Festung Friedrichsort - Kiel

Militärische Objekte des Ersten Weltkriegs, der Kaiserzeit etc.
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zacki

Festung Friedrichsort - Kiel

Beitrag von zacki » 19.08.2002 18:45

Moin Moin,
8)
ich war letzte Woche in Kiel-Friedrichsort. Man kann dort einer Sackgasse folgend bis zum Strand kommen. Am Ende stößt man auf die Festung. Außen am Zaun befindet sich eine Luftbildaufnahme (für Bunkerfans) auf welcher der gesamte Komplex zu sehen ist. Entweder hatte ich das schon vergessen oder was ... da stand Festung. Die Anlage wird noch von Y-Tours benutzt und hat sehr große Bunker- bzw Befestigungsanlagen. Auf der rechten Seite der Einfahrt hat man wieder vergessen Bäume zu pflanzen - ich weiß, ich weiß das hätte man doch wissen müßen- das so was nich tun kann. Alles ist so schön eingewachsen nur da nicht.
Damit ich hier nicht Fragen stelle , ob jemand was hierüber weiß habe ich man schnell folgendes raus gekriegt:

Stadtteil Friedrichsort


Der Stadtteil Pries-Friedrichsort im Wandel der Geschichte
Der heutige Kieler Stadtteil Friedrichsort entstand aus der ehemaligen dänischen Festung Friedrichsort und dem ehemaligen Bauerndorf Pries. 1865 erhielt Friedrichsort das erste Mal eine Zivilverwaltung, bis dahin lag die Administration in den Händen des jeweiligen Festungskommandanten. Schritt Für Schritt entwickelte sich von da an Friedrichsort , wie wir es heute kennen. Es lebten zwar schon immer auch Zivilisten in der Festung, z.B. Angehörige und Handwerker, aber erst 1890 gab es mehr Zivilisten als Soldaten.

In den Jahren 1869 bis 1890 entstand außerhalb der Festung eine schachbrettartig angelegte Siedlung. Anfangs dienten die Gebäude noch militärischen Zwecken, denn Friedrichsort war inzwischen Garnisonsort. Der Grund für die Zunahme der Zivilbevölkerung lag nicht nur an den Arbeitsplätzen in der Garnison, sondern seit dem Jahr 1890 zog vor allem die aufstrebende Friedrichsorter Rüstungsindustrie Menschen an. Ab 1881 wurden in Friedrichsort Torpedos hergestellt. Nachdem dem Deutschen Reich nach Ende des Krieges die Herstellung von Torpedos verboten war, wurde die Produktion unter großen Mühen auf zivile Produkte umgestellt. Das Werk hieß nun Deutsche Werke Kiel AG. Die hergestellten Produkte (Milchkannen, Feuerzeuge, aber auch Schiffshilfsmaschinen und Lokomotiven) fanden kaum Käufer.

Das Jahr 1900 bedeutete einen Wendepunkt für den Stadtteil Pries-Friedrichsort. Bis zu diesem Jahr wurden hauptsächlich militärische Einrichtungen in Friedrichsort errichtet. Die private Bautätigkeit war so gut wie nicht vorhanden. Durch die militärische Industrie boten sich gute Arbeitsgelegenheiten; aus ganz Deutschland zogen Handwerker und Fachleute in den kleinen Küstenort. Durch den Zufluss der Arbeiter entstand eine große Wohnungsnachfrage, private Bauherren kamen dieser Nachfrage gerne nach, Wohnungen wurden gebaut und vermietet.

In der Mitte des 1. Weltkrieges gründete die Bevölkerung von Pries-Friedrichsort die BGE (Bau Genossenschaft Eigenheim), der Initiator und Mitgründer war der legendäre Pastor Carl Lensch. Dieser Zusammenschluss sollte den Traum von einem eigenen Eigenheim erhalten. Der Krieg zehrte an den Kräften der Menschen. Hinzu kam der harte Winter (Rübenwinter). Die Offiziersfamilien in Friedrichsort wurden gut mit Nahrungsmitteln versorgt, während die Arbeiterfamilien hungerten. Die Arbeiter und die Marinesoldaten hatten sich nicht nur deshalb von der Kirche entfernt. Sie waren größtenteils Anhänger der Sozialdemokraten und Kommunisten geworden. So wurden sie 1918 zu einer treibenden Kraft der Revolution. Sie arrestierten z.B. den Bruder des Kaisers kurzfristig im Fort Herwarth (heute WECO). Durch Eigenheime sollten sie an den Staat gebunden werden.

