"Taktische" Schutzräume und ZMZ?

Zivile bzw. nicht-militärische Schutzbauwerke und Anlagen des Kalten Krieges
Antworten
Benutzeravatar
René
Forenuser
Beiträge: 205
Registriert: 27.05.2003 21:58
Ort/Region: Berlin

"Taktische" Schutzräume und ZMZ?

Beitrag von René » 16.02.2009 13:51

Wichtiger Bestandteil des Zivilschutzes ist die zivil-militärische Zusammenarbeit ZMZ. Können "taktische" (der Ausdruck wird beim BBK verwendet) Schutzräume wie die der Bahn, Telekom, unter Autobahnmeistereien, in diese Kategorie gesteckt werden? Ansonsten wüsste ich nicht so recht, wohin ich diese sonst einordnen könnte.
Man kann das Leben nicht verlängern, nicht verbreitern- aber vertiefen :-)

Benutzeravatar
derlub
Forenuser
Beiträge: 2927
Registriert: 21.12.2003 23:03
Ort/Region: Aachen/Köln/Bergisches Land

Beitrag von derlub » 16.02.2009 14:19

Ich würde sagen ja.
Denn welche "zivilen Schutzräume" (bzw. deren Insassen) sollten sonst mit militärischen Stellen zusammenarbeiten? Zivile Führung (Behörden, Verwaltung, usw.) sowie alle verantwortlichen Stellen für die Bereitstellung von wichtiger Infrastruktur. Vielleicht hilft ja auch die Frage weiter, welche zivilen Stellen eigentl. bei den WINTEX/CIMEX Übungen involviert waren?

hansi2004

Beitrag von hansi2004 » 16.02.2009 14:35

Die Zivile Verteidigung (neuerdings als Zivile Notfallvorsorge bezeichnet) umfaßt
- die Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsgewalt,
- den Zivilschutz,
- die Versorgung und
- die Unterstützung der Streitkräfte.

Die ZMZ gehört zur Unterstützung der Streitkräfte!

Zum Zivilschutz gehör(t)en:
- Selbsschutz
- Warnung der Bevölkerung
- Katastrophenschutz
- Schutzbau
- Aufenthaltsregelung
- Schutz der Gesundheit
- Schutz von Kulturgut.

Dies kann man nachlesen in den Publikationen des BBK.

:thanx:

Benutzeravatar
Gravedigger
Forenuser
Beiträge: 2482
Registriert: 17.08.2003 14:43
Ort/Region: Sennestadt
Kontaktdaten:

Re: "Taktische" Schutzräume und ZMZ?

Beitrag von Gravedigger » 16.02.2009 14:56

René hat geschrieben:Wichtiger Bestandteil des Zivilschutzes ist die zivil-militärische Zusammenarbeit ZMZ. Können "taktische" (der Ausdruck wird beim BBK verwendet) Schutzräume wie die der Bahn, Telekom, unter Autobahnmeistereien, in diese Kategorie gesteckt werden? Ansonsten wüsste ich nicht so recht, wohin ich diese sonst einordnen könnte.
Ich würde das auch so einordnen, weil rein zivile Anlagen sind das ja nicht wirklich.
Zivilisation bedeutet, sich gegenseitig zu helfen von Mensch zu Mensch, von Nation zu Nation. (Henry Dunant)

Benutzeravatar
derlub
Forenuser
Beiträge: 2927
Registriert: 21.12.2003 23:03
Ort/Region: Aachen/Köln/Bergisches Land

Re: "Taktische" Schutzräume und ZMZ?

Beitrag von derlub » 16.02.2009 15:04

Die "Rahmenrichtlinien für die Gesamtverteidigung" könnten hilfreich sein, falls noch nicht bekannt.
René hat geschrieben:Wichtiger Bestandteil des Zivilschutzes ist die zivil-militärische Zusammenarbeit ZMZ. Können "taktische" (der Ausdruck wird beim BBK verwendet) Schutzräume wie die der Bahn, Telekom, unter Autobahnmeistereien, in diese Kategorie gesteckt werden?
Ja ,denn dort sind meiner Meinung nach auch die Aufgabenbereiche der Bahn, Telekom und Autobahnmeisterein eingeschlossen und somit wären sogenannte "taktische Schutzräume" dieser Infrastrukturbereiche Bestandteil der ZMZ. (siehe rote Markierung)


ZITAT:
"Rahmenrichtlinien für die Gesamtverteidigung – Gesamtverteidigungs-Richtlinien (RRGV) –

Fünfter Abschnitt:
Zusammenwirken zwischen den Organen der militärischen und der zivilen Verteidigung in Verteidigungsangelegenheiten

...

