SH: LSE von Schenefeld bis Pinneberg (geplant bis Elmshorn) angeblich nur für die Evakuierung Hamburgs gebaut

Militärische Objekte und Anlagen ab 1945
Deichgraf63
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SH: LSE von Schenefeld bis Pinneberg (geplant bis Elmshorn) angeblich nur für die Evakuierung Hamburgs gebaut

Beitrag von Deichgraf63 » 06.12.2016 13:11

Hallo,
heute erschien im Hamburger Abendblatt ein Artikel über die LSE und die Lärmbelastung in Schenefeld: Link
Auszug aus dem Artikel:
"Hintergrund des Bauprojekts sei die Überlegung gewesen, das benachbarte Hamburg im Falle eines vom Ostblock initiierten Militärangriffs möglichst schnell evakuieren zu können. Auch für Flugzeuglandungen im Kriegsfall sei die Straße angedacht gewesen. Offiziell bestätige das heute niemand mehr, aber so sei das Bauvorhaben hinter verschlossenen Türen gegenüber der Kommunalpolitik begründet worden. Gerd Lohmann, einst Parteichef der CDU in Schenefeld, kennt diese Version ebenfalls: "Ja, das habe ich auch so gehört."

Die Straße sollte bei Appen die Pinnau überqueren zwischen Tornesch und Uetersen bis Elmshorn gehen.
Südlich von Elmshorn waren gleich zwei Querungen über die Krückau vorgesehen.
Irgendwo habe ich Karten mit den Planungen, auch eine völlig neue Nord-Südstrecke von Elmshorn bis Ulzburg war geplant.
Falls ich fündig werde, reiche ich das nach.

Zu dieser Planung könnte auch die sogenannte Ortsumgehung Eidelstedt gehören, sowie die Pinneberger Umgehungsstraße sowie der vierspurige Ausbau durch Rellingen und Halstenbek etwas später, zunächst noch mit Ampeln.
In dem Zusammenhang fällt mir noch ein, dass man damals für die Brücke Hauptstraße über die Umgehung in Rellingen einen Belastungstest mit einem oder mehreren Panzern durchgeführt hat, den Artikel mit Foto aus dem PT habe ich noch gut in Erinnerung.
Diese Eidelstedter Umgehung war damals nur sehr gering befahren und machte wenig Sinn, da die normale Strecke von Pinneberg nach Hamburg weiterhin auf der alten Trasse durch Krupunder bis zum Eidelstedter Marktplatz führte.
Mit dem Fahrrad schaffte ich es damals von Pinneberg-Nord (Ortsgrenze Prisdorf) bis zur Spitaler Straße in unter einer Stunde, so gering war da noch der Verkehr.
Von einer Autobahn 23 sprach da noch niemand, der Verkehr dafür war längst nicht da.
Auch der Bau der S-Bahn nach Pinneberg 1967 könnte damit zusammenhängen.

Auf alle Fälle ist es ein spannendes Thema, finde ich.
Kurios dabei: Meine allererste Freundin wohnte damals in Pinneberg und ihr Vater war Bauingenieur beim Kreis Pinneberg und für die Planung der LSE verantwortlich.

MfG Deichgraf63

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Beitrag von MikeG » 06.12.2016 14:17

Moin!

Keine Frage, klingt ja interessant. Aber ...

Ich bin ein großer Freund von Primärquellen (zu denen Zeitungsartikel dieser Art eher nicht zählen...) - Erzählungen, Überlieferungen und Vermutungen bringen da eher wenig. Traurig genug, dass Journalisten so etwas dann ungeprüft verbreiten.

Schleswig-Holstein wäre im Kriegsfall eines der wahrscheinlichen "Einfallstore" für die WP-Truppen gewesen. Da erscheint es mir wenig sinnvoll, Zivilisten ausgerechnet mitten in ein wahrscheinliches Kampfgebiet zu "evakuieren" bzw. dies so zu planen.

Eine Nutzung als Start-/Landebahn dürfte kaum in Frage kommen. Dafür gibt es klare technische Randvorgaben für Beschaffenheit, Breite, Neigung etc.. Nachzulesen in meinem Artikel über NLP-Str.

Mit anderen Worten: Ich bin da extrem skeptisch.

Mike

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Beitrag von Deichgraf63 » 06.12.2016 14:49

Hallo,
im Stadtarchiv Elmshorn gibt es Karten für die Planungen aus der damaligen Zeit.
Wenn man sich den Verkehrsbedarf von damals anschaut, machten so umfangreiche Planungen von Straßen eigentlich kaum einen Sinn.
Besonders die zwei Krückau Querungen südlich von Elmshorn.
Zudem baute man die Sperrwerke an Pinnau, Krückau und Stör mit überbreiten Brücken, auch für die Feuerwehr etc. sicher zu groß.
Für Militärbewegungen aber wohl mehr als ausreichend.
Damals war die Zahl der Einpendler nach Hamburg gering, Elmshorn beispielsweise hatte mehr Arbeitsplätze, als die eigene Bevölkerung decken konnte.
Was die "Primärquellen" angeht, sind die Menschen vermutlich fast alle verstorben.
Dass die Geschichte ein "Fake" ist, glaube ich eher nicht.
In irgendwelchen Archiven könnte man vermutlich fündig werden, vermute ich.
MfG Deichgraf63

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Beitrag von Godeke » 06.12.2016 14:51

Hallo :),

den verlinkten Artikel kann man leider nicht lesen, da er kostenpflichtig ist.

