Verfügungsräume, rückwärtige Ausweichstellungen

Militärische Objekte und Anlagen ab 1945
HW (†)
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Verfügungsräume, rückwärtige Ausweichstellungen

Beitrag von HW (†) » 08.12.2013 21:42

Hallo,

in einem andern Forum - ab und zu schaue ich auch mal über den Tellerrand - habe ich unter Sonderanlagen das Thema Forstwege gelesen.

Hier war die Frage, ob die gut ausgebauten Forstwege, asphaltiert oder mit gutem Unterbau wie Schotter, eine militärische Bedeutung hätten. Die Antworten lagen eher bei nein. Es wurde eher auf Holztransport verwiesen.

Nun war es ja zur Zeit des Kalten Krieges so, dass die Einheiten in einem Spannungsfall ja nicht in der Kaserne verblieben, sondern in sogenannte Verfügungsräume verlegten. Dieses wurde ja auch sehr oft bei dem "beliebten" "NATO-Alarm" durchgeführt. Diese Verfügungsräume waren ja vorgegeben, auch vorerkundet und in Karten festgehalten. Es war auch nicht immer der selbe Verfügungsraum, sondern es gab wohl eine Vielzahl von Verfügungsräumen. Diese lagen natürlich alle in bewaldeten Gebieten.
Als Beispiel einmal die Korpstruppen aus dem Raum Koblenz. Hier wurden Verfügungsräume bezogen mal in der Nähe im Westerwald, mal in Richtung Marburg, mal ging es von der Autobahn in Idstein runter in den Taunus. Es gab auch mehrtägige Alarme, da wurde bis in den Raum Kassel vorgerückt. Immer wurde im Wald sich gut "versteckt". Es waren aber nie Wege (Forst- und Waldwege) dabei, die nicht gut befahrbar waren.
Man könnte fast meinen, diese Plätze waren dafür geschaffen.

Anderes Beispiel: Für Raketenstellungen, HAWK und Pershing, gab es vorerkundete Stellungen. Vom Pershing Flugkörpergeschwader 1 habe ich einmal gehört, dass es an die 100 Stellungen gab. Auch für HAWK gab es Einsatzstellungen, die im V-Fall bezogen werden sollten. Und das wurde auch immer geübt.
Südlich von München gibt es ein kleines Dorf. Am Ortsende führt schon seit vielen Jahren eine kleine asphaltierte Straße in den Wald und mündet auf einer freien Fläche (Wiese). Bekannte Bewohner sagten mir, dass hier eine FlaRak-Ausweichstellung war und hier auch immer wieder die Feldstellung aufgebaut wurde. Man habe über den Sinn dieser asphaltierten Straße anfangs immer gerätselt bis dann immer wieder die Raketen kamen.

Aber nicht nur Straßen und Wege wurden vorgehalten, auch Bahnstrecken. Die bekannteste Strecke ist wohl die Wuchtalbahn. Hier fuhren schon lange keine regelmäßigen Güter- und Personenzüge mehr (von der Museumsbahn jetzt einmal abgesehen), aber die Strecke wurde mit Mitteln des Verteidigungshaushaltes top in Stand gehalten. Man sprach hier auch von einer NATO-Ausweich-Bahnstrecke.

Warum sollten nicht auch Wege und Straßen bestimmter Waldgebiete aus militärischer Sicht instand gehalten worden sein?

Gruß
HW

Walter Franke
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Beitrag von Walter Franke » 08.12.2013 22:03

Moin,

also bei NATO-Alarm ist meine Einheit immer im selben Verfügungsraum untergezogen. Dieser befand sich auf dem Stanortübungsplatz und wurde als VerfRaum-Üb bezeichnet. Es gab auch einen erkundeten VerfRaum-V, aber dessen Lage war nur dem BttrChef, dem Spieß und dem BttrTrpFhr bekannt und in der Alarmrolle-V aufgeführt, aber die ist ja beim NATO-Alarm verschlossen geblieben.

Dann gab es die Bereitstellungsräume die sich an den vorgesehenen Verteidgungsräumen der Divisionen befinden, also meistens in Richtung Zonengrenze.

Neulich habe ich mir die Wäller-Kaserne in Westerburg angesehen. Dort war einmal das PzBtl 134 stationiert. Nicht weit von der Kaserne entfernt fielen mir sehr breit geteerte Einfahrten in Waldwege auf. Ich verm. dass bei NATO-Alarm dort die Panzer des Btl untergezogen sind.