32
Organe und Verfahren
(1) Organe des Zusammenwirkens sind alle Dienststellen der militärischen und der zivilen Verteidigung, die bei der Erfüllung ihrer Aufgaben mit der jeweils anderen Seite zusammenarbeiten. In militärischen Dienststellen kann es in besonderen Fällen erforderlich sein, eigene Organisationselemente für das Zusammenwirken einzurichten.

(2) Das Zusammenwirken zwischen den Organen der militärischen und der zivilen Verteidigung erfolgt in Form der zivil-militärischen Zusammenarbeit (ZMZ).
Im Frieden, in einer Krise und im Verteidigungsfall arbeiten bei der zivil-militärischen Zusammenarbeit deutsche und verbündete militärische Dienststellen und NATO-Dienststellen bei Maßnahmen, die der Vorbereitung und Durchführung der militärischen Verteidigung dienen, mit den zivilen Behörden grundsätzlich unter Einschaltung der territorialen Kommandobehörden zusammen. In Angelegenheiten der Wehrverwaltung erfolgt die Zusammenarbeit mit den zivilen Behörden durch die Dienststellen der Bundeswehrverwaltung.
...


33
Gebiete des Zusammenwirkens
(1) Ein Zusammenwirken hat nahezu in allen Aufgabenbereichen, insbesondere bei der Festlegung von Konzeptionen und Zielen der militärischen und der zivilen Verteidigung zu erfolgen.
(2) Zu den Aufgaben der militärischen Verteidigung einschließlich der Aufgaben der Bundeswehrverwaltung, deren Erfüllung ein Zusammenwirken mit den Organen der zivilen Verteidigung erfordert, gehören vor allem
1. militärische Planungen für den Einsatz der Streitkräfte, die die zivile Verteidigung unmittelbar berühren;

2. Deckung von Sachleistungen (z. B. Kraftfahrzeuge, Bau- und Depotgeräte, Schiffe, Grundstücke) und Werkleistungen;

3. Deckung von Transportleistungen auf Straße, Schiene, Wasserwegen und auf dem Luftwege;
4. Instandsetzung und Instandhaltung von Wehrmaterial und Bauwerken;

5.Planung und Durchführung des Militärverkehrs einschließlich der Verkehrsregelung;

6.Feldpostwesen.

(3) Aufgaben der zivilen Verteidigung, deren Erfüllung ein Zusammenwirken mit Organen der militärischen Verteidigung erfordert, sind vor allem
1. Aufenthaltsregelung;

2. bestimmte Teilgebiete des Warndienstes;

3. Katastrophenschutz;

4. Kulturgutschutz;

5. Verkehrswesen
(4) Zu den Aufgaben, die in beiden Bereichen der Verteidigung anfallen und die ein Zusammenwirken erfordern, gehören vor allem
1. Krisenbewältigung;

2. Melde- und Lagewesen;

3. Versorgung mit Nahrungsmitteln;

4. vorrangige Abwicklung verteidigungswichtiger Aufträge;

5. Sanitäts- und Gesundheitswesen;

6. Fernmeldewesen;

7. Objektschutz;

8. Liegenschaftswesen einschließlich Stationierungsplanung;

9. Einrichtung und Betrieb von Notlandeplätzen;

10. Flugsicherung;

11. Karten- und Vermessungswesen;

12. Wetterdienst;

13. gewisse Bereiche der Deckung des Personalbedarfs;

14. Schadensbeseitigung;

15. Alarmplanung und Durchführung der Alarmierung;

16. gemeinsame Übungen."

Quelle: http://www.verwaltungsvorschriften-im-i ... 080102.htm



René, hast Du zufällig folgende Literatur? Würde mich interessieren. Müsste vom BBK sein.
Düll: Zivil-militärische Zusammenarb. [Manuskript] 33 S. o.J.)

Grüße,
Chrsitoph

Benutzeravatar
René
Forenuser
Beiträge: 205
Registriert: 27.05.2003 21:58
Ort/Region: Berlin

Re: "Taktische" Schutzräume und ZMZ?

