Zwangsarbeitende in Kiel 1939 – 1945

Zwangsarbeit, Fremdarbeiter-, Konzentrations- und Kriegsgefangenenlager (STALAG, DULAG etc.) und deren Außenlager
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Leif
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Zwangsarbeitende in Kiel 1939 – 1945

Beitrag von Leif » 20.11.2002 19:46

Hier ein Bericht aus den Kieler Nachrichten online - Version. Es kann sein, dass der Link morgen schon nicht mehr funktioniert.
Viele Grüße aus Kiel,
Leif

http://www.kn-online.de/htm/aktuell/kie ... beiter.htm



Verbittert über verlorene Jugend

"Zwangsarbeitende in Kiel 1939 – 1945": Forschungsarbeit aus dem Stadtarchiv wird vorgestellt

Zwangsarbeiter. In Kiel passte der sperrige Begriff in der Kriegszeit auf etwa 40000 Männer und Frauen aus ganz Europa. Mit ihren Lebensbedingungen befasst sich die Forschungsarbeit "Zwangsarbeitende in Kiel 1939 – 1945", die morgen der Ratsversammlung vorgestellt wird, sie hatte das Projekt vor gut zwei Jahren in Auftrag gegeben. Im Frühjahr sollen die Ergebnisse der 250-Seiten-Erhebung als Buch heraus gegeben werden. Was bleibt, sind schreckliche Erinnerungen und oft eine ruinierte Gesundheit. "Erschütternd". Jan Klußmann findet kein anderes Wort, um zu beschreiben, was ihm an Schicksalen ehemaliger Zwangsarbeiter in Kieler "Ostarbeiterlagern" begegnet ist: "An der Schanze" etwa, "Holsteinplatz/Hagenuk II", "Drachensee", "Wehdenweg IV" oder "Kählen". Von Kindern als "russische Schweine" beschimpft, hungernd, oft ohne Schutz während der Kieler Bombennächte. Angst, Hunger, Heimweh. Von Sklavendasein ist in den Berichten die Rede, die Jan Klußmann, promovierter Kieler Historiker, seit zwei Jahren gesammelt und ausgewertet hat. "Ich kann Ihnen nicht ohne Tränen antworten", habe ihm eine Russin geschrieben, sagt Klußmann und berichtet von einer jungen Frau aus der ehemaligen Sowjetunion, die damals "bei einer Tiefbaufirma in Kiel Zement schleppen und mit Spitzhacke und Brecheisen arbeiten musste". Morgens um 4 Uhr verließ sie das Lager, abends um 22 Uhr kehrte sie zurück. Nach der Rückkehr in die Heimat wurden viele einstige Zwangsarbeiter als vermeintliche Kollaborateure verhaftet.
200 Fragebögen hat Klußmann verschickt, 66 kamen aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion zurück, zwölf aus Polen und einige aus Tschechien und Holland. Das dunkle Kapitel Kieler Geschichte – Zwangsarbeit – solle durch Klußmanns Arbeit mit Leben erfüllt werden – "für einzelne Stadtteile, Straßen, Firmen", so der Leiter des Kieler Stadtarchivs, Jürgen Jensen.

"Seit 1999 haben wir etwa 700 Anfragen ehemaliger Zwangsarbeiter, die einen Nachweis über ihre damalige Arbeit brauchen, um eine Entschädigung zu bekommen – in etwa 300 Fällen konnte die Stadt Kiel helfen", sagt Jensen. Kein Grund für übermäßige Begeisterung, eher für Scham: Wenn es in 200 Fällen überhaupt zu einer Entschädigung komme, erklärt Jensen, seien das 0,5 Prozent von den 40000 Zwangsarbeiter.

Klußmann berichtet von einem typischen Schicksal: Ein russischer Junge, fast 17 Jahre alt, wird mit anderen jungen Leuten seines Dorfes von Deutschen in einen Güterwaggon gepfercht und in einwöchiger Fahrt nach Deutschland transportiert. Betroffen waren vor allem die Jahrgänge 1924 bis 1926, bis Herbst 1944 wuchs die Zahl sowjetischstämmiger Zwangsarbeiter in Kiel auf etwa 11000 an.

"Bitterkeit über die verlorene Jugend" sei in den Interviews immer wieder zu hören gewesen, sagt Jensen. In Kiel habe man die verschleppten Menschen für die Rüstung arbeiten lassen: Deutsche Werke AG, Germaniawerft und Howaldtswerke und Zulieferbetriebe.

Aber auch der Wohnungsbau etwa in Elmschenhagen und in Neumühlen-Dietrichsdorf ist mit Hilfe von Zwangsarbeitern realisiert worden. "Zwangsarbeiter waren in Kiel am Bau von U-Boot-Bunkern beteiligt", erklärt Klußmann, "zehn Prozent arbeiteten auch im öffentlichen Dienst." Vom Bunkerbau über Bahn und Post bis in das Opernhaus als Bühnenarbeiter reichten die Einsatzorte.

