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Die unterirdisch verbunkerte Fahrzeughalle der Feuerwache 1 in Wiesbaden

Als logische Konsequenz eines sich zuspitzenden Ost-West-Konfliktes und dem immer problematischeren Zuwachs des innerstädtischen Fahrzeugverkehrs, begann man in den frühen 60er Jahren der BRD mit einer Vielzahl von Forschungsstudien, die Möglichkeiten der Kombination von unterirdischen Verkehrsbauwerken mit Luftschutzanlagen des zivilen Bevölkerungsschutzes zu untersuchen. Länder wie Schweden, Schweiz oder die Niederlande galten hier als Vorbild, konnten sie doch zu diesem Zeitpunkt bereits konkrete Schutzraumbauten in Tiefgaragen und U-Bahnstationen vorweisen. In Westdeutschland sollte es die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden sein, die sich als Vorreiter bei der frühzeitigen Errichtung dieser Mehrzweckschutzbauwerke hervortat.

Bereits im Jahre 1961 begann man im Zuge des Neubaus des Appartementhauses „Vier Jahreszeiten“ im Zentrum Wiesbadens an der Wilhelmstraße, erstmalig in der BRD, die dazugehörige Tiefgarage als Mehrzweckanlage mit gleichzeitiger Nutzung als Zivilschutzbunker für damals 1337 Menschen zu errichten. Diesem Beispiel folgten alsbald Städte wie Bochum, Düsseldorf oder Frankfurt. Doch in Wiesbaden dachte man weiter.

Die für die Zivilbevölkerung notwendigen Hilfs- und Rettungskräfte sollten nach einem erfolgten atomaren Angriff auf die Stadt weiterhin voll einsatzfähig bleiben. Der dafür notwendige Schutzumfang musste also nicht nur alleinig das Personal, sondern auch das benötigte technische Einsatzgerät umfassen.
Schon seit Mitte der 50er Jahre wurde an einem modernen Neubau der Wiesbadener Feuerwache 1 geplant. Als der Stadt von Seiten des Bundes der Vorschlag unterbreitet wurde, unter der neuen Feuerwache einen so genannten Erprobungsmusterbau zu errichten, der neben Schutzräumen für die Rettungskräfte auch eine unterirdisch geschützte Wagen- und Gerätehalle beinhalten sollte, entschied man sich, bei dem Bau der Wache diesen neuartigen Schutzbau mit zu integrieren.

Baugrube der Mehrzweckanlage. Unten und oben die Ein- und Ausfahrten AusfahrtenBaugrube der Mehrzweckanlage. Oben Ausfahrt und MannschaftsschutzräumeMannschaftsschutzräumeBaugrube der Mehrzweckanlage. 

Als Standort für die neue Feuerwache 1 wählte man ein 26.000 m² großes Grundstück am Kurt-Schumacher-Ring 16. Bei der Standortplanung spielten auch luftschutztaktische Gesichtspunkte eine Rolle. Man versprach sich durch die Lage der Feuerwache an einer das Stadtgebiet größtenteils umfahrenden Ringstraße eine weitaus höhere Aussicht, auch unter Kriegsbedingungen mit den Einsatzfahrzeugen an fast alle Stadtteile heranzukommen, als dies bei einer innerstädtischen Lage möglich wäre.

Für die Planung und Bauleitung dieses außergewöhnlichen Bauprojektes verpflichtete man den Architekten Geza Lörinez vom damaligen Hochbau- und Maschinenbauamt der Landeshauptstadt Wiesbaden. In den Jahren 1963-1965 wurde die neue Feuerwache 1 mit einem Gesamtkostenaufwand von 9,3 Millionen DM errichtet. Etwa 1,3 Millionen DM entfielen davon auf die unterirdische Erprobungs-Schutzraumanlage, welche aber in Absprache mit den an der Planung beteiligten Bundesministerien des Inneren sowie des Wohnungsbaus vom Bund erstattet wurden.

Als Wiesbadens neue Feuerwache 1 am Kurt-Schumacher-Ring am 17.09.1966 bei einem Tag der offenen Tür feierlich übergeben wurde, konnte man damals der Bevölkerung und einer Reihe von Fachbesuchern aus dem europäischen Ausland eine bis dahin technisch einmalige Anlage präsentieren. Fachzeitschriften berichteten überschwänglich von einem „technischen Wunderwerk“ (so z.B. die Zeitschrift „Zivilschutz“ 1968 im Heft 2 auf Seite 43).

Artikel/wiesbaden_fw1/05.jpgFrühjahr 2008
Besucher im Mannschaftsschutzraum am Tag der offenen Tür 1966Schutzraumtechnik im Zustand 1966Einfahrtsrampe in die geschützte FahrzeughalleSchutzraumbelüftungZugang in den MannschaftsschutzraumÜberreste der Warnstelle im SchutzraumNotausstiegAusfahrt, Schutztor und SchleuseneingangAusfahrt mit SchutzraumtorSchutzraumtorKettenantrieb des SchutzraumtorsAntriebsmotor für das SchutzraumtorAusfahrt und MuseumsexponateFernmeldevermittlung
Grundriss der Anlage

Der moderne unterirdische Mehrzweckschutzbau verfügt über eine 80 cm starke Decke mit Stahlbetonbewährung und einer darüber liegenden zusätzlichen Strahlenschutz-Beschichtung von 25 cm, sowie nochmals etwa 2 m Erdreich. Darunter befinden sich auf etwa 240 m² Schutz- und Technikräume für das Personal, sowie die etwa 442 m² große Fahrzeug- und Gerätehalle für die geschützte Unterbringung von bis zu 12 Einsatzfahrzeugen mit Drehleiter. Die Ein- und Ausfahrtsrampe sind durch zwei etwa 45 cm starke Stahlbeton-Schiebetore mit einem jeweiligen Gewicht von etwa 45 Tonnen geschützt. Die Tore sind mit Baryt-Beton sowie Strahlenschutzschichten gefüllt und können sowohl elektrisch als auch im Notbetrieb per Hand bewegt werden. Die Ein-Ausfahrtsrampen sind so angelegt, dass sie die Druckwelle einer Detonation ablenken können und diese nicht ihre volle Kraft auf die Schutztore entfalten kann. Neben den Rettungskräften der Feuerwehr und ihrem technischen Gerät, sollte im Kalten Krieg auch ein Katastrophenschutzstab in diesem Mehrzweckbauwerk Schutz finden. Erst 1999 wurde der gesamte Schutzbau aufgegeben und dient heute als Lager und Abstellmöglichkeit für Exponate des in der Feuerwache eingerichteten Feuerwehrmuseums.

Quellen:
- Eigene Recherchen
- Feuerwehr Wiesbaden
- Ziviler Bevölkerungsschutz 9/1961
- Ziviler Bevölkerungsschutz 10/1964
- Ziviler Bevölkerungsschutz 7/1966
- Ziviler Bevölkerungsschutz 11/1966
- Zivilschutz 12/1965
- Zivilschutz 2/1968

Tags: Zivilschutz, Bunker, Wiesbaden