Beitrag von René » 17.02.2009 18:44

Zunächst vielen Dank für die fundierten und belegten Antworten, bisher bekam ich nur abschlägiges zu hören und war schon sehr gespannt auf die Meinungen der Belesenen im Forum :-)
derlub hat geschrieben:hast Du zufällig folgende Literatur?
Damit habe ich mich noch nicht beschäftigt, daher nein. Brauchst Du sie, ich bestelle eh morgen.

hansi hat geschrieben:Zivile Notfallvorsorge umfaßt
- den Zivilschutz
- die Unterstützung der Streitkräfte.


Auf jeden Fall interessant, dass dies nun auseinandergenommen wurde. Fragt sich gleich im Anschluss, ob dies Folgen bei der Handhabung von diesen genannten Schutzräumen hat.

Das mit dem BBK ist so eine Sache, dort treffen in ziemlich starkem Maß langjährige Erfahrung und altes Funktionierendes mit Neuem und zu Erprobendem aufeinander, zu fast allen aktuellen Themen und Entwicklungen gibt es zahlreiche geteilte persönliche Meinungen, die nicht immer deckungsgleich mit der publizierten offiziellen Linie sind. Mit den genannten Unterschieden werde ich mich dann einmal genauer befassen müssen.
Man kann das Leben nicht verlängern, nicht verbreitern- aber vertiefen :-)

Benutzeravatar
derlub
Forenuser
Beiträge: 2927
Registriert: 21.12.2003 23:03
Ort/Region: Aachen/Köln/Bergisches Land

Re: "Taktische" Schutzräume und ZMZ?

Beitrag von derlub » 17.02.2009 18:57

René hat geschrieben:Damit habe ich mich noch nicht beschäftigt, daher nein. Brauchst Du sie, ich bestelle eh morgen.
Danke fürs Angebot. Ich sehe grade, dass Düll zu diesem Thema auch mehrfach in der "Zivilverteidigung" veröffentlicht hat. Dann hab ich es ja quasi doch schon.

Benutzeravatar
derlub
Forenuser
Beiträge: 2927
Registriert: 21.12.2003 23:03
Ort/Region: Aachen/Köln/Bergisches Land

Re: "Taktische" Schutzräume und ZMZ?

Beitrag von derlub » 17.02.2009 19:19

René hat geschrieben:Können "taktische" (der Ausdruck wird beim BBK verwendet) Schutzräume wie die der Bahn, Telekom, unter Autobahnmeistereien, in diese Kategorie gesteckt werden? Ansonsten wüsste ich nicht so recht, wohin ich diese sonst einordnen könnte.
Habe grade noch was vom besagten Helmut Düll in der besagten "Zivilverteidigung" gefunden. Auch hier wieder die Zuordnung von Bundespost und [Bahn?] zur ZMZ:

"Zivil-militärische-Zusammenarbeit
...
1. Aufgaben der militärischen Verteidigung, die durch zivile Behörden unterstützt
werden (Unterstützung der Streitkräfte):
...
• Versorgung der Streitkräfte durch Nutzung ziviler Leistungen, insbes.
- Fernmeldeversorgung (Bundespost)
- Transportleistungen (Verkehrsverwaltungen
des Bundes und Landes)
"

Ist mit dem letzten Punkt auch die Bahn gemeint?

Benutzeravatar
kuhlmac
Forenuser
Beiträge: 2298
Registriert: 18.06.2005 12:42
Ort/Region: Hamm / Iserlohn

Re: "Taktische" Schutzräume und ZMZ?

Beitrag von kuhlmac » 18.02.2009 10:03

derlub hat geschrieben: • Versorgung der Streitkräfte durch Nutzung ziviler Leistungen, insbes.
- Fernmeldeversorgung (Bundespost)
- Transportleistungen (Verkehrsverwaltungen
des Bundes und Landes)
"

Ist mit dem letzten Punkt auch die Bahn gemeint?
Hallo,. Christoph,
hmm.. eigentlich müsste ich das wissen, aber ich kann tatsächlich erstmal nur vermuten:
Ich meine, dass sich dass auf die Straßen- und Bahnverwaltungen der Bundesländer bezieht, d.h.
die Straßenverwaltung der Bundesländer (z.B. Straßen.nrw) - diese werden im engeren Sinne
als Straßen- und Verkehrsverwaltung bezeichnet. Ansonsten sicher auch auf die NE-Bahnen, wie die
WLE usw. - denn die werden aufsichtsmäßig von den Ländern / Bezirksregierungen betreut.

