche Luftwaffe - an die 312/FMRgt. 31 - übergeben. US-Personal verblieb noch mehr als 1 Jahr zur Einweisung im Jägerleit-Job und bei der Radar-techn. Wartung.

Die Amerikaner behielten deshalb 2 Bereiche unter ihrer Kontrolle:

Das OJT-Programm ( on-the-Job-Training ), das für das gesamte Radarflugmelde- und Leitpersonal Pflicht war und zum Abschluss jedem Absolventen von Major Raymond Murdoch jr. mit dem äußerst dekorativen " Certificate of Training " bestätigt wurde.

Der NCO-Club ( Unteroffiziersclub ) blieb weiterhin im Eigentum der US Air Force - der Club ( auch für alle deutschen Mannschaftsdienstgrade offen ) bildete ein exterritoriales Gebiet im Kasernengelände und durfte von UvD oder OvD im Dienst ( also mit Helm )nicht betreten werden.
Das deutsche Radarpersonal hatte so Anteil an den Annehmlichkeiten dieser Einrichtung wie zoll- und steuerfreie Getränke, Tanz-Abende mit Live-Bands und Happy half-hour etc.

Eine Verstimmung gab es bei der vorgesehenen Übergabe des in US-Einrichtungen üblichen Kinos, das mit gepolsterten Klappsitzen damals über dem deutschen Kino-Standard lag. Für solchen Luxus war im Etat des Standortkommandanten kein Posten vorgesehen und konnte keine Abfindung bezahlt werden. Konsequent ließen die Amerikaner die Bestuhlung abbauen und entsorgen.

*) Boelcke-Kaserne : 1935 erbaut - abgerissen 1995. Danach bis heute Wohn-Gewerbegebiet und Polizeistation.

Alles ist vergänglich : Oldmen

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