Stevnsfort - Kalter Krieg in Dänemark

Militärische Objekte und Anlagen ab 1945
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DirkM
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Stevnsfort - Kalter Krieg in Dänemark

Beitrag von DirkM » 16.10.2011 17:04

Moin, moin!

Der Verein Hamburger Unterwelten hatte Anfang Oktober eine Ausfahrt nach Dänemark gemacht, um dort zwei Festungen zu besuchen. Im Forumsbereich vor 1933 wurde schon mal kurz auf das Stevnsfort verwiesen, da diese Anlage aber aus den 1950er Jahren stammt, beginne ich hier noch mal einen neuen Thread. Ich möchte Euch soviele Infos mitteilen, wie ich von der Führung behalten habe. Auch Photos von der Besichtigung. Dabei gab es leider ein Problem. Trotz bester Vorbereitung, ich kaufte mir sogar einen professionellen Photorucksack (mit Halterung für das Stativ, Notebookfach etc.), konnte ich kein einziges, wirklich vernünftiges Photo machen, da ich den Akku für die DSLR im Wohnzimmer liegen gelassen habe. :megawut:
Also, blieb mir nichts anderes übrig, als mit der Kamera meines Handys Bilder zu machen. Ich hoffe sie reichen um einen Eindruck zu vermitteln. Leider gibt das iPhone 3GS nur 1,5 MP her. :(

Nach dem wir nun alle gelacht haben, gehts zum Fort:

Das Stevnsfort wurde in den 50er Jahren gebaut, um als Schutz gegen eine eventuelle russische Invasion in Seeland zu fungieren. Vor allem wurde diese Schutz gewährleistet durch Führung, Luftabwehr (Nike, später Hawk) und zwei besondere Küstenbatterien. Hierbei handelt es sich um Geschütze der Mittelartillerie des deutschen Kriegsschiffs Gneisenau. Die Geschütze (15 cm) wurden durch die deutschen Besatzungstruppen im dänischen Abschnitt des Atlantikwalls an der dänischen Westküste installiert.
Als die Entscheidung zum Bau des Stevnsfort gefallen war, erinnerte man sich an diese Geschütze und transportierte sie dann nach Seeland. Diese Geschütze hatten die Aufgabe Seeziele zu bekämpfen. Mit einer Reichweite von 23 km waren sie dafür gut geeignet. Ebenfalls sollten diese beiden Geschütze (jedes mit Doppellafette, also zwei Rohren) die vermuteten Landeplätze der Russen, im Falle der Anlandung von Truppen, unter Beschuss nehmen. 5 Schuss pro Minute waren durchaus möglich. Eines der Geschütze kann während der Führung sogar betreten werden, was durchaus ein Erlebnis ist.
Ein drittes Geschütz (155mm) steht im hinteren Teil der Festung. Dieses ist allerdings nicht zur Bekämpfung von Zielen gedacht, sondern mit ihm wurden Magnesiumgranaten zur Gefechtsfeld- und Seezielbeleuchtung verschossen.
Vor allem sollte das Fort zur Flugabwehr genutzt werden. Vom Fort aus wurden Hawkbatterien in stets wechselnde Stellungen in der Nähe verlegt. Ihr Einsatz wurde vom Fort aus überwacht. Zu diesem Zweck befinden sich dort viele Radaranlagen. Unter anderem auch Zielverfolgungsradare. Die Besatzung der Batterien mussten innerhalb von 5 Minuten feuerbereit sein, denn die Flugszeit von Mecklenburg-Vorpommern bis Seeland ist, wie sich jeder denken kann, sehr kurz. Die NVA-Lw flog täglich auf das Stevnsfort zu, um die Einsatzbereitschaft der Dänen zu prüfen.
Sorgen machte man sich im Fort erst dann, wenn länger keiner kam, da man dann vermutete, dass der Feind seine Kräfte möglicherweise für den Ernstfall sammelt.
Zusätzlich zu diesen Aufgaben, war das Stevnsfort MarinedistriktHQ der königlich dänischen Marine. Dieses HQ gelangte zu Weltbedeutung während der Kubakrise. Die positive Identifizierung von Raketen an Bord der russischen Schiffe wurde von dänischen Einheiten herbeigeführt, die vom Stevnsfort aus geführt wurden.
Das HQ und die Hawkbatterien wurden 2001 aufgelöst. Zu diesem Zeitpunkt wurden auch die Geschütze der Gneisenau zum letzten Male abgefeurt.

Die Festung wurde in Kalkstein gebaut. 400 Arbeiter trieben "von See aus" die bis zu 1,7 km langen Gänge in den Kalkstein. Dazu wurden Luftdruckbohrer verwendet. Die Festung wurde von See aus aufgezogen, um dem Feind im Osten die Aufklärung zu erschweren und auch die Geheimhaltung gegebüber der eigenen Bevölkerung aufrecht zu erhalten.
Die Anlage liegt ca. 18 m unter der Erde. Sie kann per Treppe oder Lastenfahrstuhl erreicht werden. Die Anlage ist ABC-Sicher und wurde im Alarmfall mit insgesamt 300 Mann besetzt. Lediglich die Offiziere und die Besatzungen der Geschütze (2x32 Mann) hatten eigene Betten. Das restliche Personal hätte auf den Gängen schlafen müssen.

Im Außenbereich des Forts kann man auch noch Gerät aus dem Kalten Krieg besichtigen. So stehen dort ein Centurion Panzer, ein Leopard 1, Ladefahrzeuge für die Hawk-Raketen, MTW 113, mehrere Radaranlagen, FüFz, FlAbw-Waffen, Hawkbatterien etc.
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Zuletzt geändert von DirkM am 16.10.2011 18:43, insgesamt 2-mal geändert.
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Beitrag von DirkM » 16.10.2011 17:08

Hier noch weitere Bilder!
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Beitrag von DirkM » 16.10.2011 17:11

Und noch ein paar Bilder!
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Beitrag von klaushh (†) » 16.10.2011 17:55

Moin, moin!