Gruß
Christian

hansi2004

Beitrag von hansi2004 » 03.03.2009 11:01

Die ZMZ hat sich seit der "Wende" geändert. Die neue Begriffsbestimmung kann im Weißbuch 2006 des Bundesministerium der Verteidigung (unter 3.2) nachgelesen werden:

3.2 Aufgaben
"... Zum Schutz Deutschlands und seiner Bevölkerung leistet die Bundeswehr einen bedeutenden Beitrag. Die Landesverteidigung im Bündnisrahmen bleibt unverändert eine zentrale Aufgabe der Bundeswehr als Ausdruck staatlicher Souverinität und gemeinsamer Sicherheitsvorsorge gegen mögliche, auf absehbare Zeit aber eher unwahrscheinliche Bedrohungen. Effiziente Landesverteidigung erfordert verlässliche regionale Strukturen sowie Zivil-Militärische Zusammenarbeit bei Nutzung vorhandener Kapazitäten. Das Konzept der zivilen Verteidigung wird vor diesem Hintergrund fortentwickelt und das Konzept der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit weiter ausgebaut. Dabei wird zwischen Zivil-Militärischen Zusammenarbeit im Inland (ZMZ-I) und der Zusammenarbeit mit zivilen Akteuren im Auslandseinsatz (ZMZ-A) unterschieden. ..."




Was ist Zivil-Militärische Zusammenarbeit?

Bundeswehr und Feuerwehr arbeiten Hand in Hand (Quelle: Presse- und Informationszentrum der Streitkräftebasis)Die Zivil-Militärische Zusammenarbeit der Bundeswehr (ZMZ Bw) ist ein ei­gen­ständiger Aufgabenbereich innerhalb der Bundeswehr. ZMZ Bw umfasst alle Maßnahmen, Kräfte und Mittel, welche die Beziehungen zwi­schen Dienststellen der Bundeswehr auf der einen Seite und zivilen Be­hör­den sowie der Zivilbevölkerung auf der anderen Seite regeln, unterstützen oder fördern. Dies gilt sowohl innerhalb Deutschlands als auch bei Einsätzen der Bundeswehr im Ausland. ZMZ Bw schließt die Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen und anderen nicht-staatlichen Organisationen sowie internationalen Organisationen aus­drücklich ein.

ZMZ/I-Aufgaben (= Zivilmilitärische Zusammenarbeit im Inland) werden grundsätzlich von allen Dienststellen der Bundeswehr wahrgenommen. Während es früher darum ging, durch ZMZ den originären militärischen Auftrag der bündnisgemeinsamen Landesverteidigung zu unterstützen, ist es heute Aufgabe der ZMZ, dafür zu sorgen, dass militärische Hilfe zur Erfüllung eines zivilen Hilfeleistungsantrages im gesetzlichen Rahmen geleistet werden kann.

Da heute nicht mehr von einer direkten, unmittelbaren militärischen Bedrohung Deutschlands mit konventionellen Mitteln ausgegangen werden muss, kommt der ZMZ/I vor allem im Rahmen der Hilfeleistung bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen eine besondere Rolle zu. Die Hochwasserkatastrophen der letzen Jahre an Oder, Donau und Elbe haben dies deutlich gemacht. Orientierte sich ZMZ also früher primär am militärischen Interesse, so richtet sie sich heute vor allem an neuen gesamtstaatlichen übergreifenden Sicherheitskonzepten aus.

Quelle: http://www.streitkraeftebasis.de/

Wenn man diese Begriffsbestimmung sieht, ist mir schleierhaft, was das BBK mit der Vorhaltung von "taktischen" Schutzräumen bei Bahn und Post meint. Die Schutzräume wurden in Zeiten des "Kalten Krieges" zum Schutz der (Behörden-)Mitarbeiter vorgehalten, damit diese Behörden im Verteidigungsfall ihren gesetzlichen Auftrag (wie z.B. im Verkehrssicherstellungsgesetz gefordert) durchführen konnte.

:megawut: :oops:

Antworten

Zurück zu „Kalter Krieg - Zivilschutz & Zivilverteidigung“