Viele Grüße

Walter

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redsea
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Beitrag von redsea » 08.12.2013 22:24

Hallo zusammen,

so wie ich aus den vorangegangenen Beiträgen entnehme, besteht hier wohl ein Mißverständnis hinsichtlich der Bedeutung des Begriffes "Verfügungsraum". Der "Verfügungsraum" ist nur bei Übungen ein geographisch fest definierter bzw. vorgegebener Raum, wozu man einen zu Übungen geeigneten Raum wählt. Im V-Fall steht der Verfügungsraum in direkter Abhängigkeit zum VRV (Vorderster Rand der Verteidigung). Verschiebt sich der VRV während der Kampfhandlungen, so verschiebt sich auch der Verfügungsraum um die gleiche Distanz, um die Kräfte im VRV aus dem rückwärtigen Raum entsprechend unterstützen und versorgen zu können. Hierzu gibt es vorgegebene Distanzen, aus denen sich dann die Wahl der Gebiete ergibt.

Viele Grüße

Kai

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Beitrag von MikeG » 08.12.2013 23:28

Moin!

Vorab: Die Instandhaltung von Forstwegen ist tatsächlich nichts ungewöhnliches, heute wird das eher noch intensiver betrieben als während des Kalten Krieges. Dabei steht die Befahrbarkeit durch LKW für den Holzabtransport im Vordergrund. Eine Asphalt- oder Betondecke, die eher dem Komfort und der Langlebigkeit bei regelmäßiger Nutzung dient, findet man hier doch eher selten. Diese gibt es eher im landwirtschaftlichen Bereich, um eine permanente Schädigung von Feldzuwegungen durch die groben Traktorreifen zu verhindern. Gerade in Gegenden mit weichen Böden, Mooren und Marschen ist das üblich.

Ich halte es nicht für unmöglich und sogar für wahrscheinlich, dass für bestimmte Ausweichstellungen schon im Vorwege infrastrukturelle Vorkehrungen getroffen wurden. Die fernmeldetechnische Vorbereitung, wie sie z.B. in Form der AK-65 – Anschlusskästen erfolgte, zeigen dies. Mit Sicherheit wurden auch hier oder da Wege aus diesem Grund instand gehalten. Im Verhältnis zur Zahl der insgesamt so gepflegten Forstwege dürfte es aber ein winziger Anteil gewesen sein, bei dem der Wegebau bzw. die nachfolgende Wegepflege primär aus militärischen Gründen durchgeführt wurde.

Am wahrscheinlichsten erscheint mir dies noch bei vorerkundeten rückwärtigen Stellungen der FlaRak- und TMLD-Truppen und anderen Einheiten, für die mehr infrastrukturelle Vorbereitung als einfach nur „Platz in Deckung“ notwendig gewesen wäre.

Ein interessantes Thema.

Mike

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Talpa
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Re: Verfügungsräume, rückwärtige Ausweichstellungen

Beitrag von Talpa » 08.12.2013 23:33

HW hat geschrieben:Hallo,

in einem andern Forum - ab und zu schaue ich auch mal über den Tellerrand - habe ich unter Sonderanlagen das Thema Forstwege gelesen.

Hier war die Frage, ob die gut ausgebauten Forstwege, asphaltiert oder mit gutem Unterbau wie Schotter, eine militärische Bedeutung hätten. Die Antworten lagen eher bei nein. Es wurde eher auf Holztransport verwiesen.
[...]
Gruß
HW
Besonders den Wegen aus dem "Grünen Plan" Programm Anfang der 1960er Jahre wird immer wieder nachgesagt das Geld zum Wegebau ist auch militärisch motiviert geflossen.
Fakt ist jedoch, dass nichts gebaut wurde, wenn Kommunen, Waldschutzgenossenschaften, Forstämter und Eigentümer kein Geld zum Wegebau beantragt haben oder sich nicht einig wurden wie gebaut werden sollte.
Weiter ist die Bauplanung zu jederzeit maßgeblich von den vorgenannten Institutionen gemeinsam in Eigenregie durchgeführt worden.
Ich denke hier hat man auf die Landesverteidigung keine Rücksicht genommen.
Ob es Ausnahmen davon gibt ist vielleicht möglich.


Talpa
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Beitrag von Björn » 11.12.2013 10:27

Dass es für das FKG 1 vorerkundete Feld- und Ausweichstellungen gab, kann ich nur bestätigen. Manche wurden mehr oder weniger oft beübt, manche allerdings nur regelmäßig "verdeckt überprüft", um sie nicht schon zu Friedenszeiten zu verraten. Eine dieser Stellungen befand sich ab den 1970er Jahren z.B. direkt bei meinem Heimatdorf; nördlich in einer alten Kiesgrube.

Dass es jedoch an die 100 Ausweichstellungen gegeben haben soll, finde ich jedoch fast ein bisschen viel.

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Beitrag von zulufox » 11.12.2013 12:15

Hallo,

zu Björns posting

a) ein link: http://www.tradgemfkg2.de/Pershing_Heft ... -K_CS5.pdf

zur Geschichte der beiden FKG und

b) eine Anmerkung:
Für das Waffensystem PERSHING 1 (Kettenfahrgestell für das Transport-, Aufrichte- und Abschuss-Fahrzeug) gab es eine Vielzahl vorerkundeter UND vermessener Abschussstellungen für die Flugkörper. Erst mit der Einführung des Waffensystems PERSHING 1a mit Radfahrgestell mussten durch die neue Geräteausstattung KEINE vorvermessenen Stellungen mehr genutzt werden. Vorerkundet war natürlich einfach wegen der Gegebenheiten des Untergrundes nicht schlecht.