Die Anzahl der Beschäftigten der TW (Torpedowerkstatt) stieg während dieser Zeit von 1000 Beschäftigten auf über 6000. Um diesen enormen Arbeitsanstieg zu bewältigen wurden Zuwanderer angeworben. Der Wohnungsmarkt sah zu dieser Zeit nicht gut aus und konnte der Nachfrage nicht standhalten. Sofort nach dem Krieg begannen die Menschen mit dem Bau von Eigenheimen.

Im Jahr 1935 wurde die allgemeine Wehrpflicht eingeführt und die Rüstungsproduktion wurde angekurbelt. Die DWK in Gaarden und Friedrichsort hatte versucht sich auf zivile Produktionen einzustellen. Es fehlte aber weitgehend das Know-how der Vermarktung. Ab 1926 wurden in Friedrichsort wieder Torpedos hergestellt. Nach 1935 stiegen die Produktionszahlen durch Rüstungsaufträge explosionsartig in die Höhe. Wieder zogen Handwerker und Fachleute in den Norden. Die schon kritische Wohnsituation wurde zur Wohnungsnot. Zuerst dachte man an Baracken als Übergangslösung, doch die DWK begann mit einem Bauprojekt, das Belegschaftsmitgliedern Wohnungen mietgünstig anbot.

In Friedrichsort wurden vor allem bei den Deutschen Werken und der Marine über 3000 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter/innen ausgebeutet. Sie waren in mehreren Lagern zusammengepfercht. Einige Pries-Friedrichsorter steckten ihnen unter Lebensgefahr Nahrungsmittel zu, damit sie nicht verhungerten.

Nach der Befreiung vom Faschismus (1945) herrschte wieder große Not, weil in Friedrichsort wieder - wie vor und während des ersten Weltkrieges - alle Produktionen mit der Rüstung und dem Militär zu tun gehabt hatten. Hinzu kamen die entlassenen Zwangsarbeiter/innen, Kriegsgefangenen, KZ-Häftlinge, Ausgebombte, Flüchtlinge und Vertriebene. Viele mussten in den Lagern wohnen. Das letzte wurde 1970 aufgelöst. Der Wohnungsmarkt war restlos überlastet. Ställe, Garagen und alte Kasernen dienten als Behelfsheime. Der Bauwirtschaft fehlten die Mittel um zu helfen. Die Demontage der Industrieanlagen zog die Moral der Bevölkerung noch weiter in den Keller.

Ende der 40er änderte sich schlagartig die Situation. Der Ost-West-Konflikt brachte die BRD auf die Seite des Westens. Die Demontage wurde gestoppt und mit dem Marshall-Plan begann der Aufbau des Landes wieder. Das European Recovery Program brachte der BRD 4,2 Mrd. US-Dollar. Mit Unterstützung der USA wurde durch Ludwig Erhard die soziale Marktwirtschaft eingeführt. Auch der Stadtteil Friedrichsort profitierte davon. 1948 wurde die MaK (Maschinen aus Kiel) mit Mitteln des ERP gegründet. Besitzer, Rechtsformen und Produktionsbereiche wechselten häufig. Als Produktionssäulen entwickelte sich der Bau von Kriegsgeräten, Lokomotiven und Dieselmotoren. In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden wieder vermehrt Rüstungsprodukte hergestellt. Zugleich wurden Gastarbeiter, vorwiegend aus der Türkei, angeworben. Viele von ihnen und ihre Familien sind in Friedrichsort heimisch geworden.

Ab dem Jahr 1955 begann ein großer Bauboom, die Bauwirtschaft hatte sich erholt. 1974 wurde auch unsere Schule, die IGF, fertiggestellt. Die Wohnungsnachfragen konnten alle befriedigt werden. Die Arbeiter-Kolonie wurde komplett saniert. Durch viele weitere Sanierungen veränderte sich das Stadtbild immer weiter und ist zu dem geworden, was es heute ist. Durch die expandierende Geschäftswelt ist Friedrichsort ein Gebiet geworden, welches Menschen aus der Umgebung anlockt, damit sie hier ihre Geschäfte tätigen können.