Irgendeine Primärquelle hätte ich auch gerne gelesen. Die Aufenthaltsregelungen im V-Fall während des Kalten Krieges hatten als obersten Grundsatz "Stay put", also "Bleib, wo Du bist". Eine Evakuierungsorganisation bestand allenfalls auf dem Papier, aber nicht in der Realität. Auf den entsprechenden Übungen auf Bundesebene wurde das Thema immer ausgespart.
...und jetzt noch mal schnell zu www.thw-lueneburg.de , der aktuellen Seite mit News aus der wunderbaren Welt des Helfens!

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Beitrag von Deichgraf63 » 06.12.2016 15:13

Über Google kommt man an den Artikel kostenfrei ran:
https://www.google.com/?gws_rd=ssl#q=CD ... de+bringen
Ich habe von damals den Begriff "Stay at home" in Erinnerung und dazu etwas gefunden:
GoogleBooks

Demnach waren wohl sehr wohl auch Evakuierungen der Zivilbevölkerung geplant.
Es ist anzunehmen, dass die Menschen auch ohne Aufforderung geflohen wären.
Die Erinnerungen an den "Iwan" im Zweiten Weltkrieg waren ja auch noch sehr frisch.

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Beitrag von Godeke » 06.12.2016 15:40

Hallo:),

ich will mich hier nicht über Worte streiten, aber solche Papiere auf höchster Ebene, bei denen "geplant" wird, hatten in der Realität keine Auswirkungen. Verantwortlich für die Durchführungen der konkreten Maßnahmen waren die Länder und regional vor Ort die Kommunen. Und dort wurde das Thema "Lenken und Betreuen von Bevölkerungsbewegungen" nicht weiterverfolgt. Der dafür vorgesehene ZS-Fachdienst "Betreuungsdienst" wurde praktisch nicht aufgestellt und ausgebildet, es blieb bei kleinen Rumpfeinheiten, personeller Unterbesetzung und genereller Unterfinanzierung. Eine Einweisung in die wirklichen Aufgaben gab es kaum, statt dessen wurden Kirchentage und ähnliche Großveranstaltungen bekocht.

Der Hinweis, dass sich Bevölkerungsteile auch ungeordnet und ungeplant auf den Weg gemacht hätten, als Grundidee für den Strassenbau heranzuziehen, greift nicht. Wenn ich verhindern will, dass etwas ungeplant passiert, dann baue ich den Leute ja keine extrabreiten Straßen dafür.
...und jetzt noch mal schnell zu www.thw-lueneburg.de , der aktuellen Seite mit News aus der wunderbaren Welt des Helfens!

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Beitrag von turul » 06.12.2016 17:35

Godeke hat geschrieben:...dort wurde das Thema "Lenken und Betreuen von Bevölkerungsbewegungen" nicht weiterverfolgt. Der dafür vorgesehene ZS-Fachdienst "Betreuungsdienst" wurde praktisch nicht aufgestellt und ausgebildet, es blieb bei kleinen Rumpfeinheiten, personeller Unterbesetzung und genereller Unterfinanzierung.
Hallo,

dem ist nur unumwunden zu zustimmen. Das "Lenken von Bevölkerungsbewegungen" war das absolute Stiefkind beim Zivilschutz.
Im Bundesdurchschnitt standen zur Verfügung (Stand 1979):
- Ein Betreuungszug (28 Zivilschützer, Kapazität 3 Feldküchen) für jeweils 585 000 Einwohner;
- ein Betreuungsleitzug (32 Zivilschützer) zum Sammeln und Weiterleiten von Flüchtlingen) für 787 000 Einwohner.
Quelle: Bundesministerium des Inneren, Zivilschutz heute, Bonn 1980, S. 72.
Als Vergleich: Die Bundeswehr hatte damals bei einem Friedensumfang von 495 000 Soldaten für Leit- und Lenkungsaufgaben im weiteren Sinne beim Aufmarsch etwa 3 000 Feldjäger zur Verfügung.

