Die Zerstörung Hamburgs im Zweiten Weltkrieg

Während der Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs wurde Hamburg zu großen Teilen zerstört. Noch über Jahrzehnte prägten die Spuren der Zerstörung an vielen Stellen das Stadtbild. Aus Fotos und Ausstellungen sind die Bilder vielen Menschen bekannt. Welche Ausmaße die Zerstörung aber insgesamt hatte, lässt sich heute nur noch schwer nachempfinden. Im Jahr 1954 fasste Arthur Dähn, langjähriger Mitarbeiter der Baubehörde und maßgeblich am Wiederaufbau Hamburgs beteiligt, die Schäden in Zahlen und Tabellen zusammen und vermittelte so einen Überblick über die weitreichenden Kriegsschäden. Mit freundlicher Genehmigung geben wir den Text hier im Original-Wortlaut wieder.

Zerstörungsgebiet Barmbek-Süd 

Zwei große und erschütternde Ereignisse beherrschen die Geschichte Hamburgs: der große Hamburger Brand von 1842 und die Bombenangriffe vom Juli 1943. Der große Hamburger Brand des Jahres 1842 lebt in allen Herzen Hamburgs als das tragische Erlebnis einer guten Zeit. In vielen Schriften ist dieses Ereignis beschrieben und festgehalten. Aber zugleich leitete der Hamburger Brand eine neue Epoche des Bauens ein. Die Geschichte der Zerstörungen durch den Zweiten Weltkrieg ist noch nicht geschrieben, wenngleich viele Abhandlungen sich mit Einzelheiten dieses Geschehens beschäftigen oder Zusammenfassungen bringen. Auch dieser Aufsatz kann nur eine beschränkte Übersieht über die baulichen Kriegszerstörungen geben. Es muß einer späteren Zeit überlassen bleiben, diese erschütternden Ereignisse zu beschreiben und zu deuten. An dieser Stelle kann nur über die Tatsache der größten Zerstörung Hamburgs berichtet werden, und es ist hier nicht der Ort, zu schildern, wieviel Kummer und Tränen diese Schrecken des Krieges über Hamburg gebracht haben. In einem Feuersturm ohnegleichen sank die Hälfte dieser großen und lebendigen Stadt in Schutt und Asche. 55.000 Menschen ließen ihr Leben, davon etwa 40.000 Menschen in jenen drei Tagen Ende Juli 1943. Mit den Menschen gingen Hoffnungen, Güter, unersetzliche persönliche Werte, Bauwerke, Kunst- und Kulturschätze unter, aber auch manches Unerfreuliche, womit eine Großstadt zwangsweise behaftet ist, verschwand.

Der Wohnungsausfall durch Kriegseinwirkungen

Die Zerstörung der Städte wird allgemein am Wohnungsausfall gemessen, da nur über diesen die amtliche Baustatistik etwas aussagt. Nur über den Bestand und Verlust an Wohnungen wurden ausreichende Erhebungen durchgeführt. Diese Erhebungen wurden von den verschiedensten Stellen gemacht. Infolge der turbulenten Zeit konnten jedoch diese vielen Aufzeichnungen nicht übereinstimmen, trotzdem war es möglich, hinreichend genau den Fortgang an Wohnungszerstörungen zu verfolgen und darzustellen. Hamburg wurde zum größten Teil durch Brandbomben zerstört. Während die Angriffe sich in den ersten Kriegsjahren in relativ mäßigen Grenzen hielten, traten die Hauptzerstörungen vom 23. bis 28. Juli 1943 ein. Mehrere hundert Flugzeuge warfen bei Großangriffen bei Tag und Nacht in ungeahntem Ausmaß Brand- und Sprengbomben auf unsere Stadt, so daß allein in diesen drei Tagen 263.000 Wohnungen zerstört wurden. Tagelang war Hamburg von Rauchwolken verdunkelt und vom Aschenregen überrieselt.

