Zivilschutzanlagen - Erste Aufnahmebereitschaft

Zivile bzw. nicht-militärische Schutzbauwerke und Anlagen des Kalten Krieges
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klaushh (†)
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Zivilschutzanlagen - Erste Aufnahmebereitschaft

Beitrag von klaushh (†) » 22.01.2014 22:06

Moin, moin!

Bei Zivilschutzanlagen taucht häufig die Frage auf, ob sie tatsächlich für ZS-Zwecke während des Kalten Krieges instandgesetzt worden sind. So gibt es mindestens in Bremen und in Frankfurt / Main Bauwerke, die erst nachträglich in die ZS-Anlagendatenbank aufgenommen worden sind. Grund dafür ist der, dass sie 2007 nicht mehr als ZS-Anlage vom BBK geführt wurden, denn sie waren teilweise bereits seit Jahren als ZS-Anlage wieder aufgegeben worden.
Fast ausnahmslos handelt es sich dabei um Anlagen, bei denen heutige Inaugenscheinnahmen daran zweifeln lassen, ob sie überhaupt mal als "instangesetzt" galten.

1960 stellte das BMI Mittel für eine provisorische Bereitmachung (Erste Aufnahmebereitschaft) zur Verfügung. Im Rahmen dieses Programms waren folgende Maßnahmen vorgesehen:
1. Reinigung
2. Einbau einer provisorischen Beleuchtungsanlage
3. Entfernung abgängiger Zwischenwände
4. Herrichtung der äußeren Verschlußorgane
5. Einbau von Toiletten (je nach örtlichen Verhältnissen Spül- oder Streuklosetts)
6. Einbau von Innentüren vor den Klosetts
7. Anbringen von Leuchtstreifen in Treppenhäusern und Gängen
8. Anbringen von Handläufen in Treppenhäusern
9. Überprüfung der Bunker auf Ungeziefer und ggf. dessen Bekämpfung.
Durch diese Maßnahme sollte lt. BMI erreicht werden, dass die Bunker wenigstens stundenweise belegt werden können und einen bedingten Schutz gegen konventionelle Waffen bieten.
Die zuständigen Behörden in HH wiesen im Oktober 1960 darauf hin, dass die Bunker wenigstens eine ausreichende Belüftungsanlage und druckstoßsichere Abschlüsse aufweisen müssen.
Das BMI erklärte daraufhin ausdrücklich, dass es sich um eine provisorische Maßnahme handle, um der Zivilbevölkerung im Ernstfall eine vorübergehende, wenn auch geringe Schutzmöglichkeit zu bieten.
Der Fragenkomplex solle weiter mit Vertretern Hamburgs, Bremens und Nordrhein-Westfalens erörtert werden.
Im April 1961 werden vom BMI in Übereinstimmung mit Bremen die obigen Punkte 1., 2., 4. und 7. als ausreichend gehalten.Gleichzeitig erklärte Bremen, dass dort bereits 40 Bunker leer ständen, die im Rahmen der "Ersten Aufnahmebereitschaft" instandgesetzt werden sollten.
Hamburg dagegen hielt die Punkte 1., 2., 5. und die Schaffung einer Normalluftversorgung für unumgänglich. Nicht unbedingt erforderlich seien Anstriche, Abschlüsse, die gegen herkömmlich Waffen in gewissem Maße schützen, Anstriche, Schutzbelüftung und Kücheneinrichtung sowie Geräte.
Schließlich entfielen ab Oktober 1961 Bezeichnungen wie "Begehbarmachung" oder "Erste Aufnahmebereitschaft" und wurden ersetzt durch "Vorabprogramm".

Im Verlauf der weiteren zeitlichen Entwicklung wurden schließlich Schutzräume wiederhergestellt und neugebaut für einen etwa 10-stündigen oder 14-tägigen Aufenthalt. Im Zuge dieser Entwicklung wurden wohl die meisten der zuoberst beschriebenen Anlagen wieder aufgegeben.

Ob es von diesen wiederhergestellten Schutzanlagen allereinfachster Art auß in Bremen und in Frankfurt/Main noch anderweitig eine nennenswerte Anzahl gegeben hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich denke allerdings, dass man -von Einzelfällen abgesehen- sehr schnell dazu übergegangen ist, im Rahmen des Vorab- und weiterer Programme wenigstens die "10-Stunden-Version" errichtet hat (die letzten derartigen Anlagen wurden erst zu Beginn der 90-er Jahre fertiggestellt).
Sie zeichnet sich aus durch
1. Reinigung
2. drucksichere Türen
3. Beleuchtung
4. sanitäre Anlagen (Wasserbehälter als Plastiktanks oder Gummisäcke, WC und Waschbecken)
5. Leuchtfarbensntriche
6. Sandhauptfilter
7. Belüftungsanlage

Gruß
klaushh
Zuletzt geändert von klaushh (†) am 23.01.2014 00:07, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von MikeG » 22.01.2014 23:25

Moin!

Eine doch sehr interessante Erkenntnis, Klaus - vielen Dank!

Die geschilderte Situation scheint demnach auch für Hannover zu gelten, auch dort gibt es solche "einfachen Kandidaten". Der hier ja diskutierte Klagesmarkt-Bunker gehört ebenso dazu wie die Luftschutztürme dort.

Mike

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klaushh (†)
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Beitrag von klaushh (†) » 22.01.2014 23:33

Moin, moin!

Ein möglicher Kandidat könnte auch Emden sein.
Auch dort sind ausgesprochen viele Bunker aus WKII als ZS-Anlagen wiederhergestellt worden.
Ich meine zu erinnern, dass sie auch zum großen Teil nur in einfacher Form (aber wohl doch wenigstens als "10-Stunden-Version") wiederhergestellt worden sind.

Für Hamburg kann ich nach meiner Kenntnis Anlagen in der Version "Erste Aufnahmebereitschaft" ausschließen.
Es waren zwar im September 1960 zunächst 5 Hochbunker für das Programm "Erste Aufnahmebereitschaft" vorgeschlagen vorden. Davon wurden drei viele Jahre später in der "14-Tage-Version" ausgebaut, während die beiden anderen als Lager genutzt werden.

Gruß
klaushh
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