Behelfshäuser Plattenbauweise

Militärische Objekte und Anlagen des 2. Weltkriegs (und 1933-1945)
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negrito
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Behelfshäuser Plattenbauweise

Beitrag von negrito » 01.02.2013 00:41

Moin moin,
Bei der Recherge für eine Ortsteilchronik unterstütze ich einen Freund. Dabei fanden wir
folgendes Bild.
Zur Geschichte: Nach den schweren Bombenangriffen auf Hamburg wurden für Ausgebombte auf einem Areal 22 Behelfshäuser in Eigenleistung errichtet. Nach vorliegendem Schriftverkehr konnten die "Bausätze" beim Heeres Zeugamt Hamburg Glinde gegen ein anteilige Gebühr
von RM 100,-- auf die zugewiesene Parzelle angeliefert werden.
Die Häuser hatten 2 Räume und im Mittelbereich eine Küche. Die Maße betrugen 6,40 X 4,20.
Es waren Betonstütze mit senkrecht eingestellten Betonplatten. An einer Längsseite war eine
Haustür, an der gegenüberliegenden Wand 2 Fenster. Dach Betonplatten und Pappe.Die Siedlung wurde Anfang der 1970er Jahre abgerissen.
Unsere Frage: Waren diese Haustypen bekannt? (außer Nissenhütten und Leybuden),wo wurden sie
hergestellt?, Waren sie evtl militärischen Ursprungs (Heeres Zeugamt)
Wenn uns hier jemand weiterhelfen kann, wäre das ganz toll. Vielen Dank im Voraus.
mfg Wolfgang
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TimoL
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Beitrag von TimoL » 01.02.2013 03:43

Die sehen aus wie die Behelfswohnheime, bzw. die Teile/ "Bausätze", die im Konzentrationslager Hamburg-Neuengamme gefertigt wurden.
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Beitrag von Shadow » 01.02.2013 08:08

Timos Hinweis führt dann dorthin: http://de.wikipedia.org/wiki/Plattenhau ... %C3%BCttel.
In den Commons ist dann auch noch eine Bildversion zu sehen, die einen unverputzten Teil des Bauwerkes zeigt.

Shadow.

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Beitrag von TimoL » 01.02.2013 10:34

Weiterführende Informationen zum KZ-Außenlager Hamburg-Sassel finden sich auch hier:
http://www.kz-gedenkstaette-neuengamme. ... 7275fb41b1

Zur Fertigung der Betonfertigteile habe ich in meinen Unterlagen denn noch folgendes gefunden:

- Beginn der Fertigung der Betonfertigteile ab 1943 im Ostflügel des Klinkerwerks des Konzentrationslagers Hamburg-Neuengamme.
- Beschäftigte Häftlinge in der Fertigung: ca. 20-30.
- Herstellung "GWK-Häuserteile" im Geschäftjahr 1943: 17.840 Stück.
- Herstellung Schornsteinsteine im Geschäftjahr 1943: 7.573 Stück.
- Herstellung Treppenstufen im Geschäftjahr 1943: 80 Stück.
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Beitrag von Kaserne » 01.02.2013 11:48

Im Moment aus der Erinnerung:
Diese Art von Haus stand ursprünglich auch in Wandsbek in der Wißmann- Str. 40 als Einzelhaus.
Soweit ich mich erinnere waren es in der Tat zwei Zimmer, aber nicht mit einem Mittelgang für die Küche. In dem Raum der als Wohnküche genutzt wurden gab es noch ein kleines "Loch" im Boden. Wurde wohl als Kartoffelkeller und Kühlschrank genutzt. Strom war vorhanden aber kein Wasseranschluß! Es wurde immer Eimerweise Wasser vom Nachbarn, also von uns geholt. Toilette war ein Plumpsklo. Häuschen war an die nördliche Stirnseite der Hütte angebaut. Geheizt wurde von dem Herd in der Küche. Bin mir nicht sicher ob in der Wohnstube auch ein Ofen war. Jeder Raum hatte nur ein Fenster.

Bewohnt wurde das Ganze bis Ende der 1950er Jahre von einer alten Dame. Die hielt unter anderem auch Hühner. Deswegen ihr Spitzname "Frau Hühner" Als nächstens folgte ihr ein Ehepaar mit einer Tochter in meinem Alter. Und war taubstumm. War für uns Kinder auch eine neue Erfahrung! Zwei, drei Jahre später bekam die Familie noch einen Sohn. Also zwei Kinder plus Eltrn in der kleinen Hütte mit dem irrem Komfort. Den harten Winter 1963 hat die Familie noch in der Hütte mitgemancht, so meine Erinnerung.

Nach dem Auszug der Familie, hatten jetzt eine richtige Wohnung bekommen, wurde die Hütte abgebrochen. Ich erinnere mich recht deutlich an die Platten, die die Außenwand bildeten. Das Ganze stand ursprünglich auf einem Streifenfundament. Denn dieses war bis zur Neubebaung des Grundstückes noch vorhanden.
Grüße
Thomas

1974 Gefreiter, 1982 Meister, 2001 Opa
Für was hätte ich dann ein Abi gebraucht?

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Beitrag von TimoL » 01.02.2013 12:17

Interessant ist auch, dass die Teile vom Heereszeugamt Glinde ausgeliefert wurden und nicht direkt von den DESt, bzw. einer ihrer Vertriebsfirmen (in diesem Fall das "Klinkerwerk Neuengamme") oder der "Zentralbauleitung der Waffe-SS [und SS-eigenen Betriebe] und der Polizei".

Der Vollstädigkeit halber zum Thema habe ich auch noch mal den Jahresbericht der Betonstein-Produktion für das Geschäftsjahr 1943 rausgesucht:

1) Würfel: 1.390 Stück
2) Splitterschutzbalken: 282 Stück
3) LS-Formsteine: 35.793 Stück
4) Zaunphäle u. Streben: 788 Stück
5) Schornsteinsteine: 7.573 Stück
6) Treppenstufen : 80 Stück
7) "GWK-Häuserteile" : 17.840 Stück
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Djensi
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Beitrag von Djensi » 01.02.2013 14:27

Moin,

ich vermute das genau dieser Haustyp auch bei der sog. "Pilzsiedlung" gegenüber der Kreuzkirche Wandsbek, in der Kedenburgstraße Verwendung gefunden hat. Hatten wir hier irgendwo schonmal, finde aber den Thread nicht wieder.

Grüße
Djensi

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Beitrag von klaushh (†) » 01.02.2013 18:37

Moin, moin!

Hier:
viewtopic.php?t=11670&postdays=0&postor ... g*&start=0

und hier:
viewtopic.php?t=7833&postdays=0&postord ... ng&start=0

wurde das Thema schon mal angesprochen.

Gruß
klaushh
Bei Interesse für Bunker und unterirdische Bauwerke in Hamburg mal http://www.hamburgerunterwelten.de besuchen!

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Plattenhäuser

Beitrag von negrito » 02.02.2013 22:07

Moin moin,
vielen Dank für Eure Ausführungen. Sie haben in dem Punkt sehr geholfen und waren wirklich aufschlußreich
Viele Grüße Wolfgang

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