Gleichzeitig wurden aber Schulen, Krankenhäuser, Kulturstätten, Hafenanlagen, Gewerbe- und Industriebauten, landwirtschaftliche Gebäude usw. in ebenso umfassenden Maße zerstört. Ferner entstanden Schäden an Bauwerken des Tiefbaues, wie z. B. Straßen, Sielanlagen, Brücken, Uferbefestigungen, Schleusen, Bahnanlagen usw.

Der Wohnungsausfall durch Kriegseinwirkungen 1939-1945 in Hamburg

Der Übersichtsplan der Zerstörung zeigt die Gesamtwirkung der Bombenangriffe. Fast der gesamte östlich der Alster gelegene Teil der Stadt ging verloren. Es sind dieses die Stadt- und Ortsteile Barmbek, Uhlenhorst, Eilbek, Hamm, Hammerbrook, Horn, Wandsbek, Borgfelde, Hohenfelde, St. Georg. Aber auch die westlichen Teile der Stadt wurden heimgesucht; zerstört sind Teile von der Innenstadt, von Eimsbüttel, St. Pauli, Eppendorf, Altona, Harburg und der Hafen.

Hamburg gehört zu den Städten Deutschlands, die am schwersten gelitten haben. Von den Städten der Bundesrepublik hat Hamburg mit 52,7% zerstörtem Wohnungsbestand einen Anteil, der weit über dem Bundesdurchschnitt liegt, und mit einem Wohnungsausfall von 295.980 Wohnungen den größten Wohnungsverlust aller Städte des Bundesgebietes. Um sich ein Bild von dieser Katastrophe zu machen, sei beispielsweise darauf hingewiesen, daß das in Hamburg zerstörte Wohnungsvolumen dem Gesamtwohnungsbestand der Städte Nürnberg, Augsburg, Ludwigshafen, Würzburg und Regensburg zusammen entspricht.

Eine gute Vergleichsmöglichkeit zwischen dem Wohnungsbestand bei Beginn und Ende des Krieges zeigt die folgende Aufstellung für einige Städte Deutschlands:

Die Zerstörung einiger deutscher Städte
Ort
Wohnungsbestand
vor dem Kriege
nach dem Kriege
Wohnungsverlust
in %
Köln
254.000
78.000
176.000
69,4
Dortmund
162.800
57.300
105.500
64,8
Duisburg
128.100
48.100
80.000
62,5
Hamm
16.700
6.800
9.900
59,4
Kiel
80.400
35.700
44.700
55,6
Wilhelmshaven
31.100
13.900
17.200
55,4
Hamburg
563.600
266.800
296.800
52,7
Bremen
128.800
63.800
65.000
50,5
Gelsenkirchen
94.400
47.000
47.400
50,2

Nach dem Kriege war die Ermittlung und Kartierung der Kriegszerstörungen für die Aufstellung eines Generalbebauungsplanes dringend erforderlich. So wurde im Maßstab 1:2.500 ein Schadensplan für den gesamten städtischen Bereich hergestellt. Nach den Grundsätzen der"Göderitz-Tabelle" (Tabelle zur Ermittlung des Schadensgrades an Gebäuden) wurde für jedes Grund stück die Kartierung nach Gruppen vorgenommen:

Der Schadensplan

Der Gesamtschadensplan hat eine Größe von etwa 7x7m und enthält den gesamten Grundstücksbestand mit der flächenmäßigen Eintragung der Gebäude. Der Plan ist eine Vergrößerung des amtlichen Vermessungsplanes 1:3.000 und enthält daher alle zunächst erforderlichen Angaben. Die Höhe der Gebäude und die Nutzungsart gehen allerdings nicht aus der Schadenskarte hervor, erst später erwies es sich als notwendig, auch noch Angaben über Baujahr, Gebäudeart, Nutzungsart, Bauhöhe usw. zu erhalten. Im Maßstab 1:1.000 wurden fortschreibende Bauwerksbestandsplane angelegt, die eine genaue Planungsunterlage darstellten. Nachdem wir nun ein allgemeines Bild von den Zerstörungen gewonnen haben, wollen wir uns den einzelnen Baugruppen zuwenden.

