Abriss der Brücken im Freihafen

Verkehrsgeschichte - Bauwerke der Bahn, U-Bahn, S-Bahn etc.
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bismark

Abriss der Brücken im Freihafen

Beitrag von bismark » 26.02.2003 21:23

Liebe Lostplaces Mitstreiter,

bisher bin ich zwar noch nicht aktiv geworden. (War bisher nur bei der Bunkerbesichtigung am HBF dabei.) Aber nun denke ich es ist an der Zeit einen Aufruf zu starten.
Wie heute in der MOPO
(http://www.mopo.de/nachrichten/101_politik_26219.html )
steht will das Gruselkabinett das sich Senat nennen darf,
nach dem Durchdrücken der Europapassage (wieso habe ich nie eine Antwort auf meinen
Einspruch bekommen?) auf die halben Freihafen zuschütten indem alle alten Brücken
abgerissen und durch Dämme ersetzt werden sollen.
Das finde ich ziemlich :thumbdown: und macht mich :x
Schon jetzt ist der Freihafen vieler Lostplaces beraubt (Elbe II, HEW Heizwerk Neuhof).
Ich kenne mich nicht so mit den rechtlichen Möglichkeiten aus, aber vielleicht einer von Euch. Was kann an Einsprüchen vorbringen?
Hoffe auf regen Austausch.

DIRK

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MikeG
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Beitrag von MikeG » 26.02.2003 22:05

Moin!

Und das alles in der Hoffnung auf Olympia :(

Ich bin mir nicht sicher, ob da über den Denkmalschutz etwas zu machen ist. Vielleicht könnte jemand mit guten Beziehungen dahin mal ...?

Mike

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Käptn Blaubär
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Beitrag von Käptn Blaubär » 27.02.2003 00:03

MikeG hat geschrieben:Ich bin mir nicht sicher, ob da über den Denkmalschutz etwas zu machen ist. Vielleicht könnte jemand mit guten Beziehungen dahin mal ...?
Da braucht man sich wohl keine großen Hoffnungen zu machen. Das Problem ist einfach, daß solche Bauwerke in dieser Stadt keine Lobby haben - eher im Gegenteil. Bei der Hamburger Hochbahn läuft z.B. noch bis 2010 ein großangelegtes Programm zur Erneuerung der Strecken, von dem ebenfalls vor allem historische Brücken betroffen sind. Im August 1998 wurde als Auftakt der "Austausch" der Brücke Kajen als großes Spektakel und Volksfest inszeniert. Im Jahr 2000 wurde dann gleich die gesamte Viaduktstrecke zwischen Rödingsmarkt und Baumwall abgerissen und neu gebaut, in 2001 der Streckenabschnitt zwischen Mundsburg und Barmbek. Alle Bauten waren bis dahin seit der Eröffnung 1912 fast unverändert erhalten geblieben - jetzt sind sie weg und kaum einer hat sich beschwert. Die neuen Brücken haben mit der filigranen historischen Konstruktion nichts mehr gemein. Die Stadtansicht hat sich zum Teil drastisch verändert.

Ach ja: Das Denkmalschutzamt hatte dem Abriß nicht nur zugestimmt, sondern feiert diese Art der Streckenerneuerung auch noch als Erfolg. Schließlich konnte man immerhin durchsetzen, daß die neuen Brücken auch wieder aus Stahl gebaut werden. Die Hochbahn wollte eigentlich eine Betonkonstruktion (!).

Einer der wenigen kritischen Presseartikel zu diesem Thema fand sich in der Architekturzeitschrift "bauwelt". Die höchst passende Überschrift: "Denkmalschutz light".

Michael

Pettersson
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Beitrag von Pettersson » 27.02.2003 14:13

Hallo zusammen,

wenn in Hamburg Denkmalschutz und wirtschaftliche Interessen zusammenprallen hat der Denkmalschutz praktisch automatisch verloren. Ein gutes Beispiel, ist das Bürogebäude der HEW, dass Teil des alten Kraftwerkes Karoline war. Das Gebäude sollte unter Denkmalschutz gestellt werden (oder war es kurzfristig), kaum kommt die Messe Gmbh soll ein Teil des Gebäudes zugunsten der Messeerweiterung abgerissen werden.