MfG
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"Nichts ist leichter als Selbstbetrug, denn was ein Mensch wahrhaben möchte, hält er auch für wahr."

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Beitrag von hollihh » 11.12.2013 19:26

redsea hat geschrieben:Hallo zusammen,

so wie ich aus den vorangegangenen Beiträgen entnehme, besteht hier wohl ein Mißverständnis hinsichtlich der Bedeutung des Begriffes "Verfügungsraum". Der "Verfügungsraum" ist nur bei Übungen ein geographisch fest definierter bzw. vorgegebener Raum, wozu man einen zu Übungen geeigneten Raum wählt. Im V-Fall steht der Verfügungsraum in direkter Abhängigkeit zum VRV (Vorderster Rand der Verteidigung). Verschiebt sich der VRV während der Kampfhandlungen, so verschiebt sich auch der Verfügungsraum um die gleiche Distanz, um die Kräfte im VRV aus dem rückwärtigen Raum entsprechend unterstützen und versorgen zu können. Hierzu gibt es vorgegebene Distanzen, aus denen sich dann die Wahl der Gebiete ergibt.

Viele Grüße

Kai
Hallo,

stimmt so nicht ganz - VfgR gibt es nicht nur bei Übungen. Sie werden befohlen, und können sich - ebenfalls auf Befehl - natürlich ändern, wenn die taktische Lage es erfordert. Da ist allerdings kein "Automatismus" hinterlegt, wenn der VRV sich verschieben sollte - das würde nicht nur ein ziemliches Durcheinander geben, sondern auch chaotisch werden, wenn man an natürliche Hindernisse stößt...

Für den "NATO Alarm" gab es meist in Standortnähe entsprechende vorerkundete Verfügungsräume - frei nach dem Motto: Erst mal raus aus der Kaserne und auflockern....

Im VFall gab es - meist ebenfalls in StoNähe - im Rahmen des GDP einen Verfügungsraum zum Auflockern und den zugewiesenen, erkundeten Verfügungsraum. Das Die Erkundung deds GDP Raumes war immer ein recht ziviler Ausflug :lol:

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redsea
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Beitrag von redsea » 11.12.2013 19:55

hollihh hat geschrieben:Hallo,

stimmt so nicht ganz - VfgR gibt es nicht nur bei Übungen. (...)

Hallo hollihh,

öhm, da hast Du wohl nur bis zur Hälfte meines zweiten Satzes gelesen und den Rest überlesen:
redsea hat geschrieben:(...) Im V-Fall steht der Verfügungsraum in direkter Abhängigkeit zum VRV (Vorderster Rand der Verteidigung). Verschiebt sich der VRV während der Kampfhandlungen, so verschiebt sich auch der Verfügungsraum um die gleiche Distanz, um die Kräfte im VRV aus dem rückwärtigen Raum entsprechend unterstützen und versorgen zu können. Hierzu gibt es vorgegebene Distanzen, aus denen sich dann die Wahl der Gebiete ergibt.
;-)

Grüße

Kai

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Beitrag von Buddelflink » 11.12.2013 21:17

so verschiebt sich auch der Verfügungsraum um die gleiche Distanz


Guten Abend redsea. Da gehe ich nun nicht mit. In der aktuellen Fassung wird dieses so nicht gelehrt und selbst wenn sich in Vorschriften von vor 1989 (es geht ja um den kalten Krieg) in einer alten Vorschrift oder Taktikunterlagen solch eine Aussage zu finden ist, so zweifle ich deren Sinn an. Verfügungsräume beziehen sich explizit nicht nur auf den VRV, sie haben verschiedene Verwendungen und sie verschieben sich auch nicht um die gleiche Distanz. Dieser Raum ist immerhin abhängig von verschieden Faktoren, die je nach Lage, Auftrag, Gelände, Wetter und diversen anderen Faktoren varieren können und müssen. Ich möchte aber auch nicht noch näher darauf eingehen.

Nachtrag:
Hierzu gibt es vorgegebene Distanzen


Ich weiß, was Du meinst, auch mit der gleichen Distanz und dem verschieben. Es gibt für verschiedene Truppenteile taktische Entfernungsangaben die für den Auftrag zielführend/ zweckmäßig sind. Aber Verfügungsräume müssen nicht an den VRV angelehnt sein- zumindest nicht heute. Hat eventuell jemand einen alten Textauszug der entsprechenden HDV von vor 1990?

Grüße,
Andreas
Zuletzt geändert von Buddelflink am 11.12.2013 21:36, insgesamt 1-mal geändert.

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