Am weittragendsten die Zerstörung der Wohnbauten, denn mit ihr wurden fast eine Million Bewohner obdachlos und zugleich die wirtschaftliche Kraft Hamburgs gebrochen.

Vergleichen wir die Schäden an Wohnungen und Wohngebäuden miteinander, so führt dieses zu der Feststellung, daß mit 52,9% Wohnungsausfall verhältnismäßig mehr Wohnungen als Wohngebäude zerstört wurden, denn der Verlust an Wohngebäuden betrug "nur" 32,2%. Es waren 563.533 Wohnungen in 122.301 Wohngebäuden, also im Mittel4,6 Wohnungen je Wohngebäude untergebracht. Zerstört wurden 295.980 Wohnungen in 43.058 Wohngebäuden, also im Mittel 6,9 Wohnungen je Wohngebäude, erhalten blieben 267.533 Wohnungen in 79.243 Wohngebäuden, also im Mittel 3,4 Wohnungen je Wohngebäude. Hieraus wird ersichtlich, daß überwiegend Wohngebäude mit vielen Wohnungen, also insbesondere die Großwohnanlagen, zerstört wurden. Dagegen ist die Anzahl der zerstörten Kleinhäuser sowohl absolut als auch relativ weit geringer. Die Angriffe haben sich zur Hauptsache auf die dicht bevölkerten Wohngebiete im städtischen Bereich Hamburgs konzentriert, während im nichtstädtischen Bereich (Randgebiete, Außenbezirke, ländliche Gebiete) die Zerstörung verhältnismäßig gering war. Der Zerstörungsplan zeigt dies mit besonderer Deutlichkeit.

Wohnungen und Wohngebäude - Bestand 1939-1945
Bezeichnung
Wohnungen
Wohngebäude
Anzahl
%
Anzahl
%
Bestand Ende 1939
Zugang durch Neubau oder Wiederaufbau
555.655
7.878
98,6
1,4
119.989
2.312
98,1
1,9
Summe
563.533
100,0
122.301
100,0
Abgang durch Kriegsschäden
durch sonstige Einwirkungen
295.654
326
52,3
0,6
43.058
35,2
Bestand Ende 1945
267.533
47,1
79.243
64,8

 Mönckebergstrasse, Juni 1944Kattrepel 9.-11. Juni 1944

         
Schäden nach Schadensgraden für Wohnungen und Wohngebäude
Art der Beschädigung Wohnungen Wohngebäude
Anzahl
%
Anzahl
%
unbeschädigt
114.757
20,5
27.773
22,6
leicht beschädigt
109.471
19,3
   
mittel beschädigt
38.970
6,9
51.470 42,2
schwer beschädigt
23.005
4,1
   
total zerstört
277.330
49,2
43.058
35,2
Summe:
563.533
100,0
122.301
100,0

Wilhelmsburg, Veringstrasse, 20.6.1944 

Wie nachhaltig und gründlich die Zerstörung war, geht daraus hervor, daß 49,2% aller Wohnungen total zerstört wurden und nur 11% mittel und schwer beschädigt. Der Gesamtwohnungsausfall ermittelt sich aus:

total zerstörte Wohnungen
277.350
schwer beschädigte unbewohnbare Wohnungen
15.924
mittel beschädigt und nicht bewohnbar rund
2.400
durch sonstige Einwirkungen
326
Gesamtwohnungsausfall
295.980

