Gasschutz im öffentlichen Luftschutz

Luftschutzbunker, zivile Bunkeranlagen und Schutzbauwerke des 2. Weltkriegs
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klaushh (†)
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Gasschutz im öffentlichen Luftschutz

Beitrag von klaushh (†) » 15.03.2014 18:54

Moin, moin!

Bekanntlich spielte der Gasschutz während WK II eine große Rolle: nahezu jede Luftschutzanlage sollte mit einer Gasschleuse und den erforderlichen Belüftungsgeräten einschl. Filter versehen werden (und jeder Soldat hatte seine Gasmaskenbüchse mit Inhalt und nahezu jeder Volksgenosse seine Volksgasmaske).
Wie sah es nun in der Praxis aus?

Bei LS-Kellern und LS-Schutzräumen findet man noch heute meistens die alten Anlagen mit den meist zweiteiligen Filtern vor: der flache Staubfilter und der etwa doppelt so dicke Gasschutzfilter. Auch ist die Gasscheluse meist noch vorhanden, zumindest sind noch Spuren der alten Gasschutztüren (wenigstens die wandseitigen Scharnierteile) zu finden.

In LS-Bunkern dagegen finde ich meist nur eine größere Belüftungsanlage vor, dagegen keinerlei Hinweise auf das Vorhandensein von großen oder kleinen Filtern. Die großen Kampfstofffilter (in etwa in der Größe der modernen R10-Filter) fehlen völlig. Es zeigen sich keine Aufstellungsräume und Stellen, wo sie an das Rohrsystem angeflanscht werden könnten. Auch Originalzeichnungen aus der Kriegszeit helfen nicht weiter.
Auch sind keine Räume für Sandfilter etwa analog den modernen Sandhaupt- oder -vorfiltern vorhanden.

Ein gewisses Verständnis hätte ich noch, wenn es sich um späte Bunker handelt, wo die Materialknappheit eine größere Rolle spielen könnte.

Hier mal exemplarisch Daten zu drei Hochbunkern in Hamburg (jeweils
- Auftrag durch den Polizeipräsidenten;
- Beginn der Bauarbeiten;
- Beginn Betonierung;
- Betonfertigstellung;
- Übergabe des fertigen (!) HB an das zuständige LS-Revier:

Bunker A: 07.11.40 / 11.12.40 / 10.09.41 / 21.12.42 / ?
Bunker B: 28.12.40 / 07.11.40 / 08.05.41 / 30.10.41 / 09.04.42
Bunker C: 28.10.40 / 20.01.41 / ? / 02.10.41 / 09.04.42

Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Übergabedatum um einen Verwaltungsakt handelt und der Bunker längst ("vorläufig") in Benutzung war.

Bei dem Bunker A wurden anscheinend nur kleine hand- bzw. elektrobetriebene und an der Außenwand montierte Geräte eingesetzt, die immerhin über einen flachen und einen dickeren Filter verfügten. Dafür sind in diesem Bunker nur die inneren Gasschutztüren eingebaut worden. Hinweise darauf, dass es mal auch eine äußere Tür gegeben hat, sind nicht zu finden.

Ich betone ausdrücklich, dass es in diesem Beitrag nur um Anlagen des Öffentlichen Luftschutzes geht. Nicht dagegen um OP-Bunker, Werkluftschutz, "Luftschutz der besonderen Verwaltungen" oder militärische Anlagen.

Hat jemand ähnliche Beobachtungen in anderen Städten gemacht oder eine Erkärung für diese Beobachtungen?

Gruß
klaushh
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Oliver
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Beitrag von Oliver » 17.03.2014 07:09

Moin Klaus,

in Nürnberg kenne ich eine Anlage die von der Zivilbevölkerung genutzt wurde (der sog. Obstmarktbunker). In diesem war wohl ursprünglich ein "großer" Filter vorhanden. Zumindest gibt es noch den Bedienhinweis, der auf das Vorhandensein hindeutet.

Schwirig für die Beurteilung ist allerdings die Tatsache, dass ich mir nicht sicher bin, in wie weit der Bunker anfangs für sie Stadtspitze (anfänglich) geplant wurde. Von der Stadt tatsächlich genutzt wurde eine andere Anlage...

