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von JW » 04.03.2004 18:31
Das Kriegsgefangenenwesen war bei der Bundeswehr - wie so vieles andere (z.B. Wehrstrafgerichtsbarkeit im V-Fall) - nie sauber geregelt und wurde eher verdrängt. Geklärt war eigentlich nur die Behandlung der Kriegsgefangenen bei der Gefangennahme und die eventuelle Befragung durch die Frontnachrichtentruppe. Wie es dann rückwärts der Kampftruppe weitergehen sollte, das war alles recht schwammig.
In den Heeresstrukturen 1 und 2 hatte man nach amerikanischen Muster vage Planungen für die Aufstellung von Feldjägereinheiten zur Kriegsgefangenenbewachung, diese sollten dann mit entsprechenden Versorgungsteilen ausgestattet auch die Kriegsgefangenenlager in der rückwärtigen Kampfzone betreiben. Vorbild war dafür die MP POW-Brigade der US-Army auf Armee-Ebene.
Konkrete Ausplanungen gab es hier nie, das einzige was davon übrigblieb, war an der Nachrichtenschule in Bad Ems das Modell eines von Feldjägern bewachten Kriegsgefangenenlagers. Dieses Modell wurde noch um 1980 bei entsprechenden Lehrgängen voller Stolz vorgeführt, obwohl es nie eine organisatorische Grundlage hatte.
Während der Laufzeit der Heeresstruktur 3 (ca. 1970-1980) tauchte dann in einigen Vorschriftenentwürfen (Feldjägertruppe, diverse Vorschriften für Stäbe des Territorialheeres) der Begriff des ''Kriegsgefangenen-Wach- und Versorgungsbataillons" auf, das die Kriegsgefangenenlager betreiben sollte. Diese Bataillone sollten entweder bei bestimmten WBK oder direkt bei den Territorialkommandos aufgestellt werden. In tatsächlich erlassene Vorschriften fand der Begriff keinen Eingang, geschweige denn, daß es jemals Regeln gab, wie diese Bataillone ihre Aufgaben erfüllen sollten.
Die einzige damals vorhandene Vorschriftengrundlage war eigentlich das NATO-Standardization Agreement (StANAG) 2044: Verfahren für die Behandlung von Kriegsgefangenen. Das war aber nicht viel mehr als ein Auszug aus den Genfer Abkommen.
In der bis zum Ende des Kalten Krieges geltenden Heeresstruktur 4 war es auch nicht viel konkreter.
In der HDv 100/100 -Truppenführung- erscheint der Begriff Kriegsgefangene nur in Zusammenhang mit ihrer Befragung durch die Frontnachrichtentruppe und der Verpflichtung zur sanitätsdienstlichen Versorgung.
Die HDv 100/500 - Das Heer in der Militärischen Landesverteidigung - erwähnt das Kriegsgefangenenwesen als Teil der ''Besonderen Führungs- und Unterstützungsaufgaben'' des Territorialheeres. Daraus kann man schließen, daß die Kriegsgefangenenlager wieder beim Territorialheer angesiedelt werden sollten. Allerdings wurde das entsprechende Kapitel 25 dieser Vorschrift nie erlassen.
Am ausführlichsten ließen sich in dieser Zeit noch die Vorschriften der Feldjägertruppe zu den Kriegsgefangenen aus:
ZDv 75/100 - Die Feldjäger in der Bundeswehr -
Nr. 418: Die Gesamtverantwortung für die Organisation und Handhabung des Kriegsgefangenenwesens liegt bei den Kommandobehörden des Feld- und Territorialheeres.
Nr. 419: Feldjäger können zum Sammeln und Transport von Kriegsgefangenen herangezogen werden. Ihre wesentlichen Aufgaben sind dabei:
-besonders wichtige Kriegsgefangene schnell zum Ort ihrer Vernehmung zu bringen
-Kriegsgefangene, die aus dem Gewahrsam entwichen sind, zu ergreifen und den Kriegsgefangenenlagern zuzuführen.
Aus dieser Nr. 418 kann man schließen, daß man das ganze auf Ebene höherer Stäbe durch Einzelbefehle regeln wollte.
Die HDv 361/100 - Das Feldjägerbataillon - führt dann in der Nr. 519 dazu noch aus:
Das Feldjägerbataillon unterstützt Truppenteile, deren Aufgabe die Bewachung von Kriegsgefangenen ist, bei der Weiterleitung Kriegsgefangener von Kriegsgefangenen-Sammelpunkten in Kriegsgefangenenlager.
In der Praxis sahen die Operationsbefehle der Divisionen (bei Übungen und GDP) meist die Einrichtung eines Kriegsgefangenen-Sammelpunktes im rückwärtigen Divisionsgebiet vor, je nach Anfall auch bei den Brigaden.
Für die Bewachung dieses Sammelpunktes wurden fast immer Kräfte aus den Feldersatzbataillonen der Divisionen verwendet, hier waren auch Teile des Frontnachrichtenzuges der Division eingesetzt, ebenso wie einige Feldjägerstreifen aus der Feldjägerkompanie.
Die Versorgung der Gefangenen hatte der G 4 der Division zu regeln, ebenso den Abtransport nach hinten. Das hätte natürlich nur durch Inanspruchnahme eigentlich für anderer Aufgaben vorgesehener Kräfte geschehen können.
Wie es dann im Bereich des Territorialheeres hätte weitergehen sollen, war nicht klar, da Kräfte für das Kriegsgefangenenwesen strukturmäßig auch nicht vorhanden waren. Eventuell hätte man Teile der bei bestimmten VKK vorhandenen Wehrleit- und Ersatzbataillone oder der Feldausbildungsregimenter der Territorialkommandos dazu verbraten.