Die Darstellung des zeitlichen Verlaufes des Wohnungsausfalls schildert zugleich, wenn auch sehr nüchtern, den Kriegsverlauf hinter der Front in der Heimat. Betrachten wir einmal genauer den Verlauf der Fliegerschäden. Die Angriffe setzten schon bald nach Beginn des Krieges ein, doch blieben die Schäden in mäßigen Grenzen. Ab 1941 nahmen dann die Angriffe, sowohl der Zahl als der Wirkung nach, zu. Vom Dezember 1942 bis Juli 1943 verminderten sich die Angriffe wieder und die Schäden wurden geringer, so daß mehr neue Wohnungen erstellt werden konnten, als verloren gingen. Die Bewohner waren mittlerweile durch die langen Erfahrungen auf vieles vorbereitet; aber mit Angriffen, wie sie Hamburg in den letzten Julitagen 1943 heimsuchten, hatte niemand gerechnet. Sehen wir uns einmal die folgende Tabelle an, in der einige Zeiträume der Zerstörung zusammengefasst sind, und wir gewinnen ein noch klareres Bild von dem Fortgang der Zerstörung und der zunehmenden Sinnlosigkeit des Krieges. Außer den weiteren Angriffen auf das Stadtgebiet erfolgte im November 1943 noch ein größerer Angriff auf die Randgebiete der Stadt und ein Sprengbombenangriff auf den Stadtteil Harburg.

         
Die Entwicklung des Wohnungsausfalls in Hamburg
Zerstörungszeitraum
Wohnungsausfall vom Wohnungsbestand 1939
Wohnungen
Wohnungen in "/0
 
einzeln
gesamt
einzeln
gesamt
Sept. 1939 - Aug. 1941
1.848
. 848
0,38
0,38
Sept. 1941 - Dez. 1941
1.372
3.220
0,20
0,58
Jan. 1942 - Aug. 1942
375
3.595
0,07
0,65
Sept. 1942 - Nov. 1942
3.195
6.790
0,55
1,20
Dez. 1942 - Juli 1943
-1.714
5.086
-0,30
0,90
Juni 1943 - Aug. 1943
263.491
268.577
47,40
48,30
Sept. 1943 - April 1945
27.077
295.654
5,00
52,30
bewohnbar gebliebene Wohnungen
260.001
555.655
46,70
100,00

 

Die Zerstörung geschah mittels Spreng- und Brandbomben und mit einer geradezu erschreckenden Systematik. Die Angriffe wurden meist nachts durchgeführt. Mittels so genannter "Tannenbäume" - Sätze farbiger Leuchtraketen - wurde von voranfliegenden Flugzeugen ein Feld abgesteckt, in dem an den Eckpunkten dieses vorher bestimmten Feldes solche weitleuchtenden Tannenbäume abgeworfen wurden. In dieses so abgesteckte Feld warfen die nachfolgenden Flugzeuge ihre Bombenlasten ab, Tod und Verderben, Not und Leid, Zerstörung und Grauen war die Folge dieses Tuns. In den ersten Jahren des Krieges entstanden dabei meistens leichte und mittelschwere und nur vereinzelt schwere und totale Schäden. Erst mit der längeren Kriegsdauer nahmen die Totalschäden immer mehr zu, die Verschärfung des Krieges und die Änderung der Kriegstechnik wirkten sich aus. Dies führte zur systematischen und totalen Zerstörung ganzer Wohngebiete, ganzer Stadtteile, der Hälfte von Hamburg. Leichte und mittlere Schäden traten nur noch an den Rändern der zerstörten Wohngebiete auf. Die Kurve des Wohnungsausfalls zeigt eine steigende und fallende Tendenz. Das ergibt sich daraus, daß in den Zeiten, in denen wenig oder gar keine Luftangriffe stattfanden, die Wiedergewinnung neuen Wohnraums den neu hinzugekommenen Wohnungsausfall übertraf. Man kann also aus dieser Kurve deutlich ablesen, in welcher Zeit die Gewinnung neuer Wohnungen mit dem Wohnungsausfall durch Luftangriffe nicht schritthalten konnte. Nur in drei Zeitabschnitten und zwar vom Februar bis April 1942, vom Dezember 1942 bis Juli 1943 und vom März 1944 bis Mai 1944 konnte der Wiederaufbau oder die Wiederherstellung von Wohnungen den in gleichen Zeiträumen aufgetretenen Wohnungsausfall decken.