Das Forschungsprojekt wurde möglich, nachdem Jensen und Stadtpräsidentin Cathy Kietzer Spenden eingeworben hatten: Etwa 20000 Euro seien aus der Kieler Wirtschaft zusammen gekommen, so Jensen. Das "sehr kooperative Arbeitsamt" habe eine auf ein Jahr befristete ABM-Stelle mit der Option auf ein zweites Jahr ermöglicht.

Es habe aber auch das andere gegeben: Freundschaften, das heimliche Stück Brot vom Arbeitskollegen, das geschenkte Kleidungsstück. Im Lager "An der Schanze" habe die Kieler Gestapo am 3. und 4. Mai 1945 – vor dem Einmarsch britischer Truppen – Zwangsarbeiter in den Luftschutzstollen treiben wollen, um ihn zu sprengen. Dennoch wurde in einigen Antworten ehemaliger Zwangsarbeiter der Wunsch nach Versöhnung laut. bog




Kieler Nachrichten vom 20.11.2002

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"Arbeitserziehungslager Nordmark"

Beitrag von Leif » 28.01.2003 12:13

http://www.kn-online.de/htm/aktuell/kie ... nk_ART.htm

Stille Mahnung in Granit

Seit gestern erinnert ein Gedenkstein an die Opfer des "Arbeitserziehungslagers Nordmark" in Russee

Graue Mahnung an 578 Ermordete: die Stele am einstigen "Arbeitserziehungslager Nordmark" in Russee. Foto JKK

Kiel erinnerte sich gestern der Opfer des Nationalsozialismus: ökumenische Gedenkgottesdienste in St. Nikolai und in der Ansgarkirche, eine Erinnerungsveranstaltung im Kieler Schloss, eine Lesung Viola Roggenkamps im "Haus der Kirche" – und 13 stumme, in grauen Granit gemeißelte Namen. Sie stehen für sich und stellvertretend für die wenigstens 565 weiteren Opfer, die Mitte der 40er-Jahre von den Nationalsozialisten im einstigen "Arbeitserziehungslager Nordmark" (AEL) in Russee ermordet wurden. Dort mahnen seit gestern nicht mehr nur die Fundamente des "SS-Gästehauses" an die Schatten der Vergangenheit, sondern auch eine hohe Granitstele. Noch wirken die Lettern jung, hinter denen die Schicksale der 13 Zwangsarbeiter aus Schleswig-Holstein stehen, die die Gestapo als vermeintliche "Arbeitsbummelanten" oder "Arbeitsvertragsbrüchige" inhaftierte. Der schlanke Stein ist mehr als ein kleines Zeichen guten Willens: In ähnlicher Größe werden Anfang Mai, so Eckehard Colmorgen, Vorsitzender des "Arbeitskreises zur Erforschung des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein" (AKENS), hier drei weitere Stelen mit Emaille-Schildern aufgestellt werden. Die erste Stele kostete etwa 13000 Euro, finanziert von der Kommission der EU. Sie steht fast auf Fühlung mit dem wuchtigen Betonklotz, der einst zwei anderen längst verschwundenen Gedenksteinen Sockel war.
"Es gibt wohl keine andere Landeshauptstadt, in der sich die verantwortlichen Politiker so wenig um die Geschichte ihrer Stadt und insbesondere um die Geschichte der Nazi-Zeit ihrer Stadt gekümmert haben", kritisierte Colmorgen. Steinmetz Sepp Barth steht vor dem aus Schweden stammenden Stein, der 2,60 Meter in die Höhe ragt, und erklärt, dass der Stein "Aufrichtigkeit im Umgang mit der Vergangenheit" symbolisieren soll. Am gestrigen "Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus" erinnerte auch Kiels OB Norbert Gansel an die Häftlinge des "AEL Nordmark": Wenigstens 3771 Menschen waren hier eingesperrt worden. "Schlicht und eindrucksvoll" sei die Gedenkstätte geworden, sagte Gansel vor etwa zwei Dutzend Besuchern. "Der Betonsockel wurde vor wenigen Jahren bei Aufräumarbeiten auf dem ehemaligen Lagergelände gefunden", erinnerte Colmorgen. Damals sollten auf Initiative von Ratsherr Ulrich Erdmann die Mauerreste besser sichtbar werden. Colmorgen kündigte an, den Gedenkort durch drei weitere Stelen mit Emaille-Schildern zu komplettierten, die allerdings erst am 4. Mai gezeigt werden sollen.

Bei der "Gedenkveranstaltung für die Opfer des Holocausts" im Kieler Schloss wies Landtagspräsident Heinz-Werner Arens am Abend darauf hin, wie wichtig es sei, "auch die Täterseite zu betrachten, um zu verstehen, was zum Holocaust geführt hat", bevor Uwe Danker (Institut für Zeit- und Regionalgeschichte Schleswig) zwei Lebensläufe skizzierte: den des 23-jährigen Juden Josef Katz und des 44-jährigen Besatzungsverwaltungschefs Rigas, Hinrich Lohse. Der Erinnerung wurden gestern in Kiel Zeichen gesetzt. bog


Kieler Nachrichten vom 28.01.2003
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Beitrag von Leif » 04.02.2003 23:14

Hallo.
Wahrscheinlich schon vielen bekannt:

http://www.zwangsarbeiter-schleswig-holstein.de/

Leif

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