Ähnlich dürftig war auch die Vorschriftenlage.
Die HDv 100/500 – Das Heer in der militärischen Landesverteidigung – Bonn, September 1981, Nr. 811 f. sagt zu den Flüchtlingsbewegungen. "Zur Lenkung größerer Fluchtbewegungen haben die Behörden der zivilen Verteidigung Auffanglinien ... vorgesehen. .. Wenn die Lage es zuläßt, werden die Zivilpersonen zur Rückkehr in ihre Wohngebiete veranlaßt.“
Nr. 812. „Feldjäger können den Auftrag erhalten, die Polizei bei der Lenkung von Bevölkerungsbewegungen zu unterstützen.“
Sucht man daraufhin in den damals geltenden einschlägigen Vorschriften der Feldjägertruppe findet man nichts, keinen einzigen konkreten Satz, wie den das Lenken der Bevölkerung geschehen soll, wie die Leute versorgt werden sollen usw.

Grüße
Jörg

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Beitrag von Deichgraf63 » 15.12.2016 17:16

Hallo,
ich habe noch etwas dazu gefunden: http://www.cdu-schenefeld.de/jahrhundertproblem-lse/
Offenbar gab es zumindest 2014 noch diese "Zeitzeugen", die Auskunft über die angeblichen Gründe für den Bau dieser Straße geben können.
Auf dieser Internetseite gibt es die Möglichkeit, einen Kommentar zu hinterlassen, also nach Quellen für die These zu fragen.

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Beitrag von Djensi » 16.12.2016 08:44

Moin,

wenn die Zeitzeugen nicht aus Arbeitsbereichen stammen, die mit der direkten Planung zu tun gehabt haben,sind dieses auch keine, wie Mike so schön schrieb, "Primärquellen".

Ich bin in den 80ern in Pinneberg stationiert gewesen und hatte mich mit meinem damaligen Kompanie-Spieß über die LSE unterhalten. Auch er war keine Primärquelle, wußte aber um die militärische Bedeutung der Straße.
Unter dem Begriff Westumgehung Pinneberg - oder umgekehrt - findet man einige Quellen zu dieser Straße. Auch die Vermutung, dass Schleswig-Holstein bereits Ende der 40er Planungen für div. Autobahnen hatte. Die Vermutung liegt nahe, dass LSE allenfalls ein Arbeitstitel gewesen ist, letztendlich aber schon zu Zeiten des kalten Krieges zu einer gekappten Umgehungsstraße "verkommen" ist. Hätte irgendeine übergeordnete militärische oder zivilschutzrechtliche Organisation ein tatsächliches Interesse zum (Weiter-)Bau dieser Straße gehabt, wäre es sicher dazu gekommen. Dann hätten sich kommunale Politiker nicht mit der Finanzierbarkeit so intensiv auseinandersetzen müssen. Zu beachten ist auch das Stückwerk der Planung für die LSE. Eine "Sekundärvermutung" von mir ist, die Planung generiert sich offenbar aus Einzelverkehrsplanungen, eine Zusammenhangsplanung (außer vielleicht politischen Absichtserklärungen in Zeitungsarchiven) war nicht zu finden. Die Stadt Pinneberg hatte und hat eine Planung zur Westumgehung und auch die Stadt Elmshorn hat in den 70er-Jahren einen Schubert-Generalverkehrsplan für die Stadt Elmshorn, der eine Westumgehung vorsah.

Noch ein Link mit lückenhafter Chronik: http://www.pinneberger-westumgehung-jet ... &pageid=11

Grüße
Djensi

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Karte mit geplantem Verlauf der LSE bis Stadtrand Elmshorn.

Beitrag von Deichgraf63 » 16.12.2016 13:53

Hallo,
der Begriff "LSE" war kein Arbeitstitel, sondern beinhaltete die konkrete Planung einer vierspurigen Schnellstraße bis an den Ortsrand von Elmshorn.
Gebaut werden sollte in Abschnitten.
Das erste Teilstück ging bis zum Wedeler Weg, das Planum samt Brücken war für eine vierspurige Trasse ausgelegt, heute noch gut erkennbar.
Allerdings verengte sich die Straße ab Waldenau auf zwei Spuren.
Ich tippe auf Finanzierungschwierigkeiten: die Brücke Schenefelder Landstraße stand schon Jahre, bevor die Straße darunter dann befahrbar wurde.
Das bedeutete aber nicht, dass man die Planungen frühzeitig "gekippt" hatte, auch der später notwendige Ersatzbau der Brücke Schenefelder Landstraße (Brückenschäden) hatte wieder die ursprüngliche Breite.
Mit der Pinneberger Westumgehung hatte diese Straße zunächst direkt nichts zu tun.
Die Umplanung und der Verzicht auf den Weiterbau bis Elmshorn geschah erst viel später.
Meiner Erinnerung nach waren die Grünen etc. gegen den Weiterbau durch die Pinnauniederung.
Ein teilweise Verlegung des Gewässers wäre vermutlich erforderlich gewesen.
Über den Verlauf der LSE bis Kurzenmoor habe ich eine alte Karte gefunden.
Es gab auch Pläne, wie es ab dort weitergehen sollte: Da suche ich noch die passenden Unterlagen vom Großraum Elmshorn.
MfG Deichgraf63

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