Das Ergebnis dieser Zerstörung waren kilometerweise Trümmergebiete, aus denen nur vereinzelt einige verschonte Gebäude herausragten. Es ergaben sich dabei sehr typische Schadensbilder je nach Art der Zerstörung. Bei Sprengbomben sehen wir hauptsächlich rasante Schäden an den Einschlagsstellen und rundherum leichtere Schäden, insbesondere Glas- und Dachschäden. Bei Brandbomben brannten die Gebäude vollständig aus, übrig blieb das Mauerwerk. Da Hamburg überwiegend durch Brand zerstört wurde, war das typische Schadensbild die ausgebrannte Ruine. Soweit die Bauwerke aus der Zeit vor 1914 stammten, wurden diese Ruinen größtenteils niedergerissen, dagegen war man sehr darauf bedacht, die Ruinen der nach 1918 erstellten Gebäude zu erhalten. In dieser Zeit entstanden die großen derzeit modernen Wohngebiete Jarrestadt, Hamm, Barmbek-Nord, Dulsberg, Horn mit etwa 33.700 Wohnungen. Davon wurden rund 25.900 Wohnungen durch Brand zerstört. Das Mauerwerk der Außenwände und Treppenhäuser war ganz oder teilweise erhalten geblieben und zum Wiederaufbau geeignet. Außerdem waren diese Gebiete städtebaulich gesund und modern angelegt, so daß hier der Wiederaufbau zuerst einsetzen konnte. Leider reichte die durch Krieg und Nachkriegszeit geschwächte Arbeitskraft und Baukapazität nicht aus, um alle wertvollen Ruinen für den Aufbau zu erhalten; der Verfall ging oft schneller voran als die Möglichkeit des Ruinenausbaues. Nachstehend zeigen einige typische Bilder die Zerstörung von Wohnungen.

Der Bevölkerungsbestand Hamburgs veränderte sich infolge des Wohnungsausfalls und der sonstigen Wirkungen des Krieges erheblich. Die nachstehende Tabelle und graphische Darstellung zeigt die.

Bevölkerung, Haushaltungen und Wohnungen im Gebiet Hamburg

Während des Krieges betrug die Abwanderung bis 1943 etwa 150.000 Personen. Diese Abwanderung ergibt sich aus Wehr- und Arbeitsdiensten. Die Großangriffe im Juli 1943 bewirkten eine fluchtartige Verminderung des Bevölkerungsbestandes und die Bevölkerungsziffer sank auf rund 800.000 Personen herab, also auf die Hälfte des Vorkriegsbestandes. Jedoch sind bald nach den Angriffen wieder sehr viele Hamburger in ihre Heimatstadt zurück gekehrt, so daß Ende des Jahres 1945 schon wieder 1,3 Millionen Einwohner in Hamburg wohnten. Dann stieg die Zahl weiter, so daß 1946 etwa 1,4 Millionen Personen auf dem halben Wohnraum wohnten. Während in der Vorkriegszeit im Durchschnitt 3,1 Personen je Wohnung untergebracht waren, wohnten 1946 durchschnittlich 6,5 Personen in einer Wohnung. Die sich daraus ergebenden Wohnverhältnisse sind eine ungeheure Belastung der Stadt und der Bevölkerung in sozialer, hygienischer, psychologischer und politischer Hinsicht.

Münstermannsberg 6-8 und 1-3, 27.7.1942Schäden durch Sprengbomben, Bahrenfelder Chaussee 81-83, 5./6.6.1940Königshütter Str. 18-12, 27.7.1942Tonndorf, Haupstr. 127-135, 27.7.1942Universitätskrankenhaus EppendorfFinanzgebäude, Juni 1944
SHELL-Anlagen Harburg

Aber noch ein Weiteres ergab sich aus der Zerstörung der städtischen Wohngebiete: die Bevölkerung konnte in den zerstörten Wohngebieten nicht mehr wohnen, sondern mußte in den erhaltenen Wohngebietsteilen und vor allem in den Randgebieten untergebracht werden. So kam es dann, daß viele Stadtteile fast 100% der Bevölkerung verloren, die ländlichen Ortsteile aber 100% und mehr Bevölkerungszuwachs hatten. Der folgende Plan zeigt diese Situation, aus der sich erhebliche Verkehrs- und Versorgungsschwierigkeiten ergaben.