Gruß
Oliver
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klaushh (†)
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Beitrag von klaushh (†) » 17.03.2014 10:24

Moin, moin!

Danke Oliver für Deinen Beitrag! Ist er doch eine Bestätigung dafür, dass es mindestens in einem Bunker die großen kombinierten Filter gab.

Noch eine Ergänzung zu Hamburg:
Die Rundbunker (Zombeck und Ringtreppenturm) hatten ihre Belüftungsanlage in dem kegelförmigen Dachraum. Und hier waren es wiederum die zweiteiligen kleinen Filter, von denen mehrere parallel geschaltet waren. Ein Grund für deren Einsatz waren möglicherweise die räumlichen Verhältnisse: es wäre schierig gewesen, die "großen" Filter nach oben zu bekommen und auch dort aufzustellen.
Noch eine weitere Beobachtung: alle Anlagen mit den zweiteiligen Filtern, die ich bisher gesehen habe, konnten auch per Hand betrieben werden. Und umgekehrt konnten alle "großen" Anlagen nur elektrisch betrieben werden.
Der wahlweise Betrieb per Elektromotor oder per Hand könnte seine Ursache darin haben, dass bei ausschließlichem Motorbetrieb und Stromausfall kein Schutzluftbetrieb mehr möglich gewesen wäre. Alle mir bisher bekannten Anlagen mit ausschließlichem Motorbetrieb (und den "großen" Filtern) verfügten über eine NEA.

Gruß
klaushh
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Marian.RM
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Beitrag von Marian.RM » 17.03.2014 19:51

Hallo Klaus,

vor dem Zombeck Brückenstraße stehen noch die originalen Filter, die stark an R10 erinnern. Eine NEA wird es dort nicht gegeben haben. Vielleicht existiert noch ein Teil der Lüftungsanlage.

Grüße

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Käptn Blaubär
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Beitrag von Käptn Blaubär » 17.03.2014 21:15

Moin!
Mal wieder eine Spur zu langsam... :?
Hier das passende Bild dazu. Der Eigentümer hat sie nach eigener Angabe selbst demontiert, sie stammen also wohl ziemlich sicher tatsächlich aus diesem Bunker.
Viele Grüße
Michael
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Das Leben ist kurz, behauptet man.
Ansichtssache, sage ich. Die einen sind kurz, die anderen sind lang, und manche sind mittel.
Außerdem hatte ich noch dreizehneinhalb andere davon.
(Walter Moers, Die 13 ½ Leben des Käpt´n Blaubär)

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MikeG
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Beitrag von MikeG » 18.03.2014 13:30

Moin!

Auch z.B. im Dietel-Turm in Heilbronn oder in dem andernswo angesprochenen Luftschutzturm am Bremer Hauptbahnhof waren - wie in den Hamburger Zombeck-Türmen - R10-Filter verbaut, wie sie hier schon gezeigt wurden.

Die Auswahl der verbauten Lüfter- und vor allem Filter-Hardware scheint aber ein wenig willkürlich. So gab es in weit größeren Bauten als den LS-Türmen (meist ja um die 500 Schutzplätze) teilweise zwar große Lüfter, aber keine Möglichkeit, Filter einzusetzen oder, wie im Bespiel Hochbunker Gertigstr., die klassischen Handkurbellüfter mit zweiteiligen R2-Filterpacks ("Teller-Filter"). War das eine gewollt einfach Ausstattung oder einfach eine Mangelerscheinung bzw. Materialknappheit?

Erstaunlich sind weniger die einzelnen, konkreten Ausführungen als viel mehr die scheinbar auf keinerlei nachlesbaren Grundlagen basierende Vielfalt der Varianten auch bei ansonsten mehr oder minder identischer Bauwerksgröße und gleichem Ausstattungszeitraum.

Ein Unterschied in der Ausstattung zwischen militärischen, Werksluftschutz- und öffentlichen Luftschutzbauten erscheint noch vollkommen plausibel, die Unterschiede existieren darüber hinaus aber auch schon allein in der Gruppe der öffentlichen Luftschutzbauten.

Mike

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