Hier in Baden Württemberg ist das total anders. Die Baubehörden haben stets Angst vor dem Denkmalschutzamt, denn sobald ein Gebäude oder ähnliches unter Denkmalschutz gestellt wird, benötigt man eine Genehmigung zum Fensterputzen (etwas übertrieben aber passt schon :) ).

Gruß,
Torsten

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Käptn Blaubär
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Beitrag von Käptn Blaubär » 27.02.2003 20:06

Hallo!

Zur allgemeinen Sensibilisierung hier ein Zitat aus dem Buch "Schrittmacher des Fortschritts - Opfer des Fortschritts? Bauten und Anlagen des Verkehrs" von Jan Gympel, Band 60 der Schriftenreihe des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz:


"Stellen Sie sich vor, die Kirche würde dieses Konzept verkünden: Angesichts ihrer drängenden Finanzprobleme werde sie zahlreiche ihrer großen Gotteshäuser in Einkaufszentren umwandeln. Schließlich könne sie die Gebäude nicht mehr unterhalten, vielerorts sei die Bausubstanz gefährdet. Andererseits hätten sie ihre ursprüngliche Funktion verloren, außer an Heiligabend komme sowieso kaum jemand mehr. Dafür besäßen die Gebäude aber ein attraktives Äußeres und hätten meist eine exponierte Lage samt guter Verkehrsanbindung. Am Rande des neuen bunten Treibens könnte man ja Bet-Ecken (zeitgemäß "Praying Corners" oder "Salvation Centers") einrichten - natürlich mit angeschlossenem "Shop", in dem man Designerbibeln, Kaffeebecher mit Psalmen oder Handtücher mit dem Messias erhält. Auch die Kirche müsse mit der Zeit gehen. Auf diese Weise könnte man womöglich neue Zielgruppen erreichen, und im übrigen würden die stolzen Gebäude so wenigstens noch in irgendeiner Form ihrem ursprünglichen Zwecke dienen.

Oder die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten hätte vor, Sanssouci, das berühmteste aller Potsdamer Schlösser, optimal "auszubauen": Da das historische Gebäude dem Ansturm der Touristenmassen nicht gewachsen sei, aber die Hauptattraktion der wirtschaftlich gebeutelten Stadt darstellt, werde es abgerissen und durch ein dem Original ähnelnden Neubau in modernen Materialien ersetzt, für zigtausend zahlende Besucher täglich, viel mehr als jetzt.

Das alles halten Sie für undenkbar? Nun, wenngleich es fragwürdige Umnutzungen von Sakralbauten in Deutschland und anderen westlichen Ländern bereits gibt, wird die ruppige Entweihung von Kirchen doch in erster Linie mit kommunistischen Regimen assoziiert. Umwandlungen wie beim Leipziger Hauptbahnhof - der unter den Verkehrsbauten in Deutschland durchaus den Rang beanspruchen kann, den der Kölner Dom unter den Kirchen einnimmt - werden als großer Erfolg gefeiert. Und was im Falle von Schloß Sanssouci einen Proteststurm hervorriefe, geschieht gerade mit der weltberühmten und einzigartigen Wuppertaler Schwebebahn, dem ältesten straßenunabhängigen elektrischen Verkehrsmittel Deutschlands: Abriß und Neubau zwecks Erhöhung der Leistungsfähigkeit, wobei zum Teil das alte Aussehen nachempfunden wird.

Wozu diese Vergleiche? Weil sie das Hauptproblem historischer Verkehrsbauten deutlich machen. Noch immer wird ihnen von der breiten Öffentlichkeit ein geringerer Wert zugestanden als Kirchen oder Schlössern, Burgen oder Rathäusern - also jenen Bauten, deren Denkmalcharakter allgemein anerkannt ist. Den Wandel, der sich innerhalb der letzten Jahrzehnte im Denkmalverständnis vollzog, hat die Öffentlichkeit nicht mitgemacht. Einen historischen Wert messen die meisten Menschen einem Bahnhof oder einer Brücke, einem Hafenspeicher oder einem Wagendepot allenfalls dann bei, wenn das Objekt schön verschnörkelt ist. Bei Bauten der Klassischen Moderne und den anderen Architekturrichtungen der Zwischenkriegszeit wird es schon schwieriger, Verständnis und Engagement zu wecken. Bei Anlagen aus der momentan mehr oder minder mißachteten Nachkriegszeit ist es nahezu aussichtslos."

Genau das ist auch hier das Problem.

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