Öffentliche Gebäude wurden neben der Wohnungszerstörung ebenfalls in erheblichem Umfange zerstört. Dazu gehören: Verwaltungsgebäude, Schulen, Museen, Bibliotheken, Kirchen, Krankenhäuser usw., die für die Aufrechteerhaltung des gesunden Lebens einer Großstadt und ihrer Kultur unbedingt wichtig sind. Es ist nicht möglich, alle zerstörten Gebäude aufzuzählen. Jedoch sei vermerkt, daß etwa 160 Schulen und über 100 Kirchen zerstört wurden, insbesondere die Kirchen St. Catharinen, St. Jacobi und St. Nicolai, sowie die St. Georger Kirche. Von den öffentlichen Verwaltungsgebäuden wurden das Stadthaus und andere größere Gebäude zerstört. Es ist jedoch von wesentlichem Vorteil für Hamburg gewesen, daß das Hamburger Rathaus und einige andere Verwaltungsgebäude sowie der Kern der Innenstadt erhalten geblieben sind, so daß von dort aus sofort nach Kriegsbeendigung der Aufbau der Stadt und der Verwaltung und die Ingangsetzung eines normalen Lebens leichter erfolgen konnte, als in Städten, deren Innenstadt vollkommen zerstört war. Die Tabelle gibt eine Übersicht über die Schäden an öffentlichen Gebäuden, ohne jedoch vollständig zu sein, da über diese Gebäude weder eine genaue Baustatistik noch eine Schadensstatistik geführt wurden.

Schäden nach Schadensgraden für öffentliche Gebäude (ohne Verwaltungsgebäude)
Art der Beschädigung
Gottesdienststatten
Krankenanstalts-Gebäude
Schulen
Kulturgebäude
Summe der öffentlichen Gebäude
Anteil
unbeschädigt
57
171
167
13
408
27,1
leicht beschädigt
35
175
65
28
303
20,2
mittel beschädigt
13
77
62
26
178
11,9
schwer beschädigt
25
89
60
32
206
13,8
total zerstört
75
192
97
38
402
27,0
Summe:
205
704
451
137
1.497
100,0

Während die Wohnungsstatistik und die Schadensregistrierung ein hinreichendes Bild ergeben, so daß man sogar Kapitalwerte davon ableiten kann, trotzdem die Einheit "Wohnung" keinen unmittelbaren Wert darstellt, ist eine wert- und größenmäßige Schadensfeststellung bei öffentlichen Gebäuden, wie auch bei allen anderen Baugruppen und Bauwerken, nicht möglich, denn die Größen dieser Einheiten sind so unterschiedlich, daß Mittel- und Einheitswerte nicht gebildet werden können. Trotzdem soll die folgende Aufstellung einen ungefähren Anhalt geben. Die Arbeitsstätten Hamburgs wurden in erheblichem und unübersehbarem Umfange zerstört. Genaue Werte liegen auch hier nicht vor, da über den baulichen Bestand an Arbeitsstätten keine Statistik geführt wurde und Schadensermittlungen nicht getroffen werden konnten. Es kann jedoch ohne Bedenken angenommen werden, daß etwa 50% aller Arbeitsstätten ebenfalls völlig zerstört wurden. Darunter sind insbesondere die Werften, mit der Werft Blohm &Voss an der Spitze, deren völlige Vernichtung nach Beendigung des Krieges noch weiter durchgeführt wurde. Weiter wurden vernichtet die größeren Werke der Mineralölverarbeitung, der größte Teil der hamburgischen Lagerhäuser, Fabriken, Werkstätten, Büro- und Kaufhäuser von Industrie, Handel und Gewerbe.