Danke Dirk für den ausführlichen Bildbericht.
Nachstehend eine kleine Korrektur bzw. Ergänzung zum 1. Beitrag, 3. Absatz:

Panzerschiffe (vom Ausland als Pocket Battleships bezeichnet) waren "Drutschland" (später "Lützow"), "Admiral Graf Spee" und "Admiral Scheer". Ab Februar 1940 wurden sie als Schwere Kreuzer bezeichnet.

"Scharnhorst" und "Gneisenau" wurden in der ersten Zeit auch noch als Panzerschiff bezeichnet, doch bereits ab Baubeginn 1935 (unmittelbar vor Abschluß des deutsch-britischen Flottenabkommens)führten sie nur noch die Bezeichnung Schlachtschiff, die sie bis zu ihrem Ende beibehielten.

"Scharnhorst" und "Gneisenau" verfügten über keine 155 mm Geschütze, sondern 15 cm SK L/55 in Zwillings- und Einzellafetten. Also müssen die Geschütztürme in Stevnsfort auch 15 cm Rohre haben, oder wurden diese später durch 155 mm Rohre ersetzt?

Gruß
klaushh
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Beitrag von DirkM » 16.10.2011 18:35

Stimmt Klaus!

Es waren 15cm Geschütze. Du hast Recht. :-)

Noch eine kleine Ergänzung zur Gneisenau:

Die Geschütze wurden in den Atlantikwall integriert, nachdem der Gneisenau der Kanaldurchbruch Richtung Deutschland gelang, nachdem sie länger in Frankreich gelegen hat.
Die Schäden die die Gneisenau erlitten hatte, wurden als so schwer eingestuft, das eine Reparatur des Schiffes verworfen wurde.
Die Geschütze wurden demontiert und dann in den Atlantikwall integriert.
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Beitrag von klaushh (†) » 16.10.2011 22:44

Moin, moin!

Dieses ist zwar kein Marineforum, da aber die Geschütze der Gneisenau später für den Festungsbau verwendet wurden, hier noch ein paar Ergänzungen:
Nach einem Minentreffer beim Kanaldurchbruch im Februar 1942 lief die Gneisenau zur Reparatur nach Kiel. Hier wurde sie, im Ausrüstungshafen der Deutschen Werke liegend, am 26./27.2.1942 bei einem britischen Luftangriff schwer beschädigt. Daraufhin wurde sie am 4.4.1942 zur Reparatur nach Gotenhafen geschleppt und hier am 1.7.1942 außer Dienst gestellt.
Danach kamen die beiden ausgebauten 28-cm Drillingstürme nach Norwegen (wohin?) und die 15-cm Geschütze nach Wangerooge (möglicherweise nicht alle 12 Rohre) (Quelle: Breyer: Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer 1905 - 1970).
Auf alle Fälle müssen einige der Zwillingstürme letztlich in Stevnsfort / Dänemark gelandet sein.
So wurde die ges. schwere Artillerie eines Schlachtschiffes schließlich ausgebaut und an Land eingesetzt.

Gruß
klaushh
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Beitrag von katschützer » 17.10.2011 19:40

Frage am Rande: Die Schiffsartillerie hat doch Kartuschen-Mun verschossen, die ja auch zu sehen ist. Aber wofür war denn die patronierte Mun auf dem Bild (mit der Ex-Granate)? Sieht ein wenig nach Pak o.Ä. aus, zumindest weniger als 15cm.

MfG
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Beitrag von zulufox » 17.10.2011 19:57

katschützer hat geschrieben:Frage am Rande: Die Schiffsartillerie hat doch Kartuschen-Mun verschossen, die ja auch zu sehen ist. Aber wofür war denn die patronierte Mun auf dem Bild (mit der Ex-Granate)? Sieht ein wenig nach Pak o.Ä. aus, zumindest weniger als 15cm.

MfG
Hallo Katschützer,

so ausschließlich kann die Aussage nicht stehenbleiben:
2cm
3,7 cm
7,5 cm
8,8 cm
10,5 cm
verschossen Patronenmunition, erst ab 15 cm wurde getrennt zu ladende Munition mit Hülsenkartusche verwendet.

Quelle:
Ian Hogg
Deutsche Artilleriewaffen im Zweiten Weltkrieg
Motorbuchverlag Stuttgart, 1. Auflage 1978
ISBN: 3-87943-504-9

besonders das Kapitel Küstenartillerie

MfG
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"Nichts ist leichter als Selbstbetrug, denn was ein Mensch wahrhaben möchte, hält er auch für wahr."

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Beitrag von DirkM » 17.10.2011 20:31

Also nach Aussage des Guides wurden die Geschütze mit Granaten und getrennten Treibladungen bestückt.
Ich vermute das die Granaten lediglich der musealen Präsentationen dienen. Möglich ist aber auch das sie
für Flak-Geschütze verwendet wurden, die zu Anbeginn des Dienstbetriebs des Forts genutzt wurden.
Leider fanden sich keine Infos beim Ausstellungsstück und ich habe leider versäumt zu fragen. :oops:
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Beitrag von katschützer » 18.10.2011 00:41

katschützer hat geschrieben:Die Schiffsartillerie ... zumindest weniger als 15cm.
Das meinte ich im Sinnzusammenhang, war wohl nicht erkenntlich :oops:

@Dirk

Flak könnte natürlich gut hinhauen, da sagst was...

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