Verfasser: Karsten Fritz / Jens-Georg Fischer


Ich möchte nicht das Lob hierfür habe es mehr als lohnedes Ziel zu Anschauen reingesetzt.

Wer kann noch etwas ergänzen - da wo z.B.Bäume stehen müßten (heute höflich)

Mfg
Zacki der mit dem Baumtick - wenn Taucher auf Bäume(war keine Palme) gehen.


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Leif
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Reinkommen

Beitrag von Leif » 19.08.2002 20:34

Ab und zu gibt es die Möglichkeit der Besichtigung. Wenn diese sich mal wieder bietet, schreib ich es rein. Es gibt einige gute Bücher zu dem Thema. Wie der Stand der Übergabe von der Bundeswehr ist, kann ich zur Zeit nicht sagen. Ich habe in Kiel die Kasemattenpläne rumfliegen, bei Interesse kann ich sie zum Treffen in Lübeck mitbringen. Um Kiel gibt es noch so einige geschliffene Festungen, eine ca. 600 m von Fr'ort.
Viele Grüße,
Leif

zacki

habe noch mehr gesehen

Beitrag von zacki » 20.08.2002 18:32

Hi,
vielen Dank für deinen Beitrag.
Wir waren vorher auf Parkplatzsuche nördlich Anlegers Falkenstein.
Vor den Camping geht im Wald ein Weg Richtung Wasser dort findet man noch 8x8 m große Fundamentreste aus Beton und umgekippte Betonwände. Das ganze ist so 5m vom Waldrand und ca 20m zum Wasser weg. Das sieht aber eher wie eine nachrägliche Stellung aus.

Da ich sowieso noch mal meine Nase dort ins Wasser stecken werde, guck ich mal gründlich nach.
-- Hoffentlich werde ich nich so doll abgelenkt, denn da iss ja auch der FKK Strand, ups :oops: --

mfG
Zacki - hat gerade beschlossen alles sehr sehr gründlich + auch zu untersuchen.

Deichgraf63
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Besichtigung Festung Kiel-Friedrichsort

Beitrag von Deichgraf63 » 06.02.2014 16:13

Hallo,
ich habe diese Festung beim Tag des offenen Denkmals besichtigen können, könnte 2005 gewesen sein. Bilder sind leider gut wegsortiert und nicht spontan greifbar, da noch auf Negativen.
Aber es gibt seit 2005 einen Verein, der auch Führungen anbietet: http://www.festung-friedrichsort.org/ Wer hier oben aus dem Norden kommt, dem kann ich den Besuch unbedingt empfehlen! Möglichst bei Sonnenschein, dann hat man eine fantastische Aussicht von oben.
MfG

fattorino
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Bücher & Besichtigung Festung Friedrichsort

Beitrag von fattorino » 19.08.2014 00:40

Der Verein nennt sich "Freunde der Festung Friedrichsort e.V." und hat neben einer auch als pdf abrufbaren kleinen "Festungsfibel (16 Episoden und historische Anekdoten aus der Festung und aus dem kaiserlichen Friedrichsort)" (Autor: Volker Landa) im Jahr 2012 ein sehr detailliertes Buch "Die Festung Fredrichsort - Ostseegeschichte an der Kieler Förde" (Autor: Jann M. Witt) herausgegeben.

Aktuell bin ich mit dem Verein in Kontakt, um dort im Oktober 2014 oder später einen Marathonlauf (ca. 40-45 Runden) auf den Festungswällen und durch die Kasematten zu veranstalten. In diesem Kontext wird die Festung sicher auch für interessierte Besucher / Zuschauer zugänglich sein.

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bettika
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Beitrag von bettika » 01.01.2015 23:03

Hallo,
die Festung Friedrichsort soll von der Stadt Kiel beim Bundesprogramm als „nationales Projekt des Städtebaus“ angemeldet werden, um Zuschüsse zu erhalten
http://www.shz.de/lokales/kiel/aus-dem- ... 47336.html
https://ratsinfo.kiel.de/bi/vo020.asp?V ... &options=4

Grüsse
Beate
„Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“ George Santayana

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