Wilhelmsburg. Ecke Grevenhofkanal/ Reiherstieg. ]uni 1944Brücke über den Ellerholzkanal. 18./20.6.1944Petroleumhafen. 18.6.1944 

Die Anlagen im Schienenverkehr der Deutschen Reichsbahn und der Hamburger Hochbahn erlitten besonders schwere Zerstörungen an den Brücken, so wurden etwa 20 Bahnbrücken völlig zerstört und 40 Bahnbrücken so stark beschädigt, daß sie erst nach Durchführung umfangreicher Wiederherstellungsarbeiten befahrbar wurden. Das führte zu großen Verkehrsstörungen und teilweise zu erheblichen Verkehrs-Stilllegungen. Auch die Gleisanlagen von Haupt- und Nebengleisen wurden in erheblichem Umfange zerstört und zwar insgesamt etwa 90km Gleise und 300 Weicheneinheiten, ferner Stellwerksgebäude, Fernmeldeanlagen, Bahnbetriebswerke, Stromversorgungsanlagen, Empfangsgebäude, Bahnsteige, Ladestraßen, Rampen usw. Allein bei der Reichsbahn wurden vernichtet: 4 Empfangsgebäude, 11 Güterabfertigungen, 37 Dienstgebäude. Schwer beschädigt wurden 9 Verwaltungsgebäude, 26 Empfangsgebäude, 23 Güterschuppen, 104 Dienstgebäude. Bei der U-Bahn traten größere Zerstörungen ein, so daß die Linie Hauptbahnhof/Rothenburgsort völlig ausfiel und der Ring zwischen Barmbek und Berliner Tor nicht befahren werden konnte. Selbst Tunnelanlagen waren durch Volltreffer teilweise außer Betrieb gesetzt. Auch hier traten größere Schäden an Schienen, Gebäuden und Brückenanlagen ein. Im Straßenbahn- und Autobusverkehr waren die Zerstörungen noch größer. Der Hamburger Hafen war den Kriegseinwirkungen erheblich ausgesetzt. Infolge der im Hamburger Hafen eingetretenen Kriegsschäden betrug die Leistungsfähigkeit der Hafenumschlagsanlage nach dem Zusammenbruch nur noch 10% der friedensmäßigen Kapazität. Diese hochgradige Herabsetzung der Hafenumschlagskapazität ergab sich aus der Zerstörung der verschiedensten Anlagen. Darüber geben eine Reihe unserer Bilder Auskunft. Die Minderung der Umschlagskapazität um 90% war also zur Hauptsache Folge der Zerstörung von Schuppenflächen, Kränen, Gleisanlagen und deren wechselseitigem Zusammenwirken. Bei der Post wurden 15 große Gebäude völlig vernichtet, darunter fallen insbesondere die Fernsprechgebäude Große Allee und Schlüterstraße sowie das Hauptpostgebäude am Hühnerposten und Altona-Poststraße; insgesamt sind etwa 22% des baulichen Bestandes bei der Post zerstört worden, dazu kommen noch leichtere und mittlere Schäden.

Hafen. Schuppen 80. 24.I28.7.1943Baakenhafen. 24.I28.7.1943Hafen, Fruchtschuppen C, 24./28.7.1943Zerstörung der Sielanlagen 

Bei den öffentlichen Versorgungsbetrieben HEW, HGW und HWW traten Zerstörungen ein, welche die Versorgung mit Gas, Wasser und Elektrizität wesentlich beeinträchtigten. Zum Glück sind jedoch die Zerstörungen nie so groß geworden, daß diese wichtigen Lebensgüter einer Großstadt völlig ausfielen.

Hamburgs Straßen wurden an 4.300 Stellen beschädigt, dabei wurden rund 250.000m2 Straßendecke zerstört. Die Schäden ergaben sich aus Sprengbomben, die das Straßenpflaster aufrissen; durch Hitzeeinwirkungen im Feuersturm, die das Granitpflaster aufbrechen ließen, und durch herabstürzende Gebäudetrümmer, die Straßen und Fußwege beschädigten. Auch waren Straßen, Brücken, Ufermauern und Vorsetzen, sowie fast alle Straßenbeleuchtungsanlagen zerstört.

An Sielanlagen traten etwa 2.200 Beschädigungen ein. Diese Sielschäden waren eine große hygienische Gefahr für Hamburg. Auch Sielpumpanlagen sowie die großen Stammsiele wurden an vielen Stellen erheblich beschädigt. Die Zusammenstellung der baulichen Schäden, wie sie hier erfolgte, gibt dem Leser eine gewisse, wenn auch unvollständige Übersicht über die Zerstörung, die Hamburg über sich ergehen lassen mußte. Es ist nicht möglich, im Rahmen dieser Abhandlung auf die gesamte Zerstörung Hamburgs im einzelnen einzugehen und alles zu berücksichtigen. Dazu ist das Ausmaß der Zerstörung zu groß, so groß, daß es menschlich nicht fassbar ist. Im Rahmen dieses Berichtes können die Leistungen des "Amtes für kriegswichtigen Einsatz" (AKE) nicht unerwähnt bleiben. Aus den immer stärker werdenden Fliegerangriffen ergaben sich ganz neue hoheitliche Aufgaben, die zur Bildung des AKE führten. Es sollen hier nur kurz die einzelnen Auf gaben genannt werden, die dieses Amt zu bewältigen hatte:

a) Errichtung von Wohnungen als Ersatz für zerstörte Wohnungen,
b) Beschaffung von Ersatzräumen für gewerbliche, industrielle Betriebe und öffentliche Gebäude,
c) Instandsetzung von beschädigten Gebäuden, teils im Soforteinsatz,
d) Durchführung der gesamten Luft-Schutzmaßnahmen,
e) Baustoffbeschaffung und Bewirtschaftung,
f) Arbeiter- und Firmenverteilung und Einsatz,
g) Transportraumlenkung,
h) Treibstoffbewirtschaftung,
i) Baugeräte-Einsatz.

Diese Aufgaben und Arbeiten wurden unter den schwierigsten Verhältnissen dieses Krieges geleistet. Der materielle Gesamtschaden dieser Zerstörungen lässt sich nicht einwandfrei feststellen. Um aber einen Überblick zu erhalten, soll hier trotzdem der Versuch unternommen werden, eine ungefähre Schätzung des Zerstörungswertes zu ermitteln. Bezüglich der Wohnungen ist eine annähernde Wertfest-Stellung möglich. Nimmt man an, daß die Zerstörungen der anderen Baugruppen etwa den Zerstörungen im Wohnungsbau entsprechen, so lässt sich der Gesamtzerstörungswert nach dem Baukostenstand 1952 wie folgt ermitteln:

295.000 zerstörte Wohnungen mit einem durchschnittlichen Bauwert von 12000,- DM je Wohnung ergeben Gesamtkosten von
3.540.000.000,- DM. Hinzu kommt, daß etwa 150.000 Wohnungen mittel und leicht beschädigt wurden und daß der Instandsetzungswert durchschnittlich mit 2000,- DM angesetzt werden muß. Das ergibt 300.000.000,- DM. Zusamen ergibt das 3.840.000.000,- DM. Der Zerstörungswert aller Bauwerke der anderen Baugruppen soll mit mindestens dem gleichen Wert eingesetzt werden, was eine Summe von 7.680.000.000,- DM ergibt. Zu diesen Kosten kommen u. a. noch die Kosten für die Baureifmachung der Grundstücke, so daß sich die Gesamtbaukosten, die sich aus der Zerstörung ergaben, auf etwa 8.000.000.000,- DM belaufen [Anm.: Hierbei ist die Kaufkraft von 1953 zu Grunde gelegt]. Das bedeutet bei Vollbeschäftigung der Hamburger Bauarbeiterschaft eine Bauleistung von 25 Jahren. Vor diesen Bauaufgaben stehen alle Bauschaffenden unserer Generation.

Übersicht der zerstörten Bereiche Hamburgs

 

Der vorliegende Beitrag wurde dem Buch "Hamburg und seine Bauten 1929-1953" entnommen. Für die freundliche Genehmigung danken wir dem Architekten- und Ingenieurverein Hamburg e.V.. 

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